Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Fremde unter uns
Am Beispiel der BRD: Appelle für mehr Ausländerfreundlichkeit werden gern beklatscht. Konkreten Maßnahmen,. Asylanten aufzunehmen, wendet man den Rücken zu.
Am Beispiel der BRD: Appelle für mehr Ausländerfreundlichkeit werden gern beklatscht. Konkreten Maßnahmen,. Asylanten aufzunehmen, wendet man den Rücken zu.
Zu Beginn der politischen Herbstsaison dieses Jahres beherrschte ein Thema die Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland: die Asylantenfrage. So plötzlich sie im Sommer aufgetaucht war, so rasch verschwand sie im Herbst wiederum. Anlaß war das rapide Ansteigen eines Flüchtlingsstroms von Tamilen aus Sri Lanka.
Zwei Dinge wurden dabei offenbar, nämlich einmal die Art und Weise, wie diese Flüchtlinge vom indischen Subkontinent ins
Herz Europas gelangten, und zum anderen, wie über die Flüchtlings-, Asylanten- und Ausländerfrage gedacht wird.
Die Flüchtlinge kamen über Ost-Berlin in den Westen, und das lag am besonderen Status dieser Stadt. Dies nützte die DDR mit ihrer Fluggesellschaft „Interflug“, indem sie den Tamilen den Transport in den freien Westen versprach. Gleichzeitig brachte sie aber damit die Bundesrepublik in eine echte Bedrängnis.
West-Berlin konnte natürlich diesen beträchtlichen Flüchtlingsstrom nicht aufnehmen, so-daß der größte Teil in die Bundesrepublik umgeleitet und auf die Gemeinden, die wie in Österreich für die „Armenfürsorge“ zuständig sind, aufgeteilt wurde.
Aber auch in der Bundesrepublik ist die finanzielle Lage der Gemeinden nicht rosig, deswegen brachten die Bürgermeister die Asylantenfrage in die politische Diskussion. Noch dazu standen die bayerischen Landtagswahlen bevor.
Die Unionsparteien, insbesondere die CSU, wollten eine Änderung des Grundgesetzes (Ab-schwächung des Asylanten-Artikels), während die SPD und vor allem die Grünen auf eine liberalere Handhabung drängten.
Trotz alledem ging sehr oft die Trennungslinie dieser Diskussion quer durch die Parteien. So mußten zum Beispiel Bewohner eines Obdachlosenheims in Köln den Asylanten weichen. Der Westdeutsche Rundfunk, sonst fast überwiegend mit linken beziehungsweise alternativen Redakteuren besetzt, ergriff bei dieser Gelegenheit eindeutig Partei für die Obdachlosen.
So rasch die Diskussion um die Asylanten aufflammte, so verebbte sie auch. Noch im Frühherbst lenkten die DDR-Behörden ein. Es hat sich dabei auch wiederum gezeigt, wie brüchig dünn die Ruhe um die Ausländerfrage in der Bundesrepublik war.
Die sechziger Jahre mit ihrem rapiden Wirtschaftswachstum machten es in Deutschland wie auch in Österreich notwendig, Gastarbeiter aus nah und fern zu holen. Solange genügend Arbeit für alle in gut bezahlter Form vorhanden war, war dies kein Thema. Als aber Ende der siebziger Jahre die Arbeitslosigkeit rapide stieg, wurde die Gastarbeiterfrage ein Politikum.
Rund vier Millionen Ausländer leben in der Bundesrepublik Deutschland, davon sind nicht alle Gastarbeiter. Denn diese sind nicht nur unter dem Aspekt der fremden Staatsbürgerschaft zu sehen, es gibt hier auch ein soziales Statusproblem. Der spanische Diplom-Chemiker bei Bayer-Leverkusen hat sicherlich mit seinem deutschen Fachkollegen weitaus mehr soziale Berührungspunkte als mit dem spanischen Hausmeister derselben Firma. Damit soll nur angedeutet werden, daß man gemeinhin unter Gastarbeitern Ausländer in unteren Berufen zu verstehen hat.
Es würde zu weit führen, auf weitere Details dieser Frage näher einzugehen, insbesondere auf sozialem Gebiet. Es sei aber gestattet, zwei Anmerkungen zu machen, die auch für Österreich Geltung besitzen:
• Die deutschsprachigen Länder des Westens (Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Schweiz) gehören zu den reichsten der Welt, wenn sie nicht überhaupt die reichsten sind. Daraus ergibt sich eine erhöhte Verantwortung. Es sind daher Diskussionen um Asylanten und Ausländer mit größerer Gelassenheit zu führen.
• Trotz alledem besteht zugegebenermaßen ein Widerstreit zwischen der. ordnungspolitischen Funktion des Staates, die verantwortungsethisch orientiert sein muß, und dem gesinnungsethischen Handeln des einzelnen, noch dazu, wenn er sich als Christ deklariert. Natürlich sind Gesetze und Rahmenbedingungen eine Voraussetzung für eine menschliche Behandlung von Ausländern und Asylanten. Aber noch so gute Gesetze können nicht verhindern, daß man im Ausländeramt erst dann freundlich und zuvorkommend wird, wenn sie den österreichischen Paß mit einem akademischen Grad vor dem Namen sehen.
Aufgabe des Staates ist es, seinen Bürgern die Angst davor zu nehmen, daß Ausländer, Gastarbeiter, Asylanten ihnen Arbeit wegnehmen und kulturelle Identität rauben.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!