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Freiheit auf vier Rädern: Benützen statt besitzen

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Nach einem Jahr und 21.590 gefahrenen Kilometern haben sie Bilanz gezogen und festgestellt: Es klappt! Vier Steyrer Familien teilen sich ein Auto.

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Nach einem Jahr und 21.590 gefahrenen Kilometern haben sie Bilanz gezogen und festgestellt: Es klappt! Vier Steyrer Familien teilen sich ein Auto.

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Wer durch Steyr fährt, erlebt nichts anderes als in nahezu allen Städten: Ein Gewirr von Einbahnstraßen versucht eine Verkehrslawine durch die engen Straßen des historischen Stadtkerns zu lotsen. Und wenn der Lenker dann erkannt hat, daß Steyr eine Stadt zum Zu-Fuß-Gehen ist, bringt er mangels Parkplätzen sein Auto nicht mehr los. Da erregt der gelbweiße Fiat mit der Aufschrift „Auto-Teilen" zwangsläufig Aufsehen.

Im Sommer 1992 haben vier junge Steyrer Familien die erste oberösterreichische „Car-Sharing-Initia-tive" gegründet. Was in der Schweiz mit fast 2.000 Mitgliedern in 40 Ortsgruppen bestens läuft, erweckt in Österreich noch Mißtrauen. „Ein Privatauto steht die meiste Zeit nur herum. Und wenn es fährt, wird es oft nur von einer Person genutzt. Wir wollen ein Auto für mehrere Personen optimal nutzen und das zu möglichst niedrigen Kosten", umreißt Peter Czermak, einer der Steyrer „Autoteilhaber", die Grundidee.

Und so funktioniert das Auto-Teilen: Der Wagen gehört dem „Verein zur gemeinschaftlichen Nutzung von Kraftfahrzeugen Auto-Teilen-Steyr", dem drei Familien plus eine Einzelperson angehören; diese haben einen Nutzungsvertrag geschlossen, der Gebrauch, Haltung und Wartung des Autos regelt.

Das Auto steht auf ei-nem von allen leicht erreichbaren Parkplatz und wird gegen Voranmeldung gebucht. Wer zuerst reserviert, hat Vorrang, jede Familie hat einen Auto-schlüssel, die Papiere sind deponiert. Nach Gebrauch wird der Wagen wieder auf dem Parkplatz abgestellt, gefahrene Kilometer werden in ein Fahrtenbuch eingetragen. Vierteljährlich wird abgerechnet. Alle Arbeiten (Organisation, Abrechnung, Service, Reparaturen, Reinigung) werden aufgeteilt.

Daß die Sache läuft und sich zudem rechnet, haben die Auto-Teiler nach einem Jahr Betrieb dokumentiert. Dafür, daß die Familien einander trotzdem noch nicht spinnefeind sind, verbürgt sich Czermak: „Es gibt weniger Reibepunkte als erwartet. Wir haben durch den Vertrag mögliche Konflikte von vornherein ausgeschaltet. Es ist mir im abgelaufenen Jahr nur zwei Mal

gebraucht hätte und mir anders be-helfen mußte."

Natürlich sollte, wer sich aufs Auto-Teilen einläßt, nicht beruflich auf das Fahrzeug angewiesen sein. „Bis zu 12.000 Jahreskilometern rentiert es sich. Aber es geht auch darum, sich zu überlegen, wozu brauche ich wirklich ein Auto", erläutert Czermak: „Wir benutzen öffentliche Verkehrsmittel und fahren viel Rad. Das Auto macht uns zusätzlich mobil. Wir können Freunde im Umkreis von Steyr besuchen, die wir sonst nicht erreichen." Sogar einwöchige Urlaubsreisen sind kein Problem. Alle Familien benutzen das Auto auch beruflich.

Der UNO mit dem Steyrer Kennzeichen SR-833T wird kein Einzelgänger bleiben. Die gute Erfahrung hat weitere Interessenten animiert, sodaß der Verein ein zweites Auto in Betrieb nimmt. Daß eine professionell organisierte Mehrfachnutzung auch für andere der 16.667 im Bezirk gemeldeten PKWs wünschenswert wäre, leugnen auch die Stadtväter nicht. Auf Unterstützung wartet der Verein dennoch vergebens. Ein Ansuchen um einen Parkplatz wurde abgelehnt: „Wir können keine Privatinteressen fördern." Das Land Oberösterreich verlieh dem Autosparverein immer-

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