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Fressen für den Papiertiger

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Wenn man sich erinnert,; mit welcher Empörung vor zehn Jahren die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und China in Amerika kommentiert wurde; dann ' kann man die enorme Veränderung ermessen^' die im Verhältnis der Vensmigten Staaten zur Volksrepublik China eingetreten ist. Ja, es gab in den sechziger Jahren eine Zeit, da in Amerika in allem Ernst der Plan eines amerikanisch-russischen Prävettä.v-schlages gegen China diskutiert wurde. Als Mao Tse tüng und Tschu Eil lai vor dreieinhalb Jahren dem Präsidenten Nixon in Peking einen triumphalen Empfang zuteil werden ließen und als Tschu und Kissinger im Communique -von' Shanghai die Grundlage für die neuen Beziehungen zwischen Washington und Peking schufen, konnte dieses Ereignis füglich als eine Wendung in der Weltpolitik verstanden werden.

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Wenn man sich erinnert,; mit welcher Empörung vor zehn Jahren die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und China in Amerika kommentiert wurde; dann ' kann man die enorme Veränderung ermessen^' die im Verhältnis der Vensmigten Staaten zur Volksrepublik China eingetreten ist. Ja, es gab in den sechziger Jahren eine Zeit, da in Amerika in allem Ernst der Plan eines amerikanisch-russischen Prävettä.v-schlages gegen China diskutiert wurde. Als Mao Tse tüng und Tschu Eil lai vor dreieinhalb Jahren dem Präsidenten Nixon in Peking einen triumphalen Empfang zuteil werden ließen und als Tschu und Kissinger im Communique -von' Shanghai die Grundlage für die neuen Beziehungen zwischen Washington und Peking schufen, konnte dieses Ereignis füglich als eine Wendung in der Weltpolitik verstanden werden.

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Weil Infolge der amerikanischen Niederlage in Vietnam, des auf Watergate' folgenden Rücktritts Nixons, der Aufdeckung von Skandalen in den Geheimdiensten und einer allen Abenteuern abgeneigten Grundstim-mung der amerikanischen Öffentlichkeit zweifellos eine Schwächung oder doch eine Unsicherheit der amerikanischen Position in der Welt eingetreten, ist, haben die Machthaber in Peking jetzt dem amerikanischen Präsidenten Ford einen etwas kühleren Empfang bereitet als vor dreieinhalb Jahren Richard Nixon.

Trotz diesen Schwankungen in der Temperatur der amerikanisch-chinesischen Beziehungen muß man sich vor allem die Bedeutung der neuen Machtkonstellation in der Welt vor Augen halten. Sie wird bestimmt durch die — möglicherweise Spannungen oder Wandlungen unterworfenen — Verhältnisse innerhalb des von den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und der Volksrepublik China gebildeten Dreiecks. “ •

Wer spannt sich mit wem gegen den Dritten zusammen? — so könnte man vereintachenid dieses Problem definieren.

Vergessen wir nicht, daß bis vor wenigen Jahren China in einer fast vollständigen außenpolitischen Isolierung lebte. Es gab nur Amerika und Rußland und ihr gespanntes Verhältnis. Die Verfeindung zwischen den beiden kommunistischen Mächten Rußland und China wurde im Westen kaum zur Kenntnis genommen. Der einstige Prof essor Kissinger in Harvard polemisierte in seinen Schriften gegen die offizielle Politik Washingtons, die immer von einem „kommunistischen Block“ rede, während es in Wirklichkeit einen solchen gar nicht gäbe. Es wird, auch wenn Henry Kissingers bereits geschwächte Stellung über kurz oder lang zu seinem Rücktritt führen sollte, als seine historische Tat gewertet werden, daß er durch seine Annäherung an Peking den russisch-chinesischen Konflikt für die amerikanische Außenpolitik nutzbar gemacht hat.

