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Freud bleibt außerordentlich"

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Die Fragestellung ist typisch und macht es leicht, die Situation der Psychoanalyse in unserem Lande zu beleuchten, denn darum geht es ja eigentlich. Gewiß ist Sigmund Freud — der geniale Schöpfer der Psychoanalyse — auch eine ihrer bedeutendsten Erscheinungen, doch würde niemand in irgendeinem anderen Wissenschaftsbereich die weitere Entwicklung nach dem Tode seines Entdeckers so sehr außer acht lassen, wie es hierzulande gerne geschieht!

Was in Wien, und schon gar nicht im übrigen Österreich, einfach nie stattgefunden hat, ist eine echte intellektuelle Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse, die man hierzulande, wo das Neue stets besonders verdächtig ist, rund 85 Jahre nach ihrer Entdek-kung nun als veraltet und überholt abtun möchte, wobei man bequemerweise die Entwicklungen seit 1939 nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Wohl weil ein Großteil der wichtigen Publikationen heute in englischer und französischer Sprache erfolgt.

Freud selbst ist seiner klinischen Erfahrung und den daraus gewonnenen theoretischen Positionen immer kritisch gegenübergestanden und hat bis zu seinen letzten Arbeiten, wo immer notwendig, rücksichtslos Revisionen vorgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat eine bedeutende Entwicklung im Bereich der psychoanalytischen Ich-Psychologie und der Theorie der Objektbeziehungen eingesetzt. Neue Patientengruppen, lange für unbehan-delbar gehalten, erweisen sich heute den daraus abgeleiteten technischen Neuerungen zugänglich.

Davon wissen allerdings gewisse schöngeistige Kritiker Freuds nicht und auch jene nicht, die gerne die Psychoanalyse mit Freud begraben würden.

Man ist sich ja auch nicht recht klar, ob man die Psychoanalyse der Medizin, der Psychologie oder den Geisteswissenschaften zuzählen soll, und so hat sie denn folgerichtig auch keinen universitären Platz gefunden — denn am Ende ist sie gar keine Wissenschaft... Daran änderf auch nichts, daß einige Psychoanalytiker Lehrstühle und Lehraufträge für Psychotherapie oder gar Tiefenpsychologie haben. Es ist außerdem gewiß nicht einfach, Psychoanalyse als theoretisches Fach an einer Universität zu lehren — unter Verzicht auf die mehrjährige Lehranalyse, die nun einmal zur analytischen Ausbildung als Kernstück gehört.

Daß eine hoffnungsvolle Entwicklung in Salzburg — durch Irrtum ermöglicht — nun endlich infolge des frühen Todes des Professor Caruso bereinigt werden kann, wundert also niemanden außer die Studenten, die in aufmüpfiger Gläubigkeit sich eine Heilslehre nicht nehmen lassen wollen, die die Psychoanalyse vielleicht auch gar nicht sein kann und will.

Sei es wie immer, man hat eine vortreffliche Lösung gefunden: Professor Grünewald aus Innsbruck wurde zum „außerordentlichen Professor" für Psychoanalyse gemacht, und damit dürfte doch wohl der Bedarf gedeckt sein...

Übrigens: Sigmund Freud war ja auch bis zum Ende der Monarchie durch 18 Jahre nur „Extraordinarius" und ist dann unter Staatskanzler Renner - 64 Jahre alt — von der Republik Deutschösterreich mit dem Titel eines Ordinarius geschmückt worden. Einen Lehrstuhl bekam er nicht -wohl aus Altersgründen.

Sigmund Freud in Österreich passe? Keineswegs! Er findet höchste Anerkennung: Herr Revers und die Universität Salzburg erweisen der Psychoanalyse auch 1982 die Ehre, „außerordentlich" zu sein!

Und wer könnte etwas dagegen haben?

Der Autor ist Facharat für Psychiatrie und Neurologie, Dozent für Psychotherapie und Psychoanalyse in Wien und Präsident der Sigmund-Freud-Gesellschaft.

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