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Freiheit - nicht Chaos

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Monopole stehen von Natur im Widerspruch zu einer demokratischen, freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft. Beim Salzmonopol fällt dieser Widerspruch politisch nicht ins Gewicht - beim Rundfunkmono-pol hingegen sehr. Das Rundfunkmonopol ist Meinungsmonopol und als solches eine permanente Einschränkung demokratischer Grundrechte, Freiheiten und der Pluralität.

Diese Erkenntnis, die auch wieder von Natur jedermann einleuchten müßte, ist jeder Diskussion über das Rundfunkmonopol voranzustellen. Damit wäre die Diskussion für jeden Demokraten, freiheitlich gesinnten und die pluralistische Gesellschaft bejahenden Staatsbürger eigentlich

schon abgeschlossen: und zwar mit einer eindeutigen und uneingeschränkten Ablehnung des Rundfunkmonopols.

Dem ist aber nicht so. Und warum? Weil es Partei- und Rundfunkbürger gibt, die ihr eigenes Demokratie-, Freiheits- und Pluralitätsverständnis haben. Es leitet sich her aus ihrer Stellung in Partei und Rundfunk. Diese Stellung bringt sie dazu, ihr Parteiinteresse über das Staatsinteresse und ihr urpersönlichstes Rund-fankinteresse über das allgemeine Interesse am Rundfunk zu stellen.

So - und nicht anders! - ist der stete Wandel in den Auffassungen mancher Partei- und Rundfunkbürger vom Rundfunkmonopol zu erklären.

Er vollzieht sich am augenfälligsten an der Spitze der Partei- und Rundfunkbürgerschaft.

Karl Blecha zum Beispiel, der Medienspezialist der Staatsbeherrscherpartei, und Gerd Bacher, der Generalintendant des kraft seines Monopols den Äther in Österreich beherrschenden ORF, sind wie wandelnde Glocken: Einmal läuten sie zum Sturm auf das Rundfunkmono-

Die FURCHE hat in der Vorwoche mit einer Diskussionsreihe zum Thema Rundfunkmonopol begonnen, bei der bisher ORF-Generalintendant Gerd Bacher sowie die Kuratoriumsmitglieder Heribert Steinbauer (ÖVP) und Franz Stauber (Kirchen) und heute der Fernsehpraktiker Kurt Dieman zu Wort kamen. Die Serie wird fortgesetzt.

pol, dann schwingen sie zu seiner Verteidigung die Klöppel. Das ist menschlich verständlich, politisch aber unduldbar.

Unbegreiflich ist darüber hinaus die vor allem im (sogenannten) bürgerlichen und speziell im kirchlichen Lager weitverbreitete Furcht vor (möglicherweise) zu viel Freiheit. Die Furcht vor zu wenig Freiheit wäre weit angebrachter: Sie hat sich nur noch nicht bis in die letzte Bürgerstube und bis zur Sakristeitür her-

umgesprochen. Dabei haben Bürgertum (wenn es ein solches überhaupt noch gibt) und Kirche von zuwenig Freiheit mehr zu fürchten als von zuviel Freiheit.

Solche Einsicht entspricht gleichviel bürgerlichem wie christlichem Denken. Aber es ist halt bequemer, in der Mediensakristei medienpolitische Selbstgenügsamkeit zu üben, als in Freiräume auszubrechen, die man noch nicht bis an alle Grenzen überblicken kann. Darum klammern sich politische Furchtsamkeit und Medienzwergverstand ans Rundfunkmonopol. In Österreich bedeutet das: Angstbürger und Angstchristen verkriechen sich ins ORF-Loch.

Diese Rückzugsbewegungen entsprechen weder besonderer, zukunftorientierter politischer Weisheit noch der währen Rechtslage. In Österreich hat nämlich die Europäische Menschenrechtskonvention Verfassungsrang. Und zu der steht

auch wiederum das Rundfunkmonopol im Widerspruch. Ihr Artikel 10, Absatz I, lautet:

„Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein."

Freilich heißt es in der Konvention weiter: „Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen."

Zwischen einem Genehmigungsverfahren und einem Monopol hegen jedoch Welten. Diese müssen erobert werden. In ihnen ereignet sich die Rundfunkfreiheit, die mit Rundfunkchaos von Natur nichts zu tun hat.

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