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Frieden ohne Euphorie

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Ägypten, das größte und stärkste arabische Land, hat nach dreißig Jahren Krieg den Anfang gemacht. Frieden mit Israel. Obwohl in Ismai-lia im Dezember 1977 zwischen Begin und Sadat klargestellt wurde, was jede Seite gibt, dauerte es noch 16 Monate, bis die Idee des Friedens verkraftet war. Die Mögüchkeit eines Vertrages ergab sich bereits in Ismai-lia. Sadat war bereit einzuschwenken. Da begann Begin' zu zaudern. Hätte er damals unterzeichnet, wäre Israel besser weggekommen,

Mit dem Einverständnis zum Rückzug aus dem Sinaigebiet waren freilich immense finanzielle Probleme verbunden. Allein die Errichtung neuer Flugbasen in Israel wird drei bis fünf Milliarden Dollar kosten. Wer sollte dafür aufkommen? Die armen Ägypter? Oder die Israeli, deren Inflation bereits über 50 Prozent pro Jahr ausmacht? Zweimal sah es so aus,' als ob die Verhandlungen endgültig scheitern würden. Carter gab nicht nach. Mal drückte er auf Sadat, mal auf Begin, bis es nach ei-

„Die Errichtung neuer Flugbasen in Israel wird allein drei bis fünf Milliarden Dollar kosten“ ner Woche soweit war. Beide Staatsmänner versprachen damals, innerhalb von drei Monaten den an Ort und Stelle paraphierten Friedensvertrag zu unterzeichnen.

In der Zwischenzeit wurden immer neue Detailprobleme entdeckt. Die Parteien trafen sich dann noch einige Male. Erst glaubte Begin, die Zeit arbeite zu seinen Gunsten und ließ Außenminister Dajan und Verteidigungsminister Weizmann ohne genügende Kompetenzen. Doch als Sadat sah, daß Begin mit der Zeit spielte, zeigte er sich letzten Endes der Situation mehr gewachsen als Begin.

Carter beschloß, seine ganze politische Karriere aufs Spiel zu setzen. Nachdem Begin nicht bereit war, sich mit dem zweiten Mann Ägyptens zu treffen und Sadat nicht bereit war, nach Washington zu kommen, kam Carter in den Nahen Osten, um persönlich die Verhandlungen zu führen. Er konnte darauf verweisen, daß, wo es um finanzielle Fragen ging, Amerika dafür einstehen werde.

Als Carter vor Israels Abgeordneten auftrat, sagte er, daß er in Ägypten Zeuge des Friedenswillens der Massen gewesen sei, doch ähnlich wie die Israeli hätten auch sie Angst vor den Ungewißheiten einer neuen Situation. „Die beiden Völker Ägypten und Israel sind zu einem Frieden bereit, doch ihre Führer haben sich noch nicht dazu durchringen können“, klagte er verbittert vor dem vollversammelten Parlament.

Wenn man die Details im großen Rahmen sieht, wirken die verschiedenen Einzelheiten, die bis zuletzt noch nicht gelöst waren, fast lächerlich. So wollte sich etwa Ägypten nicht verpflichten, die 2,5 Millionen Tonnen Rohöl, die im Sinaigebiet, das nun Ägypten zurückgegeben wird, gefordert werden, an Israel zum Marktpreis zu liefern. Nun ist Ägypten aber bereit, Israel als einen der Käufer des Rohöls zu akzeptieren, wenn auch ohne Exklusiwerträge.

Israel erklärte sich zwar bereit, innerhalb von neun Monaten die halbe Sinaihalbinsel zu räumen, von El-Arisch im Norden bis Ras-Mu-hammad im Süden, aber der Judenstaat wollte nicht darauf eingehen, diese Räumung etappenweise durchzuführen. Ägypten war zwar bereit, Botschafter mit Israel zu tauschen, aber nicht, wie anfänglich ausgemacht, nach Räumung der halben Sinaihalbinsel, sondern erst, wenn

Israel die ganze Sinaihalbinsel zurückgegeben haben werde. Also drei Jahre nach Vertragsunterzeichnung.

Ägypten wollte erst im Gazastreifen die Autonomie einführen und forderte deswegen Einsetzung von ägyptischen Verbindungsoffizieren. Die Ägypter wollten auf diese Weise ihre besondere Verbundenheit mit dem Gazastreifen demonstrieren.

Dies waren die Probleme der letzten Tage vor Friedensunterzeichnung. Trotzdem sah Carter seine Mission schon gescheitert. Selbst als die Israelis nicht mehr auf ihren Positionen verharrten und zu weiteren Kompromissen bereit waren, instruierte der Sprecher der amerikanischen Delegation, J. Powell, die Journalisten, Carters Vermittlung sei gescheitert.

Dann kam endlich der Durchbruch. In der letzten Minute waren die Israelis bereit, weitere Rückzugsphasen einzuführen, und die Stadt El-Arisch schon nach vier Monaten zurückzugeben. Ägypten verzichtete auf einen Sonderstatus für den Gazastreifen und auf die Einsetzung von Verbindungsoffizieren. Israel verzichtete auf ein Exklüsivabkommen zur Lieferung von Rohöl, und Ägypten war bereit, nach neun Monaten seinen Botschafter nach Israel zu schicken. Alle Verhandlungsteilnehmer waren erschöpft. Doch der Durchbruch war gelungen.

Und nun erst beginnen die wahren Probleme. Das wichtigste, die Autonomie für die besetzten Gebiete, wurde bisher ausgeklammert. Mena-chem Begin, der an der Spitze der rechtsradikalen Cheruthpartei steht, die einen,Jeil des bildet, hat seinerzeitein^ Verwaltungsauiß-nomie für Westjordanien und den Gazastreifen vorgeschlagen, um den palästinensischen Arabern eine politische Lösung zu geben und Großisrael zu erhalten. Sind doch in seinen Augen Judäa und Samaria (Westjordanien) Teile des den Kindern Israels von Gott versprochenen Heiligen Landes.

Die Palästinenser hingegen sind gegen jegliche Autonomie, die Israels Herrschaft über ihr Gebiet verewigen will. Jede jüdische Neuansiedlung in diesem Gebiet ist für sie eine neue Provokation.

Die Vorstellungen der Amerikaner und Ägypter sowie der Palästinenser, die an den Verhandlungen über die Errichtung der Autonomie teilnehmen sollen, sind grundsätzlich von

„Die Autonomie für die besetzten Gebiete wurde ausgeklammert“ denen Begins und seiner Mannschaft verschieden. Auch nach der Vertragsunterzeichnung wird es tiefe Meinungsverschiedenheiten geben. In der Zwischenzeit haben die Einwohner der von Israel besetzten Gebiete ihre heftige Opposition bereits angemeldet und ihren Protest durch militante Schülerdemonstrationen zum Ausdruck gebracht.

Sadat wird von den Arabern als Verräter bezeichnet. Die verschiedenen arabischen Terrororganisationen planen Anschläge gegen Ägyptens Staatspräsidenten. Es wird nicht leicht sein, den Frieden zu verwirklichen. Weder in Ägypten noch in Israel ist eine Friedenseuphorie zu spüren. Beide Parteien brauchen noch viel guten Willen und noch mehr Entschlußkraft, um den Frieden auch zu verwirklichen.

Die Frage, wer den größeren Preis für den Frieden gezahlt hat, erübrigt sich. Der politische Preis, den Sadat zahlte, Bruch mit fast der ganzen arabischen Welt, ist kaum kleiner als der israelische.

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