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Friede wächst in Familien

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2500 begeisterte Teilnehmer an einer Veranstaltung zum Thema Familie. Auf dem Hintergrund heutiger Bedrohung wurde eine Botschaft der Hoffnung für viele vermittelt.

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2500 begeisterte Teilnehmer an einer Veranstaltung zum Thema Familie. Auf dem Hintergrund heutiger Bedrohung wurde eine Botschaft der Hoffnung für viele vermittelt.

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Fällt ein Vogel aus dem Nest, erregt das allgemeines Mitleid. Jeder weiß: Unbeschützt, muß er sterben. Wer hat aber solches Mitleid mit Menschenkindern, die ihre Familie verlieren?“ fragte Phil Bosmans, einer von 39 Referenten, die aus 17 Ländern zum „11. Internationalen Familienkongreß“ nach Brüssel gekommen waren. Das Anliegen des Kongresses: Mut zur Familie machen — trotz der vielen Alarmsignale in unserer Zeit.

Alarmierend ist ja schon der Umgang mit dem Ungeborenen, der vom Moment der Zeugung an unzweifelhaft ein Mensch ist, wie der Genetiker Jerome Lejeune und der Molekularbiologe Philippe Caspar eindeutig bestätigten. Das Kind im Mutterleib werde heute nach Belieben getötet, zum Konsumobjekt, das man kauft, verkauft, einfriert oder auftaut oder zum experimentellen Warenlager und zur Organbank herabwürdigt.

Welcher Versuchung sind da die Ärzte ausgesetzt, ihren eigentlichen Auftrag zu mißbrauchen!

Philippe Schepens, Präsident der belgischen Ärztevereinigung für das Leben, zählte auf: die Versuchung des Geldes, des wissenschaftlichen Ruhms, der Machtausübung ... Wo einmal das Prinzip des Tötens in irgendeiner Form auf Anerkennung stößt, droht die Gefahr, daß es zu einem allgemeinen Dammbruch kommt. Dann fängt man an, das Leben zu qualifizieren: hie lebenswert, da nicht.

„Es wäre besser, wenn dieses Kind nicht geboren wäre!“ heißt es oft. „Besser für wen?“ fragte Jean Vanier, Gründer von Gemeinschaften, in denen geistig Behinderte mit gesunden Menschen zusammenleben, und er wies darauf hin, wie sehr gerade der behinderte Mensch auf die liebevolle Zuwendung angewiesen ist. Aus seiner Erfahrung wußte er zu berichten, wie wertvoll solche Menschen mit einem Handicap aber auch für ihre Umwelt sind, wie sehr sie zur Liebe erziehen und wie dankbar sie Liebe annehmen.

Uber ähnliche Erfahrungen berichtete ein Ehepaar, das schon mehrere behinderte Kinder adoptiert hatte. Ohne Pathos erzählten sie über ihre Schwierigkeiten mit diesen Kindern — aber auch über die wundervollen Erfahrungen, die sie machen durften: Geistig Behinderten mangelt es zwar an der von uns so geschätzten Intelligenz, nicht aber an dem, was das Ehepaar Boldo als „Intelligenz des Herzens“ bezeichnet hat, nämlich die Fähigkeit, durch Mimik und Gesten zu trösten und zu erfreuen.

Gerade diese Kultur des Herzens ist uns aber heute weitgehend abhanden gekommen, bedauerte der schon zitierte Phil Bosmans, Autor zahlreicher Bücher. Das am meisten verwahrloste Gebiet unserer Städte sei das menschliche Herz, meinte er. Sonst müßten nicht so viele junge Menschen auf ihr Grundrecht verzichten, eine Mutter, einen Vater, ein Zuhause, körperliche Nähe und Geborgenheit zu erfahren.

