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Freie Geister
Das neue Gleichgewicht im Osten schaut so aus: Oben ist unten und umgekehrt, die letzten sind die ersten - kurzum: „out" ist „in" und umgekehrt. Sehr faszinierend ist das alles. Die Japaner und Südkoreaner tummeln sich in Ungarn, „Absurdistan" nennen die Tschechen derzeit ihr Land, und in Moskau gibt's endlich einen ganz, ganz großen McDonald's-Betrieb.
Die Veteranen in den einstigen Ost-Block-Ländern sind um die 40. Martin Palous zum Beispiel, ein alter Kämpfer in der „Charta 77", ist jetzt der internationale Repräsentant des „Bürger-Forums". Jüngst erläuterte er einem amerikanischen Journalisten, was Vaclav Havel dem amerikanischen Präsidenten sagen werde, wenn er ihn demnächst besuche: „Die Tschechoslowakei ist wieder da, ein kleines, aber aktives Land auf der europäischen Landkarte. Und wir haben etwas anzubieten."
Da überlegt man zum Beispiel gemeinsame Projekte mit den Polen und den Ungarn: „ Vielleicht ist es realistisch an eine Art Zusammenarbeit nach dem alten Benelux-Projekt zu denken", überlegt der 39jährige Palous.
Wir bringen den Menschen dort die Botschaft von Geld und Gaben, wir vermitteln das Bild eines einseitig von ökonomischen Bedingungen geformten Europa. Auf diesen Nenner brachte es dieser Tage Wissenschaftsminister Erhard Busek in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung". In Wahrheit gehe es aber nicht nur um ökonomische Strukturverbesserungen und Kooperationsverträge, meint Busek, in Wahrheit gehe es um etwas anderes: „Die Veränderungen wurden doch dadurch möglich, daß es dort Menschen im geistigen Bereich gelungen ist, durchzuhalten und eine innere Alternative aufzubauen; einfach mehr Kraft zu haben als das inzwischen verabschiedete System."
Und Busek fragt, ob die Begegnung der freien Geister dieser Länder mit dem freien Geist Westeuropas überhaupt schon stattgefunden habe.
An einem Beispiel erläutert der Minister auch, wie leicht wir in alten Denk-Kategorien verharren: Wir leiden unter dem Nord-Süd-Transitverkehr. Sollen wir unsere Beziehungen zu Osteuropa auf der gleichen Basis aufbauen? Dann haben wir innerhalb kurzer Zeit zwar neue, aber falsche Strukturen.
Schon sind wir wieder im Begriff, die Sachzwänge zu schaffen, die dann lautstark beklagt werden. Die Zukunftsprojekte werden, so scheint es, nur in Parteiprogrammen beschworen und von Visionären zwischen Buchdeckeln präsentiert. Gibt es den freien Geist bei uns überhaupt noch, fragt sich Busek: „Oder gibt es nur mehr wirtschaftliche Funktionen?"
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