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Friedena-Bertha

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Vor 100 Jahren erschien Bertha von Suttners Roman „Die Waffen nieder“. Die Pazifistin starb am 21.Juni 1914-vor75Jahren -gewissermaßen am Vorabend des Fanals des alten Europa.

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Vor 100 Jahren erschien Bertha von Suttners Roman „Die Waffen nieder“. Die Pazifistin starb am 21.Juni 1914-vor75Jahren -gewissermaßen am Vorabend des Fanals des alten Europa.

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Vielen gilt die am 9.Juli 1843 geborene Grafin Kinsky als Fundamentalistin in der Friedensfrage. Die Vision Bertha von Suttners von einem neuen Zeitalter ohne Kriege hat sich bis heute nicht erfüllt. Wind das je geschehen? Am Ende ihres Romans „Die Waffen nieder“ heißt es: „ Die Wildheit mit ihren Götzen und ihren Waffen - schon schleuderten sie viele von sich. Wenn wir der Barbarei auch noch näher sind, als die meisten glauben, so sind wir vielleicht auch der Veredelung näher, als viele hoffen. Schon lebt vielleicht der Fürst oder Staatsmann, der die in aller künftigen Geschichte als die ruhmreichste, leuchtendste der Taten geltende Tat vollbringen wird, der die allgemeine Abrüstung durchsetzt.“

Wie kam von Suttner zu dieser Perspektive? Sie, die zunächst den österreichisch-preußischen Krieg von 1866 und den deutsch-französischen Krieg von 1870 als unvermeidliche Gegebenheit hingenommen hatte? Als Erzieherin der Töchter der Familie des Freiherrn von Suttner in Harmansdorf verhebte sich die 30jährige in den 23jährigen Sohn des Hauses, Arthur. Nachdem die „Affäre“ offenkundig wurde, mußte Bertha von Kinsky das Haus verlassen. Sie ging nach Paris und wurde Sekretärin des reichen Dynamitkönigs Alfred Nobel. Dieser hatte ja die Idee der Abschreckung mittels Dynamits vertreten - eines Sprengstoffs, der - wie er sagte - so furchtbar sei, daß Kriege damit nicht mehr führbar würden.

Arthur von Suttner beschwor Bertha jedoch, zurückzukommen; was diese auch tat. Die Ehe wurde am 12 .Juni 1876 in der Gumpendor-fer Pfarrkirche in Wien geschlossen - ohne Zustimmung der Familie Suttner, was zur Folge hatte, daß das Paar Wien verließ und in das Gebiet des Kaukasus ging. Arthur Suttner arbeitete bei einem Fabrikanten, Bertha gab Musik- und Sprachunterricht.

Da brach der russisch-türkische Krieg aus, den Bertha von Suttner aufgrund eigener Erfahrung mißbilligte. Schließlich kehrte man 1885 nach Wien zurück. Im Kaukasus hatte Bertha von Suttner das Buch „InventariumeinerSeele“ geschrieben, die Auseinandersetzung mit sich selbst - eine emanzipatorische Leistung - führte sie zur Selbständigkeit. In einem weiteren Buch „Maschinenzeitalter“ verurteilte sie zum ersten Mal den Krieg. Im Winter 1886/87 war das Ehepaar Suttner wieder in Paris bei Nobel. Dort schloß Bertha Bekannschaft mit verschiedenen Friedenskämpfern, die sie begeisterten. Die Frucht dieser Epoche war eben der Roman „Die Waffen nieder“.

In der ziemlichmelodramatischen Geschichte erlebt eine österreichische Gräfin die Kriege in der Zeit von 1859 bis 1871, verliert dabei zwei Ehemänner, den Großteil ihrer nahen Verwandtschaft und ihren -Element besonderer Rührung I - Lieblingshund. Im Buch werden viele Schlachtszenen beschrieben, trotzdem ist der Roman eher langweilig. Aber mit stilistischen Kriterien wurde dieses Buch kaum bewertet. Bis 1889 gab es kaum Dokumente der Friedensbewegung. Erst Bertha von Suttners Geschichte verschaffte dem Pazifismus eine nie gekannte Popularität.

1891 gründete Bertha von Suttner dann die österreichische Friedensgesellschaft, die heute noch besteht.

Die Österreicherin definierte den Zweck einer Friedensgesellschaft rein humanitär und kaum politisch. Darin liegt ein großes Manko ihres Pazifismus. Aber ihr Anliegen, einziges Machtmittel der Pazifisten, die Heranbildung der öffentliehen Meinung, ist nach wie vor aktuell und führt direkt in die moderne Friedensbewegung. Sehr modern und fast freudianisch klingt von Suttners These, daß die Kulturentwicklung auf einem Punkt angelangt sei, wo der Krieg mit ihr nicht mehr im Einklang stehe. Die Forderung müsse daher „Rechtspruch statt Dreinschlagen“ lauten.

Moraltheologen verweisen in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Notwendigkeit der ethischen Bildung des Menschen, wissend um das gebrochene Wollen des Menschen; Kulturentwicklung als deterministischer Vorgang reiche nicht aus, um das Übel des Krieges aus der Welt zu schaffen. Nach den Erfahrungen zweier Weltkriege wohl eine wahre Erkenntnis 1

Im Zusammenhang mit ihrem Friedensengagement, ihren Vorträgen, ihrer konkreten Tätigkeit als Pazifistin, erkannte Bertha von Suttner auch die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Emanzipation des Menschen, insbesondere der Frauen, als Voraussetzung für politische Betätigung.

Von ihren Geschlechtsgenossinnen wurde Bertha von Suttner nicht immer freundlich aufgenommen. Als eitle „Friedens-Bertha“ beschrieben, hatte sie nicht selten Schwierigkeiten, das militaristisch geprägte Denken von Frauen, die in einer militaristischen Gesellschaft „hinter ihren Männern“ standen, aufzubrechen.

1913 hielt der Bund österreichischer Frauenvereine seine 7.Gene-ralversammlung in Graz ab. Bertha von Suttner sollte eingeladen werden. Die Grazer Frauen wehrten sich jedoch heftig gegen ihr Kommen. Pazifismus war zu der Zeit wahrlich nicht mehr gefragt.

Kurz vor ihrem Tod rief von Suttner den Frauen der „Deutschen Friedensgesellschaft“ daher zu: „Es wird Ihnen nicht ganz leicht gemacht werden, für die pazifistischen Ideale einzutreten. Auch unter Frauen selber dürften Ihnen viele Gegnerinnen erwachsen. Es ist durchaus nicht richtig, wie manche behaupten, die in der Friedensbewegung nur eine unmännliche Sentimentalität sehen, daß alle Frauen von Natur aus dem Krieg abhold sind- Nein, nur die fortschrittlich gesinnten Frauen, nur solche, die sich zu sozialem Denken erzogen haben, sind es, die die Kraft haben, sich vom Banne tausendjähriger Institutionen zu befreien, und zugleich die Kraft aufbringen, dieselben zu bekämpfen...Es wird ihnen daher möglich sein, gegen das, was sie als Kulturschäden erkannt haben, nicht lediglich zu protestieren, sondern an der Umwandlung der Zustände tätig und praktisch mitzuwirken.“

Ist heute in Europa die Zeit reif für die Umsetzung solcher Ideen? Sind kulturelle und ethische Entwicklung so weit vorangeschritten, daß - wie Bertha von Suttner schrieb - freiwillig und übereinstimmend die Lunten weggetan werden können und „der Bund zivilisierter Staaten Europas“ ins Leben gerufen werden kann?

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