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Friede ist mehr als das Land

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„In lllibin, einem arabischen Dorf in Nordisrael, sitze ich auf der Veranda des Pfarrhauses, während Bomber nach Norden fliegen. Der Pfarrer trägt das Gelöbnis seines vertriebenen Vaters im Herzen: ,Wir werden zurückkehren, aber nicht mit bewaffneter Gewalt, sondern wie Jesus uns lehrte: gewaltfrei.' Der Pfarrer will an Israelis glauben, die das auch wollen. Es gibt sie."

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„In lllibin, einem arabischen Dorf in Nordisrael, sitze ich auf der Veranda des Pfarrhauses, während Bomber nach Norden fliegen. Der Pfarrer trägt das Gelöbnis seines vertriebenen Vaters im Herzen: ,Wir werden zurückkehren, aber nicht mit bewaffneter Gewalt, sondern wie Jesus uns lehrte: gewaltfrei.' Der Pfarrer will an Israelis glauben, die das auch wollen. Es gibt sie."

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In der Perspektive eines Volkes in Bedrängnis und unter Waffen fand der israelische Einmarsch im Libanon während der ersten zehn Tage einen fast totalen nationalen Konsens. Er wurde als Verteidigungsschlag gegen die PLO gewertet, die laut Regierungserklärung 40 km von der israelischen Grenze in den Libanon zurückgedrängt werden sollte, um die weitere Bombardierung israelischer Siedlungen in Nordgaliläa zu verhindern. Auch die große Mehrheit der parlamentarischen Oppositi-

on stimmte dem militärischen Unternehmen „Frieden für Galiläa" zu.

Als sich jedoch der „Verteidigungskrieg" zur Invasion des Südlibanon ausweitete, viele Tausende flüchteten, Frauen und Kinder im Libanon Opfer von Splitter- und Brandbomben wurden und schließlich die Belagerung Westbeiruts schlimmste Folgen für die Zivilbevölkerung zu zeitigen begann, gelangten zahlreiche Offiziere und Soldaten (zu denen der inzwischen aus der Armee entlassene, für hohe Verdienste ausgezeichnete Oberst Eli Geva zählt) zu der Uberzeugung, dieser Krieg sei nicht mehr zu rechtfertigen.

~Nach Hause zurückgekehrt, schlössen sie sich zu Protestgruppen — wie etwa „Soldaten gegen das Schweigen" u.a. — zusammen. Sie verurteilten öffentlich den Krieg mit seinen hohen israelischen Verlusten an Soldaten und unter der Zivilbevölkerung im Libanon, wie auch die Vernichtungswaffen und die Greuel, die sie anrichten.

Angehörige der Streitkräfte wurden so zum auslösenden und

tragenden Element der nun aufbrechenden Friedensbewegung und zum prophetischen Gewissen innerhalb der Nation. Wer Israel beurteilt, darf über den Mut und das Zeugnis dieser Soldaten in einem kriegführenden Staat nicht hinwegsehen — selbst dann nicht, wenn sie eine Minderheit darstellen.

Mit Intensität brach nun die Diskussion über Krieg und Frieden innerhalb Israels auf. Zu den wichtigsten Bewegungen gegen den Krieg zählen: # Schalom Aschav = Peace Now = Frieden jetzt: eine Basisbewegung, in deren Rahmen sich zahlreiche Friedensgruppen treffen. Schalom Aschav veranstaltete am 3. Juli in Tel Aviv eine Massendemonstration zur Verhinderung des bewaffneten Angriffs auf Beirut, an der sich 80.000 bis 100.000 Menschen beteiligten'.

Die Bewegung, die als loser Zusammenschluß schon mehrere Jahre besteht und wiederholt Großaktionen gegen die Verletzung der Menschenrechte im besetzten Westjordanland und gegen die Errichtung neuer jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Boden durch die religiösradikale Gush-Emunim-Bewe-gung durchgeführt hat, ist jetzt besser strukturiert. Sie wird von

j üngeren Menschen und von Intellektuellen getragen.

