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Friede ist möglich

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Täglich wird uns bewußt: Unfriede, Kampf und Krieg sind weiter Geißeln unserer Zeit. Sie lasten auf den Menschen, weil auch Unrecht, Unterdrückung, Armut, Diskriminierung und damit der Haß noch immer treibende Motive des Weltgeschehens sind. Sie lasten auf den Menschen aber auch, weil die Friedfertigkeit noch nicht zum herrschenden Element des Denkens und Handelns des einzelnen geworden ist.

Die Versuchung liegt nahe, auf diese bedrückende Tatsache mit der Feststellung zu antworten: Ja, so ist es immer gewesen und so wird es immer sein. Daran kann niemand etwas ändern, das ist das Kampfprinzip in der Natur, das Recht des Stärkeren, das sich durchsetzt bei den Tieren und bei den Menschen.

Ein solches Einbekenntnis der Ohnmacht und der Hoffnungslosigkeit hinzunehmen, scheint mir unwürdig einer Menschheit, deren einzelne Glieder sich doch dadurch auszeichnen, daß ihnen Vernunft und Wille gegeben ist. Und selbst wenn es wahr ist, daß bisher eine Verwirklichung eines umfassenden Friedens auf dieser Erde nicht möglich war, so ist dies kein Beweis für die Unmöglichkeit des Friedens.

Es ist nur ein Beweis dafür, daß wir Menschen uns werden ändern müssen, mutieren zu einer Friedensgesinnung hin. Die globale Vernichtungskraft, die erstmals in der Geschichte unserer Generation zu entwickeln vorbehalten blieb, müßte doch eigentlich unserer Generation die Chance geben, eine starke persönliche, lokale, regionale, kontinentale und schließlich globale Friedenskraft zu entwickeln.

Ich war und bin sehr glücklich darüber, daß Papst Paul VI. in seiner Friedensbotschaft zum 1. Jänner 1977 klar und eindeutig das Wort gesprochen hat: „Der Friede ist möglich.” Denn die Wahrheit dieses Satzes ist Voraussetzung für jede Friedensarbeit, andernfalls wäre sie nur idealistische Zeitverschwendung.

Rein gedanklich: Wer die Kraft und die Gnade hat, an Gott als den Schöpfer zu glauben, der muß aus dem Wesen Gottes heraus auch an die Möglichkeit des Friedens glauben können. Und derjenige, der die Welt als eine Summe sich vollziehender chemischer und physikalischer Naturgesetzlichkeiten sieht, muß, wenn er bereit ist, eine Sinnhaf-tigkeit der Naturgesetze anzuerkennen, den Frieden für möglich halten.

Schon der Stoiker Kleanthes hat angenommen, daß „im Weltall einzig und ewig Gesetz und Vernunft herrschen”. Eine Vernunft, die zum Krieg führt, gibt es nicht.

Der Friede ist somit für den Menschen nicht nur ein erstrebenswerter, sondern auch ein erreichbarer Zustand. Er ist darüber hinaus auch ein zentraler Wert in der Wertordnung des Lebens des einzelnen Menschen. Aus der Überzeugung, daß die Wertordnung des Menschen ihre Fortsetzung in der Wertordnung des Staates finden muß, sollen nicht Menschen oder Staat an einer inneren Unehrlichkeit leiden, ist der Schluß gerechtfertigt, daß der Friede auch zu jenen Grundwerten eines Staates zählt, die er seinen Bürgern in einem optimalen Maß zu verwirklichen schuldig ist.

Aber, so wie bisher noch immer viele Menschen daran scheiterten, den Frieden für sich und um sich zu verwirklichen - ich wage nicht, mich davon völlig auszunehmen -, so scheitern bis zum heutigen Tage als zwangsläufige Konsequenz des menschlichen Scheiterns auch die Staaten an der Umsetzung des Wertes Frieden in die Tat.

Denn den Frieden bricht ja nicht nur der Kriegführende, es bricht ihn auch der Staat, in dem Gewalt herrscht, in dem Ungerechtigkeit und Intoleranz das Leben der Bürger bestimmen, ja auch der Staat, in dem die bittere Not der einen dem aufreizenden Luxus der anderen begegnet.

Es mag für manche schon langweilig werden, wenn ich immer wiederhole: Den Frieden verwirklichen heißt für uns Österreicher, weniger darüber nachzudenken, was die anderen tun sollen, sondern mehr darüber, was wir tun müssen. Zum Frieden gelangen wollen heißt, zum Frieden erziehen, und zum Frieden erziehen heißt, selbst friedfertig sein und friedfertig leben.

Durch nichts kann so überzeugend die Aussage vermittelt werden, daß Friede möglich ist, wie durch die Art des eigenen Lebens. Zum Frieden erziehen heißt auch, nach jener inneren Ausgeglichenheit streben, die die Standhaf-tigkeit im Grundsätzlichen mit dem Respekt vor dem Andersdenkenden vereint. Zum Frieden erziehen heißt schließlich auch bereit sein, Diener zu sein, nicht Begründer der Wahrheit, sondern nur Bote.

Der Wege zum Frieden gibt es manche:

Die Wissenschaft über den Frieden ist notwendig; und ich meine damit auch die Lehre über alle Formen der internen und der internationalen Konfliktbereinigung.

Die Worte der Ermahnung und der Ermunterung zum Frieden sind notwendig. Sie können in der Stunde drohender Mutlosigkeit Hilfe und Ansporn sein.

Ein auf dem religiösen Glauben oder auf einer anderen weltanschaulichen Uberzeugung beruhendes Wertsystem, in dem der Friede als zentraler Wert anerkannt wird, ist hilfreich, um den Imperativ des Friedens in die gesamte Lebensordnung, aber auch in das staatliche und zwischenstaatliche Handeln einzupassen.

Einen umfassenden nationalen und internationalen Frieden verwirklichen oder doch ihm sehr nahe kommen werden wir aber nur, wenn wir alldem auch noch unser ureigenstes Beispiel geben und durch unser Handeln, ja durch unser gesamtes Leben bezeugen, daß der Friede möglich ist.

Das Vorleben des Friedens ist nicht beschränkt auf das Christsein, auch nicht auf den Glauben an einen Gott. Die Pflicht zum Vorleben des Friedens trifft alle Menschen, alle Staaten und alle Nationen, bei denen - ich gebrauche ein Wort von Teilhard de Chardin -„der Glaube an die Zukunft, der Glaube an den Menschen überwiegt.”

Den Christen aber bleibt zusätzlich zu ihrem Beispiel auch noch das Gebet für den Frieden aufgetragen. Und darum will ich mit dem letzten Satz eines Gebetes für den Frieden aus den „Gebeten der Hoffnung” von Thomas Sua-vet schließen:

„Herr, schenke uns jene Liebe, die den Willen zur Gerechtigkeit in sich trägt; denn ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden!”

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