Es fragt sich allerdings, wie lange und wie wirksam die Amerikaner ihre Freundschaft mit China als Druckmittel gegen Moskau werden benützen können, und . für wie brauchbar von den Chinesen die amerikanische Hilfe gegen die Sowjetunion eingeschätzt wird. Kissinger tritt chinesischen Zweifeln am amerikanischen Machtwillen entgegen, indem er energische Worte gegen Moskau ausspricht und versichert, Amerika werde in Ostasien und in Europa präsent und stark bleiben. Aber es ist aus verschiedenen Gründen den Vereinigten Staaten, zur Zeit unmöglich, das endlich erreichte entspannte Verhältnis zur Sowjetregierung aufs Spiel zu setzen. Die Situation in Amerika ließe eine auf Konfrontation steuernde Politik mindestens bis zur Präsidentenwahl in einem Jahr nicht zu.

Nun besteht trotz aller Schwierigkeiten, die in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen eingetreten sind, das große Paradox darin, daß die chinesischen Koxhmunisten von den einst von ihnen als „Papiertiger“ verhöhnten Amerikanern verlangen, sie sollten in der Welt und insbesondere gegen die Russen als reißende Tiger auftreten — und daß dem amerikanischen Volk heute die Tigerrolle offensichtlich nicht recht benagt. Es gibt in diesem Zusammenhang noch ein anderes Paradox: die Maoisten auf der ganzen Welt müssen zusehen, wie sich Mao in einen Befürworter des amerikanischen „Imperialismus“, in einen Freund von Franz Josef Strauß, in einen Advokaten der NATO und eines einigen und starken Westeuropa gewandelt hat

In der Politik ist zweifellos nichts unmöglich.

Dos Malheur am vergangenen Freitag in der Staatsoper begann lange Zeit vor der Premiere: bei der Wahl des Stückes und des Spielorts. Dieser „Zigeunerbaron“ in: der Staatsoper hat uns gefehlt wie ein hoch im Kopf. Hätte diese Sache überhaupt gut ausgehen können? Das Stück war ja immer schon ein Zwitter. Johann Strauß, der sehr wohl wußte, warum er der Großen Qqer, geflissentlich aus dem Weg ging, nannte sein neues Werk schließlich „Komische Oper in drei Akten“. Aber „Komische Oper“ — das ist ja ganz etwas anderes! Hans-lick, der zuverlässige Danebenhauer, hat den „Zigeunerbaron“ mit Enthusiasmus begrüßt. Das allein wäre ein Grund zur Vorsicht gewesen. Aber der kenntnisreiche und Strauß-begeisterte Franz Mailer bezeichnet den Text rundweg als „verlogen“. Und mit eben diesem Libretto hoben es Regisseur und Ausstatter zu tun. Da helfen keine „schönen Stimmen und schönen Weisen“...

Wie also hätte sich ein idealer Regisseur, der Werner Düggelin nicht war, helfen können? Diese abstruse Geschichte, die nicht ohne Zeitbezug und heute freilich völlig vergessene „Hintergründe“ ist, sozusagen au pied de la lettre zu inszenieren? Das hätte zu “unfreiwilliger Komik geführt. So erlaubte sich der Spielleiter einige parodistische Gags, indem er etwa an einigen Stellen „Große Oper“ mit exzessiven Gesten spielen ließ.

Aber da kam er bei einem Teil des Publikums, das ein nationales Denkmal schützen zu müssen glaubte, schlecht an.

Doch war dies nicht der alleinige Beweggrund der Proteste. Denn einen solchen gab es bereits nach der ausdrucksvoll-kräftig und ohne Fehler vorgetragenen ersten Arie des Barinkay: ein einzelner unverschämter Pfuiruf von der Galerie in die Stille nach dem verklungenen Applaus des ganzen Hauses. Dann gab's, in zunehmendem Maß, ohne daß man manchmal auch nur die Beweggründe erkennen konnte, Gelächter, Zischen, Pfuirufe und Geschrei, das sich am Schluß zu einem Höllenlärm steigerte, ein Proteststurm, den leider auch die völlig wn-schuldigen Sänger und der ausgezeichnete Dirigent über sich ergehen lassen mußten: die Staatsoper hatte sich in den Heumarkt verwandelt, was um so peinlicher war, als gerade dieser Aufführung sehr viele ausländische Gäste beitoohnten, die meinen mußten, man habe ihnen für ihr gutes Geld den letzten Pofel angedreht — und die (und wir mit ihnen) über das, was in einem staatlichen Opernhaus alles passieren kann, aufs äußerste befremdet waren.

Eine Bankrotterklärung.

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