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Frieden durch Demokratie

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Ich bin ein Rufer für den Frieden, weil ich den Krieg aus sehr direkter persönlicher Erfahrung kenne und weil ich außerdem glaube, eine Vorstellung von der Zerstörungskraft der heutigen Vernichtungswaffen zu haben. Ich bin aber auch überzeugt, daß es nicht genügt, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion oder die militärischen Paktsysteme zum Frieden aufzurufen. Was wir brauchen, ist nicht ein aus taktischen Erwägungen begründeter, zeitlich begrenzter Friede, sondern, so anspruchsvoll dies klingen mag, ein Frieden auf Dauer.

Wir können das Wissen um die Erzeugung der Atom- und Wasserstoffbombe und der anderen Massenvernichtungsmittel mit verschieden hohen overkill capa-cities nicht etwa durch einen Beschluß der Vereinten Nationen oder eine Vereinbarung der Großmächte auf den Baum der Erkenntnis zurückhängen. Das Wissen um die Möglichkeit und die Art der Erzeugung dieser Waffen bleibt in den Händen aller kommenden Generationen.

Wir müssen mit dem Wissen um die Atom- und Wasserstoffbombe und mit ihr selbst leben lernen. Das heißt: Wir Menschen müssen beginnen, friedfertig zu werden. Dies ist ein komplizierter Prozeß, der nicht von oben gesteuert werden kann, sondern in den Familien beginnen muß.

Wenn ich die Summa zu meinem 65. Lebensjahr unter dem Titel „Der Friede beginnt im eigenen Haus” veröffentlicht habe, dann war dies Ausdruck meiner Lebenserfahrung, die mir auch weiterhin bestätigt erscheint. Der Weltfriede beginnt eben — ich zitiere Karl Jaspers — mit dem inneren Frieden der Staaten.

Dies ist auch einer der Gründe, warum ich der Bewahrung und nicht nur der theoretischen Untermauerung, sondern auch der praktischen . Handhabung der pluralistischen parlamentarischen Demokratie, die wir gemeiniglich westliche Demokratie nennen, für die unbegrenzte Erhaltung des Friedens eine so große Bedeutung zumesse.

Wer sonst, wenn nicht diese besondere Denk- und Lebensform, deren geistige Grundhaltung die Toleranz ist — die Fähigkeit, den Mitmenschen mit Respekt zu begegnen und ihm das gleiche Maß an Rechten zuzubilligen, das jeder für sich selbst in Anspruch nimmt - wer sonst also kann die Voraussetzungen für menschliche Friedfertigkeit besser schaffen und pflegen?

Ich bin ein steter Verteidiger des Gedankens, daß die selben Lebensgrundsä,tze, die wir für das Verhalten als einzelne Menschen geboten ansehen, auch für das zwischenmenschliche Zusammenleben in einem Staat gelten müssen; und daß auch die gleichen Prinzipien für das Zusammenleben der Staaten gelten sollen.

Der innerlich gespaltene Mensch ist immer eine Gefahr für seine Umwelt. Ich meine damit jenen, der im privaten Leben andere Maximen gelten läßt als im öffentlichen, oder der alle Grundsätze seiner demokratischen Verfassung vergißt, wenn er in die internationale Arena steigt.

Der Fluch der Unglaubwürdig-keit, mit dem viele von uns im politischen Amt belastet sind, ist zum großen Teil eine Frucht dieses gespaltenen Bewußtseins ..,

Wir würden einer großen Fehleinschätzung unterliegen, wollten wir auf Grund verschiedener Ereignisse in der kommunistischen Welt vermeinen, daß diese der Selbstauflösung nahe sei oder hiezu nur eines Anstoßes von außen bedürfe. Die Sowjetunion und die mit ihr verbundenen Staaten würden eine gleich große Fehleinschätzung begehen, würden sie sich ähnliches von uns erwarten.

Nein, wir werden uns — wie ich Chrustschow noch persönlich sagen hörte — nicht von den Kommunisten zu Grabe tragen lassen, aber wir werden auch selbst nicht hinter einem Leichenzug des Kommunismus als Erben einhergehen können. Im Gegenteil: Wir werden auf eine für uns nicht absehbare Zeit auf dieser Welt nebeneinander existieren müssen.

Das heißt aber, daß wir nach Wegen suchen müssen, die dieses Nebeneinander möglich machen und — nicht fremd den Grundsätzen einer innerstaatlichen Demokratie — gelegentlich auch zu einem Miteinander führen.

Da die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika zu groß und daher zwangsläufig auch zu prestigebedürftig sind, um auf Druckmittel des jeweils Anderen durch ein Nachgeben zu reagieren, bleibt für das Suchen nach einem pluralistischen Nebeneinander nur das schwierigste Mittel: Das Miteinander-Reden. Krieg und Drohung mit Krieg sind keine Mittel, die Probleme zu lösen. Sie werden es in Zukunft noch weniger sein.

Ich rede mit meiner Aufforderung zum Miteinander-Reden aber keiner Politik billiger Nachgiebigkeit das Wort. Schon 1958 habe ich darauf hingewiesen, daß tragfähige Brücken nur von festen Ufern gebaut werden können. Und ich füge bei: Ich halte so viel von unserer Demokratie, daß ich glaube, daß wir in der Lage sind, solche feste Ufer anzubieten.

Auszug aus einer Rede, die das Staatsoberhaupt — kaum beachtet von den Medien — jüngst in Salzburg hielt.

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