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Fremdenverkehrsbetriebe sollen Kunstwerke sein

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Das Erscheinungsbild unserer Umwelt gehört zu den Grundlagen für den Fremdenverkehr. Eine Vielfalt an Prozessen ist dabei, dieses Erscheinungsbild zu verändern. Die Architektur hat daran einen vergleichsweise geringen Anteil.

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Das Erscheinungsbild unserer Umwelt gehört zu den Grundlagen für den Fremdenverkehr. Eine Vielfalt an Prozessen ist dabei, dieses Erscheinungsbild zu verändern. Die Architektur hat daran einen vergleichsweise geringen Anteil.

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Wichtig für das Erscheinungsbild unserer Umwelt ist das Ortsbild, die Frage also, wie sich eine Ansiedlung in den topographischen Zusammenhang fügt und wie die Proportionen, die Beziehungen von Freiräumen und Gebäuden in den Orten selbst aussehen.

Nicht zuletzt sind es einzelne, oftmals freistehende Objekte, die prägend sein können für den Eindruck, den eine ganze Region macht: Rasthäuser, außerhalb des Ortes liegende Sport- und Freizeitanlagen, insbesondere Frei-und Hallenbäder ...

Am Beginn der Fremdenverkehrsentwicklung im vorigen Jahrhundert,

als der Städter aufbrach, um auf dem Lande Erholung zu suchen, wurden, am Beispiel von Hotels etwa, städtische Formen auf das Land verpflanzt (Sem-mering, Gastein).

Damit war aber keine Lösung gefunden, die sich an jedem beliebigen Ort anwenden ließ. Später fing man an, sich am Bauernhaus zu orientieren, und bis heute dient das Formenrepertoire des Bauernhauses auf dem Lande.

Vom Bauernhaus wird gesagt, daß es bodenständig sei und daß es im Unterschied zu anderen Gebäuden in die Gegend passe. Wenn es dafür auch kaum eine sachliche Begründung gibt, so gibt es doch eine psychologische: Das Bauernhaus ist das Gewohnte, das Vertraute. Es paßt in unseren Erwartungshorizont und aufgrund der Werbung auch in jenen der Gäste. Alle Abweichungen davon werden mit Mißtrauen betrachtet, weil sie den Sehgewohnheiten nicht entsprechen.

Das Bauernhaus ist durch eine ganz bestimmte Materialwahl und vor allem durch eine als ausgewogen empfundene Gliederung der Baumassen gekennzeichnet. Insgesamt ist eine Proportionalität eingehalten, die nicht ohne weiteres auf ein Bauwerk ganz anderer Größenordnung und ganz anderer Funktion übertragen werden kann, wenn das Ergebnis nicht eine gräßliche Monstrosität sein soll.

Die Kritik an dieser Art von „ländlichem Stil" hat schon sehr früh eingesetzt. Schon 1905 sprach der aus der Wagner-Schule kommende Architekt Karl Maria Kerndle von „architektonischen Zerrbildern", die entstehen, wenn Gebäude verschiedenster Bestimmung" in das oft schlecht sitzende Gewand des Bauernhauses gezwängt" werden.

Und Adolf Loos formulierte 1913 in seinen „Regeln für den, der in den Bergen baut":

„Baue nicht malerisch. Uberlasse solche Wirkung den mauern, den bergen und der sonne. Der mensch, der sich malerisch kleidet, ist nicht malerisch, sondern ein hanswurst. Der bauer kleidet sich nicht malerisch. Aber er ist es." Und an anderer Stelle: „Achte auf die formen, in denen der bauer baut... Aber suche dengrund der form auf."

Als Orientierung diente das Bauernhaus deshalb, weil es mit vielen positiven Gefühlswerten „besetzt" war und zum Teil noch ist. Es suggeriert Geborgenheit, wirkt heimelig, echt, unverfälscht und präsentiert sich insgesamt

als eine wünschenswerte alternative Wohnform für den aus einem Urbanen Ballungsraum kommenden Gast.

Doch mit dem Bauernhaus in der ursprünglichen Form hätte er wenig Freude. Lichtverhältnisse, Raumhöhen, sanitäre Verhältnisse u. a. wären völlig unzureichend. Hier fangen die Unwahrheiten aus dem pseudo-ländli-chen Stil an: Er tut so, als wollte er das Alte und Echte bieten, täuscht es aber nur vor, weil der zeitgemäße Standard etwas ganz anderes fordert...

