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Freud als Exorzist

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(Theater in der Josefstadt, Wien) Ein Stück über Sigmund Freud und die Psychoanalyse -das ist prinzipiell zu bejahen, denn das ist notwendig. Gerade in Wien. Und wer gar nichts über die Psychoanalyse weiß, hat wohl so etwas wie eine Vorstellung davon, wenn er das Stück „Berggasse 19“ von Henry Denker gesehen hat. Es fragt sich nur, wieviel diese Vorstellung mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Sigmund Freud gebärdet sich nämlich fast wie eine Art Exorzist. Und das „Verdrängte“, das er dem Unbewußten der Patientin Elisabeth entlockt, hat mit dem, was Freud meinte, nicht viel zu tun, wenn ein bißchen Anschreien genügt, um der Patientin die Zunge zu lösen. Vom Wesen einer psychoanalytischen Behandlung ist in dieser Aufführung wenig zu 6püren. Das ist allerdings auch auf der Bühne schwer darzustellen.

Der Text des Stückes steht auf dem Niveau einer engagiert und gekonnt geschriebenen Schulfunksendung; nichts gegen den Schulfunk, aber fürs Theater ist das etwas zu wenig. Ernst Haeus-serman als Regisseur sorgt aber, siehe oben, trotzdem für Effekte. Freilich auf Kosten der dokumentarischen Substanz.

Und trotzdem ist es ein sehenswerter Abend, dessen Wirkung prinzipiell positiv beurteilt werden kann. Vielleicht erfahren dadurch ein paar Leute, die gewisse gängige Vorurteile über Freud teilen, was die Psychoanalyse leisten kann. (Daß solche Erfolge auch Freud nur äußerst selten beschieden waren, erfährt das Publikum natürlich nicht. Überhaupt entquillt dem Text ein bißchen allzuviel Weihrauch.)

Curd Jürgens spielt effektvoll ein bißchen Freud und ein bißchen sich selbst - großartig hingegen ist Mijou Kovacs als Patientin mit hysterischer Lähmung. Hier wird Seelisches über die Mimik nach außen projiziert und wortlos miterlebbar gemacht.

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