• Ometz = Mut: In dieser zionistischen politischen Oppositionsbewegung haben sich die „Tauben" unter den Parlamentariern zusammengeschlossen. Es sind Abgeordnete der Arbeiterpartei, deren linker Flügel Mapam und Unabhängige. Sie setzen sich im Parlament mit Entschiedenheit gegen den Krieg und für eine Verhandlungslösung ein, stellen innerhalb der Arbeiterpartei aber nur eine Minderheit dar.

• Intellektuelle in der Presse: Mehrere Wochen hindurch wurde in der israelischen Presse, vor allem in den bekannten unabhängigen Zeitungen „Ha'aretz" und

i „Jerusalem Post", von profilierten Persönlichkeiten eine tiefgreifende Auseinandersetzung über den Krieg, das Palästinaproblem und seine Lösungsmöglichkeiten geführt.

Diese Diskussion um die Verurteilung des Angriffskrieges, der modernen Vernichtungswaffen und deren Folgen für die Zivilbevölkerung setzte sich an den Universitäten und selbst in den israelischen Kibutzim in Nordgaliläa fort.

• New Outlook = Neue Perspektive ist eine Zeitschrift für israelisch-arabischen Dialog, die sich.

in säkularisierter Form, auf Martin Bubers dialogisches Konzept der Konfliktlösung stützt.

Als Pioniere der israelischägyptischen Verständigung sind die Mitarbeiter seit langem bemüht, Voraussetzungen für einen echten israelisch-palästinensischen Dialog zu schaffen. Den israelischen Staat und sein Verteidigungsbedürfnis bejahend, zählen sie zu den schärfsten Analytikern und Kritikern der Gewaltpolitik ihres Landes. • Os Ve'Schalom = Kraft und Frieden ist ein politischer Arbeitskreis für religiösen Zionismus und innerhalb des religiös-orthxen Judentums die bedeutendste Friedensgruppe. Sie greift die Konzepte der nationalistischen Religiosität, die von der gegenwärtigen Regierung und der Gush-Emunim-Bewegung vertreten und zur Rechtfertigung des systematischen Judäisierung der besetzten Gebiete verwendet wird, von theologischen Grundlagen her an.

Der Begründer dieser Bewegung, Uriel Simon, Professor für Theologie an der „Religiösen" Bar-Ilan-Universität des orthodoxen Judentums, ist eine anerkannte Persönlichkeit. Os Ve'Schalom versucht den biblisch-theologischen Nachweis,

daß Gott den Frieden höher stellt als den Besitz des ganzen Landes (Eretz Israel), das das Volk Israel vor seiner Zerstreuung bewohnte.

Israel müsse bereit sein, sein Staatsgebiet (Medinat Israel) um der Gerechtigkeit gegenüber den „Fremden" willen (über eine Million palästinensische Araber) einzuschränken. Achtung des Fremden sei Wille und Gebot Gottes.

Das Geschenk des Landes an Israel sei gebunden an die Treue des Volkes zu Jahweh und seinem Gebot. Wird dieses verletzt, so laufe das Volk Gefahr, wie die Geschichte Israels beweise, das Land wieder völlig zu verlieren

Die israelische Friedensbewegung stützt sich auf Intellektuelle, einen Teil der jungen-Generation und auf Soldaten. Ihr mutiges Eintreten gegen den Krieg darf jedoch nicht über ihren Mangel an Strukturierung und klaren Zielsetzungen hinwegtäuschen, noch darf die Tatsache verschwiegen werden, daß sie nur eine Minderheit der Bevölkerung erreicht.

Sie ist einem starken Druck emotionaler, regierungsfreundlicher Kräfte ausgesetzt und bedarf internationaler Anerkennung und Förderung.

Die Verfasserin ist Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes.

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