Ein Großteil der Baumaßnahmen gilt Renovierungen und Erweiterungen. Dabei kommt es leider oft zu schwerwiegenden Fehlhaltungen: weil die Einschätzung, was erhaltenswerte Bausubstanz ist und was abgebrochen werden kann, falsch ist und weil oft ein gröbliches Mißverhältnis zwischen dem Alten und dem Neuen hergestellt wird.

Das Ergebnis sind Fenster, die dem Bau nicht entsprechen, abgeschlagene Verzierungen, unpassender Verputz oder Verkleidung, falsche Türen und Kamine und häufig auch Anbauten in disproportionaler Maßstäblichkeit.

Was ist dagegen zu setzen? Die tra-

dierte Architektur braucht nicht verworfen werden. Es wäre anzustreben, die Qualitäten der anonymen Architektur auf dem Lande, wie man sie an dem Gefüge eines einfachen Heustadels, einer Almhütte oder eines Bauernhauses beobachten kann, auch bei neuen Bauaufgaben zur Geltung zu bringen.

Dies ist nicht mittels einfachen Ubertragens möglich, vielmehr geht es um die Analogie der Gesetzmäßigkeiten, welche die Qualität ausmachen ...

Wenn es auch keine verbindlichen Rezepte gibt, nach denen gebaut werden kann, so gibt eS doch unumstrittene Gestaltungskonzepte, die vor Irrwegen bewahren. Sie definieren die entscheidenden Kriterien, wie beispielsweise: Angemessenheit, Ausgewogenheit, Einheitlichkeit, Einprägsamkeit, Identität, Rhythmus u. a.

Die wahre Gestaltung erfaßt das Außen genau so wie das Innen und stellt Ubereinstimmung zwischen beiden her. Bei der Ausstattung von Fremdenverkehrsbetrieben gibt es gegenüber der Einrichtung von Wohnungen fundamentale Unterschiede. In der Wohnung, wo man sich unabsehbare Zeit lang aufhält, ist Konstanz wichtig, das Angebot an formalen und optischen Reizen muß gering gehalten werden.

In Restaurants, Hotels und Pensionen dagegen, die dem Gast für einen begrenzten Aufenthalt dienen, kann das Reizangebot größer sein und es muß auch nicht „Ewigkeitswert" haben, es kann ausgetauscht werden und bis zu einem gewissen Grad illusionären Charakter haben ...

In jedem Fall kommt es auf die Verträglichkeit der Elemente an. Dem

wahllosen und gedankenlosen Einsatz von Dekor außen wie innen sollte ein Ende gemacht werden, denn derartiges Vorgehen ist würdelos. Man muß damit rechnen, daß die Gäste durchschauen, was an dem Gebotenen bloße Mache ist und was auch einem kritischeren Urteil standhält.

Es ist zu beobachten, daß sie Verzerrungen und Entgleisungen nur bis zu einem gewissen Grad hinnehmen und sich mehr und mehr von falscher Rusti-kalität verärgert abwenden.

Als Beratungsergebnis wurde am Ende des Symposiums eine Resolution verfaßt. Sie gipfelt in einem Katalog von Maßnahmen, die geeignet sind, die Zerstörung der Kulturlandschaft zu verhindern:

• Alle intakten Ortsbilder sind ab sofort zu schützen.

• Einzelobjekte und Anlagen für Sport, Freizeit und Erholung dürfen nur nach gesicherten qualifizierten Kriterien gebaut werden.

• Der Zerstörung unserer Kulturlandschaft muß Einhalt geboten werden.

• Es müssen Musterprogramme und Beispielkataloge erstellt und Modellfälle mit besonderen Forderungen verwirklicht werden.

• Sämtliche Förderungen, die zur Erhaltung historisch bedeutsamer Bausubstanz einerseits und zur Steigerung des Nutzens andererseits vergeben werden, müssen koordiniert verlaufen.

• Außergewöhnliche Anstrengungen sind zu prämieren, die Gestalter mit Preisen auszuzeichnen, ihre Arbeiten zu veröffentlichen.

• Durch intensive Information muß ein neues Bewußtsein bei allen im Fremdenverkehr Tätigen aufgebaut werden. Dazu gehören neue Ausbildungsformen in- und außerhalb der Schulen und die Heranbildung von geeigneten Fachleuten. Es ist zu überlegen, wie diesen entscheidenden Fragen auch auf Hochschulebene Rechnung getragen werden kann.

Dies ist eine Kurzfassung eines Referates, das der angesehene Salzburger Architekt bei einem Tourismus-Symposion in Neustift bei Brixen hielt.

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