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Frieden und Demokratie

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Der Mensch ist es, der tötet, und nicht sein Schwert oder, heute, seine Raketen. Wenn sich die vom Herzen des Menschen hervorgebrachten gegenwärtigen Systeme zur Friedenserhaltung als unfähig erweisen, dann muß eben dieses Herz des Menschen erneuert werden, um die Systeme, Institutionen und Methoden erneuern zu können. Die neue Mentalität des Friedens bedeutet eine Ersetzung des Axioms, nach dem sich der Friede aus dem Gleichgewicht der Rüstung herleitet, durch den Grundsatz, daß der wahre Friede sich nur in gegenseitigem Vertrauen verwirklichen kann.

Das Gewissen muß es den verantwortlichen Politikern verbieten, sich in gefährliche Abenteuer ziehen zu lassen, wo Leidenschaft über die Gerechtigkeit die Oberhand gewinnt, dafür das Leben ihrer Mitbürger nutzlos zu opfern, die Konflikte bei den anderen zu schüren, die Unsicherheit des Friedens in einer Region als Vorwand zu benutzen, um ihre Hegemonie auf neue Gebiete auszudehnen ...

Die Politiker müssen mehr als andere davon überzeugt sein, daß der Krieg in sich irrational ist und das ethische Prinzip von der friedlichen Lösung der Konflikte der einzige menschenwürdige Weg ist.

Papst JOHANNES PAUL II.

Mit der Erfindung und dem Einsatz der Atombombe sind alle Theorien und alle Rechtfertigungsversuche über den Krieg illusorisch geworden. Wenn dann das Schreckliche geschehen sollte, zu dem alle Rüstung hinsteuert, dann bleibt nur der Rest, ein vergifteter, verwesender Rest. Wir alle werden dazugehören ...

Die Jugend ist es vor allem, die den Wahnsinn nicht mitmachen will. In den Friedensbewegungen sind Christen stark beteiligt, nicht als „Naivlinge", nicht als „nützliche Idioten", sondern als Träger einer neuen Hoffnung.

Gewiß, mit Demonstrationen und Sprechchören wird keine Rakete zerstört, keine Abschußrampe vernichtet, zumal diese Sprechchöre nur in einem Teil, in unserem Teil der Welt, zu vernehmen sind. Aber weitermachen wie bisher und dazu schweigen, das geht auch nicht...

Österreich ist „eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält". Sie hat diese Probe schon einmal gehalten, die Probe für den Untergang. Das kommende Jahr ist für die Österreicher ein trauriges Gedenkjahr. Angst, Mißtrauen, Haß haben vor 50 Jahren, im Februar 1934, in unserem Vaterland die Menschen auf die Barrikaden getrieben, haben Brüder des gleichen Volkes aufeinander schießen lassen.

Es wird in den kommenden Wochen und Monaten viel von der Schuld die Rede sein. Man soll der Frage nach der Schuld nicht ausweichen, aber jeder, der meint, der andere hätte mehr Schuld, sollte zunächst Gewissenserforschung bei sich selbst halten.

Auch manche Katholiken hatten Schuld an der Entwicklung, die zum Februar 1934 führte. Manche Glieder der Kirche unseres Landes waren damals zu sehr verstrickt in die Wirrungen und Par-teiungen der Zeit, um noch ein versöhnendes Element in diesem Land zu sein. Auch Katholiken waren geprägt von Mißtrauen und Angst, die nur mehr in der Gewalt ihren Ausweg sahen.

Der Kampf im Februar 1934 war ein Kampf um Österreich. Heute wollen wir die Kämpfe der Väter und Vorväter nicht wiederholen. Wir ehren ihr Andenken, wenn wir uns alle über ihren Gräbern die Hände reichen.

Kardinal FRANZ KONIG Erzbischof von Wien

Die meisten von uns werden zum Jahreswechsel wohl daran gedacht haben, ob es gelingen wird, den Frieden zu bewahren. Gestatten Sie mir ein Wort des Dankes an die verantwortlichen Persönlichkeiten der drei im Nationalrat vertretenen politischen Parteien dafür, daß sie in einer mich persönlich beglückenden, konstruktiven Weise zu einer Zusammenarbeit dazu bereit waren, daß im Gedenken an die 1934 bestandene Bürgerkriegssituation in Österreich die Veranstaltungen nicht alte Gräben aufreißen, sondern Wege in die Zukunft zeigen sollen. Daß dies nur Wege einer gelebten Demokratie sein können, steht außer Zweifel...

Diese unsere Art der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Bewältigung der Gegenwart ist für uns auch ein gar nicht so geringer Beitrag zum Weltfrieden. Natürlich, der Weltfriede bedarf zuerst der politischen Entschlüsse der Großen dieser Erde. Diese zu' beeinflussen, wird uns nicht oder nur sehr mittelbar möglich sein.

Die Verantwortung von uns Kleinen liegt darin, daß wir keine Unruheherde schaffen, nicht in unserem Lande und nicht an unseren Grenzen.

Ich weiß, manche lächeln darüber — aber in mir hat sich in den drei Jahren, seit ich meinem Buch diesen Titel gab, die Uberzeugung nur noch mehr gefestigt: Der Friede beginnt im eigenen Haus! Und dort .liegen auch vor allem die Chancen für jeden von uns, wirklich ausnahmslos für jeden, etwas für den Frieden tun zu können.

Bundespräsident RUDOLF KIRCHSCHLAGER

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