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Friedenserziehung ist aus dem Entsetzen entstanden

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Auch angesichts der immer schärfer werdenden internationalen Konflikte die Zuversicht wecken und Menschen für die Idee des Weltfriedens mobilisieren.” Unter diesem Motto war die diesjährige Sommerakademie des Instituts für Friedensforschung auf der Burg Schlaining (Burgenland) zwei Wochen lang dem Gedankenaustausch zwischen Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland und engagierten Besuchern gewidmet.

Der heutige Friede in Europa, „der vor allem auf der Gefährlichkeit der nuklearen Arsenale beruht und für die globale Situation nicht repräsentativ ist” (Wissenschaftsminister Heinz Fischer), dürfe nicht als bloße Abwesenheit von Krieg verstanden werden. „Er muß vielmehr”, wie Institutspräsident Gerald Mader hervorhob, „als dynamischer und permanenter Prozeß gesehen werden, zu dessen Erreichung das Engagement breiter Bevölkerungsgruppen notwendig ist.” Einen besonderen Stellenwert habe dabei die Umsetzung des gewonnenen Wissens der Friedensforschung in konkrete Friedenserziehung.

Vor einer Uberbewertung warnend, gab die Pädagogin Marianne Gronemeyer (Universität Bochum) allerdings zu bedenken: „Nicht die Friedenspädagogik hat die Menschen aufhorchen lassen, sondern das Entsetzen.” Als eine der wichtigsten Aufgaben sieht sie „das Erziehen zum Respekt vor der Andersartigkeit des anderen, vor der Fremdartigkeit des Fremden”.

Für den Friedensforscher Reiner Steinweg (Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) hat sich die Erziehung zum Frieden vor allem an Erwachsene zu richten: „Sie muß eine Veränderung des Alltagsbewußtseins bewirken, die Entwicklung kollektiver Phantasien im Umgang mit Konflikten.” Damit könnten zerstörerische Konfliktpotentiale in „produktive” umgewandelt werden.

Daß ein Zudecken von Konflikten kein Mittel zur langfristigen Friedenssicherung ist, führte der Politologe Anton Pelinka (Universität Innsbruck) vor Augen:

„Durch die starke staatliche Konfliktbefriedung der Zweiten Republik trägt der Österreicher seine Konflikte nicht nach außen.” Denn er habe verlernt, sie politisch oder sozial zu artikulieren.

„Konflikte”, meint Pelinka, „galten bisher schon als gelöst, wenn sie nicht an die Oberfläche getreten waren.” Der Zenit des momentanen Konfliktmanagements sei jedoch überschritten, unter seiner Hülle hätte sich enormes Konfliktmaterial angestaut: Etwa die Ablehnung von Zentralwerten durch große Teile der Jugend und das Auftreten von starken Ökologiebedürfnissen, „die eben nicht mehr kompromißfähig sind” (Pelinka).

Die daraus entstehenden Grünbewegungen stellen für den Philosophen Peter Heintel (Universität Klagenfurt) „eine Suche nach der Idylle als Antwort auf die empfundene Ohnmacht gegenüber staatlichen Strukturen dar”. Die Friedenssehnsucht komme dabei vor allem „aus dem Bauch”, was wiederum nur in überschaubaren Kleingruppen möglich sei: „Die anonyme Großgesellschaft kann den Begriff .Frieden' nicht mehr emotionell besetzen.”

Den Hauptgrund für das Entstehen einer internationalen Friedensbewegung ortete der Politologe Ekkehart Krippendorff (Freie Universität Berlin) in der immer stärkeren „Ablehnung der Staatslogiken und der Vernunft jener, die Weltpolitik machen und mit dem Schicksal ihrer Bürger Risikospiele treiben”.

Ein großes Hindernis auf dem Weg zum konstruktiven Frieden stellt auch die Art dar, wie Gewalt in unserer Alltagskultur verarbeitet wird. Dies betrifft in erster Linie die Gewalt in massenmedial vermittelten Inhalten.

So sieht der Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer (Universität Klagenfurt) etwa Hollywoods Traumprodukte als „kulturell angebotene Psychodramen, die eine falsche Problemlösung im Umgang mit Gewalt anbieten”. Den auch bei uns zum Kinohit gewordenen Streifen „Ghost-busters” führte er dabei als Beispiel für „eine neue militante Männlichkeitswelle im Kino” an. Dieser Film biete „eine filmische Gewaltverarbeitung, die verschlüsselt Frauenemanzipation, Sexualität und Intellektuelle zu .Gespenstern' macht.”

Die Rolle der Medien

Auch die Gewaltbehandlung in Fernsehen und Tageszeitung gab Anlaß zu (schon oft vorgetragener) Kritik. Der Kommunikationswissenschafter Hans Fabris (Universität Salzburg) äußerte „den idealistischen Wunsch, daß die Medien stärker auf die Friedensthematik eingehen”.

Die Medien seien „naturgemäß an spektakulären Bildern interessiert”, doch wäre es der Friedensbereitschaft bereits dienlich, „Darstellungsformen und Sprache der Kriegsberichterstattung zu überprüfen und auf die schrecklichen Folgen von Kriegen näher einzugehen”.

Resümierend erläuterte der Politologe Helmut Kramer (Universität Wien) die Rolle Österreichs im Bemühen um den Weltfrieden. Die schon aus Neutralitätsgründen vorgegebene aktive Friedenspolitik beziehe sich sowohl auf den unmittelbar angrenzenden Raum, als auch auf den internationalen: „Denn natürlich entspricht es unseren vitalen Interessen, wenn die nationalen Sicherheitsprinzipien mit der Beschaffenheit der internationalen Strukturen Hand in Hand gehen.”

Dies betreffe vor allem die Mitarbeit des Kleinstaates Österreich bei der internationalen Entspannung. Eine oft unterschätzte Rolle, oder wie der ehemalige Außenminister Erwin Lanc in seinem Referat feststellte: „Hier darf es zwar keine Selbstüberschätzung Österreichs geben, aber auch keine Selbstdegradie-rung.”

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