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Fremdenhaß in den USA
Texanische Fischer überfallen vietnamesische, aufgebrachte Kleinstädter verhindern japanische Schulen, Schilder von China-Restaurantes müssen Englisch beschriftet werden, die schwarzen Bürger haben Angst vor den Hi-spanics... Das traditionelle Einwanderungsland USA kämpft mit der Angst vor den Fremden.
Texanische Fischer überfallen vietnamesische, aufgebrachte Kleinstädter verhindern japanische Schulen, Schilder von China-Restaurantes müssen Englisch beschriftet werden, die schwarzen Bürger haben Angst vor den Hi-spanics... Das traditionelle Einwanderungsland USA kämpft mit der Angst vor den Fremden.
Was in europäischen Staaten bisher viel ausgeprägter war - in der Schweiz etwa oder Frankreich und Deutschland -, wird immer mehr und vor allem immer offener auch zum Problem der Vereinigten Staaten: Einwanderer haben es zunehmend schwerer; in nicht wenigen Fällen werden sie sogar regelrecht angefeindet und verfolgt. Unterschwellig gibt es dieses Phänomen schon seit langem. Aber jetzt erinnern Vorgänge und Vorfälle an Zeiten der zwanziger Jahre, die sowohl Historiker als auch Politiker längst als endgültig zu den Akten gelegt ansahen.
Da fallen Gruppen texanischer Fischer an der Golfküste über Vietnamesen her, die sich dort angesiedelt haben und beim Shrimps-Fang als ungeliebte Konkurrez betrachtet werden. Die meisten dieser Einwanderer waren nach dem Ende des Vietnam-Krieges von der Washingtoner Regierung ins Land geholt worden, weil sie mit den US-Streitkräften zusammengearbeitet hatten. Ihnen drohte deshalb seitens der seinerzeit siegrei-
chen Kommunisten der Tod.
Da kam es in vielen Städten und Gemeinden des US-Bundesstaates Maryland, quasi vor den Toren der Bundeshauptstadt, zu Massenprotesten gegen den Plan, eine japanische Oberschule einschließlich Junior-College zu gründen. Die Kinder von japanischen Diplomaten und Wirtschafts-bossen sollten da unterrichtet werden.
Spanisch ist verboten
Einige Vororte von Los Angeles haben chinesische Restaurant- und Ladenbesitzer gezwungen, alle Schilder nur noch in Englisch zu beschriften. Zu Ausschreitungen gegen Kambodschaner - nach dem Vietnam-Krieg auch aus humanitären Gründen ins Land geholt! - kam es.in Lowell im US-Bundesstaat Massachusetts, und dort warb der für das Amt des Gouverneurs kandidierende John Silver mit dem provozierenden Wahlspruch: „Warum sollen wir zulassen, daß Lowell die Kambodscha-Hauptstadt Amerikas wird?" Schließlich Florida: Dort haben sich die Fälle gemehrt, daß Supermarktmanager Kassierer nur deshalb fristlos, auf der Stelle feuerten, weil sie mit Kunden spanisch gesprochen hatten.
Felicity Barringer zieht in der liberalen und angesehenen,,New Yorker Times" den Vergleich zu den zwanziger Jahren, aber auch zu den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: in den zwanziger Jahre kam es zu gefährlichen und bedrohlichen Ausschreitungen antikatholischer wie antisemitischer Art, und nach 1890 war es
der nationalistische Politiker William J. H. Traynor, der gegen Einwandererrechte für „die Kriminellen Europas, die Hünen, Slawen und Polen" zu Felde zog. „Einige dieser explosiven Elemente von damals", heißt es in der „New York Times", „machen sich in den USA von heute bemerkbar".
Empörte Bürgerrechtler
Selbst innerhalb der Anti-Establishment-Koalition der US-Bürgerrechtsbewegung - und das erscheint besonders bedenklich - machen sich AntiEinwanderer-Stimmungen breit. Schwarze haben hier gegen weitere Einwanderungen von Hispanics -spanisch sprechenden Mittel- und Südamerikanern also - Stellung bezogen. Hazel Dukes beispielsweise von der New Yorker Farbigenorganisa-
tion N. A. A.C.P. hatte auf einer Kundgebung empört die Frage gestellt: „Warum sollen Fremde, die jetzt ins Land kommen, Arbeitsplätze bekommen, während Schwarze, die Hunderte von Jahren hier wohnen, leer ausgehen?" Sie bat später für diese Bemerkung um Entschuldigung. Spontane Äußerungen sagen aber über dominierende Probleme und Stimmungen oftmals viel Wahres aus. Das geht auch aus der Stellungnahme von Arthur F. Brimmer hervor, Mitglied des Aufsichtsrates des Federal Reserve Board, also der obersten Bankbehörde der USA: „Die Frage, die sich stellt, lautet doch ganz einfach: Soll die weitere Einwanderung begünstigt oder gefördet werden - oder sollte es zu einer nationalen Politik kommen, derzufolge die Menschen hier im
Lande - einschließlich der Schwarzen -, für offene Stellen ausgebildet und vorgesehen werden? Meine höchstpersönliche Meinung: Wir sollte beides tun!"
Martin Heisler, ein Experte für Einwanderer-Probleme an der Universi-ty of Maryland, hat für die USA noch größere Vehemenz gegen die Einwanderer erwartet. Er ist überrascht, daß sie - bisher - ausgeblieben ist, und er sagt: „Ich hatte noch striktere Ablehnung jeglicher Einwandererpolitik erwartet". Dem allerdings widerspricht Max Miller von der Columbia University New York: „Die USA sind nun einmal, im Gegensatz zu den europäischen Staaten, ein Land der Einwanderer - daß hier jetzt Einwanderer quasi auf den Index gesetzt werden, ist ein ausgemachter Skandal."
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