Wie weit verbreitet solche Entbehrungen sind, illustrierte Katarina Runske, Präsidentin mehrerer Familienorganisationen in Schweden, aufgrund der Erfahrungen ihres Heimatlandes. Dort werde die Hausfrau systematisch benachteiligt, dort sei das Wort Familie aus dem Zivilrecht gestrichen worden und von Elternrechten längst nichts mehr in der Verfassung zu finden. Erstmals wächst in Schweden eine Generation ohne Familie heran. Die Folge: psychische Schäden als Massenerscheinung, Brutalisierung der Jugend, Anfälligkeit für Alkohol, Drogen und Selbstmord...

Gefördert wird diese Entwurzelung auch durch den gezielten Zugriff der Medien. In der Jugendliteratur und der Rockmusik werden Perversion, Gewalt und Tod immer unverhüllter verherrlicht. Unter dem Motto Enttabuisie-rung werden alle Wegweiser zu einem erfüllten Leben suspekt oder lächerlich gemacht.

Das geschieht auch mit der Autorität der Erwachsenen, insbesondere der Eltern, wie der kanadische Pädagoge Michael Keating anhand von Video-Clips zeigte. Daß dies den Jugendlichen durchaus nicht mehr Glück und Zufriedenheit, ja nicht einmal mehr Freiheit gebracht, sondern vielmehr Langeweile, Überdruß und Freudlosigkeit beschert hat, machte der Wiener Pädagoge Marian Heitger deutlich.

Er wies auch die Wege zu einer Gesundung und rief die Teilnehmer auf, wieder Mut zur Erziehung zu entwickeln, einer Erziehung zum „freien, selbständigen, grundsatztreuen und verantwortlich handelnden Menschen. Sie ermöglicht dem jungen Menschen Orientierung, festen Stand und ein sicheres Urteil...“ Das erfordert eine „Liebe, die ermahnt, ohne zu verletzen, die tröstet, ohne sich faulen Kompromissen zu verschreiben“.

Und so entstand auf dem Hintergrund der bedrohlichen Gegenwart das Bild einer realistischen Hoffnung. So konnte auch Keating den Eltern versichern, daß Kinder, die sich geborgen fühlen, weit weniger anfällig für die verschiedenen Gefahren sind. Der französische Philosoph Christian Chabanis wiederum wies auf den positiven Wert der verantworteten Vaterschaft hin. An uns müßten die Kinder erkennen, welch ein Glück es ist, Vater und Mutter zu sein.

Daß viele Jugendliche diese Botschaft verstanden haben, zeigte das Jugendforum dieses Kongresses. Da wurde deutlich, wie sehr die Jugend auf der Suche nach einer begründeten Hoffnung ist.

Denn eines wurde auch bei diesem Kongreß in Brüssel deutlich

ausgesprochen: Eine tragfähige Erneuerung der Familie hat ihre tiefsten Wurzeln im Glauben an das Wirken Gottes in unseren Tagen. Daher wies auch Marie-Dominique Phüippe, der französische Philosoph und Theologe, darauf hin, daß die Kirche von jedem Menschen erstmals zu Hause erlebt wird, als Hauskirche. Dort erfährt der Mensch auch, daß Gott gegenwärtig ist.

Es geht also um das gelebte Vorbild von Menschen unserer Tage, wie man am Zeugnis mehrerer Ehepaare erleben konnte, wie es jedoch am eindrucksvollsten wohl aus den Worten von Mutter Teresa von Kalkutta herausklang: „Werdet betende Familie!“ rief sie den Anwesenden zu. „Und helft einander, in der Heiligkeit zu wachsen. Denn Friede wird es in dieser Welt nur dann geben, wenn zuerst Friede in unsere Familien einzieht, Versöhnung zwischen den Völkern nur dann, wenn wir einander in der Familie verzeihen lernen.“

Vom 20. bis zum 23. Oktober findet im Au-stria-Center in Wien der 12. Internationale Familienkongreß statt. Inf ormationen:„Verein Famüienkongreß“, Elisabethstraße 26, 1010 Wien.

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