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Friedensbewegung kommt zu spät

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Nach Meinungsumfragen ist der Mazedonier Vasil Tuburkovski, der neben Staatspräsident Stipe Mesic im achtköpfigen jugoslawischen Staatspräsidium sitzt, der populärste Politiker des zerfallenden Vielvölkerstaates. Er war Organisator der beiden Friedenskonferenzen von Brioni.

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Nach Meinungsumfragen ist der Mazedonier Vasil Tuburkovski, der neben Staatspräsident Stipe Mesic im achtköpfigen jugoslawischen Staatspräsidium sitzt, der populärste Politiker des zerfallenden Vielvölkerstaates. Er war Organisator der beiden Friedenskonferenzen von Brioni.

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FURCHE: Serbien hat am Wochenende den EG-Friedensplan bedingt gutgeheißen. Ein Schritt in Richtung Frieden?

VASIL TUBURKOVSKI: Solange unsere Politiker nicht einmal wissen, was das Wort Waffenstillstand heißt, was Frieden bedeutet, ist das mehr als enttäuschend. Noch immer sind alle Pläne, Jugoslawien staatlich umzuwandeln, den Frieden wiederherzustellen, Menschen- und Minderheitenrechte nach modernen internationalen Prinzipien zu gewähren, auf Eis gelegt. Einen Waffenstillstand zögert- man Tag für Tag hinaus, sodaß Tausende sterben.

FURCHE: Es gibt die Bewegung „Mütter für den Frieden ". Nicht nur diese Frauen setzten auf Ihre Vermittlung. Was werden Sie als Politiker tun?

TUBURKOVSKI: Letztlich werden Friedensmanifestationen einfacher Bürger mehr bewegen als alle Verhandlungen am Runden Tisch, die bisher immer scheiterten. Doch die Friedensbewegung kommt in Jugoslawien recht spät. Und auch die Aktivisten, die Mütter, müssen lernen, daß es um Frieden im globalen Sinn geht. Er darf nicht vor der eigenen Republiksgrenze oder der Haustür haltmachen. Noch protestieren viele in Jugoslawien nur dann, wenn sie unmittelbar betroffen sind, wenn es ihre eigenen Kinder betrifft. Daraus muß eine Bewegung werden, der das Schicksal aller Völker Jugoslawiens am Herzen liegt.

FURCHE: Sie sind Vertreter Mazedoniens im Staatspräsidium. Die Mazedonier und Albaner in Ihrer Republik sind sich fremd.

TUBURKOVSKI: Jahrzehntelang hat man zwischen beiden Völkern Haß geschürt. Doch im Parlament von Skopje sind wir uns einig, daß es nicht weiter eine Trennung der Menschen nach nationalen Kriterien geben darf. Mazedonien wird wohl im Oktober seine Unabhängigkeit ausrufen. Am kommenden Sonntag, 8. September, haben wir dazu einen Volksentscheid. Und es herrscht Konsens darüber, daß Mazedonien nicht nur eine Republik für Mazedonier ist. Das konstituierende Subjekt des Staates Mazedonien sind Albaner und Mazedonier. Wir werden eine Bürgerrepublik sein, kein Nationalstaat.

FURCHE: Aber Nationalisten und militante Fanatiker sind heute die Realität in Jugoslawien...

TUBURKOVSKI: ...diescrOefahr bin ich mir bewußt. Nur - diese Nationalwahn-Politik ist im beginnenden 21. Jahrhundert auf der europäischen Bühne zum Scheitern verurteilt - auch hier auf dem Balkan. Das Gespräch führte Roland Hofwiler.

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