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Friedensmittel für Sonnentage ?

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Österreichs Sozialpartnerschaft hat sich als korporatives Krisenmanagement in Zeiten gesellschaftlicher Schönwetterlagen bewährt. Ob sie auch bei Schlechtwetterlage als soziale Friedensinstitution brauchbar ist, bleibt abzuwarten.

Zu dieser Schlußfolgerung kommt ein Buch des österreichischen Politikwissenschafters Anton Pelinka, das die bisher umfassendste, gründlichste und überzeugendste Aufarbeitung dieses international vielgefragten Themenkomplexes darstellt.

Pelinka unterscheidet eine autonome Sozialpartnerschaft (Paritätische Kommission, Preisunterausschuß, Lohnunterausschuß, Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen), wo ohne Sanktionsmöglichkeiten, aber autonom entschieden wird, und eine nicht-autonome Sozialpartnerschaft (Einbeziehung der Sozialpartner in Entscheidungen der Sozialversicherungen, der agrar-politischen Fonds, der Ge,ld- und Kreditpolitik sowie in gewisse Rechtssprechungsprozesse).

Daß die Sozialpartnerschaft in Österreich funktioniert, verdankt sie bestimmten Voraussetzungen: Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerverbände haben Monopolcharakter und einen hohen Organisationsgrad; sie sind zentralistisch organisiert, was alles die Durchsetzung auch rechtlich unverbindlicher Beschlüsse erleichtert.

Alle Sozialpartner sind zudehi in den beiden Großparteien verankert. Anders als diese, brauchen die Sozialpartner aber nicht auf Wahltermine und Wahlergebnisse zu äugen. Die Beschlüsse werden durch Experten vorbereitet, die relativ sachlich miteinander reden können. Von den Politikern trennt sie weniger als Beamte.

Stellt man noch eine gewisse Konsenssehnsucht vieler Österreicher in Rechnung, erklären alle diese Faktoren die Besonderheit dieses österreichischen Systems, das aus allen diesen Gründen nicht exportfähig ist.

Pelinka verweist auf viele interessante Wurzeln der Sozialpartnerschaft: die „teilweise antikapitalistische Massenbewegung der Christhchsozialeh Partei" ebenso wie die Sozialdemokratie, die zwar theoretisch dem Klassenkampf, in der Praxis aber auch früher schon manchen Kooperationsweisen verhaftet gewesen sei. Katholische Soziallehre steht stark hinter der Sozialpartnerschaft, aber auch Rennerscher „Revisionismus", die verschiedenen Spielarten des Korporativismus, deutsche Romantik, utopischer Sozialismus, technokratischer Reformismus, der Syndikalismus eines Sorel und der Labourismus eines Laksi.

Selbst im New Deal Roosevelts gab es vergleichbare Ansätze, und wieder in der „Konzertierten Aktion", die in der Bundesrepublik Deutschland die Koalition der Unionsparteien mit der SPD kurzfristig überdauerte.

Von wirklichem Bestand war bisher nur die Sozialpartnerschaft in Österreich, wiewohl sich diese bis heute Von keinem Gesetz oder gar der Bundesverfassung einfangen ließ.

Unter ihren Kritikern erwähnt der Verfasser die Vertreter einer klassisch-liberalen Position (Unbehagen über Gebilde zwischen Individuen und Staat), des Marxismus („Abkehr vom Klassenkampf"), der Rechtsstaatsvertreter („Verfassungsferne") und Reformer, die sie nicht abschaffen, sondern verbessern möchten.

Kleinster gemeinsamer Nenner der Sozialpartnerschaft ist nach Pelinka die Konzentration auf Wirtschaftswachstum, was die Frage nach ihrem Schicksal aufwirft, wenn die Wirtschaft stagniert oder gar schrumpft.

Wächst sie, wird der Mehrertrag im bisherigen Verhältnis aufgeteilt. Daß die Sozialpartnerschaft „verteilungsneutral" ist, also nichts am Verhältnis von Lohn- und Gewinnquoten ändert, erachtet der Autor als ,4"elativ gesichertes Ergebnis". Wörtlich:

„Die Sozialpartnerschaft hat nichts daran geändert, daß in Österreich … relativ wenige relativ viel und relativ viele relativ wenig Anteil am gesellschaftlichen Reichtum haben" und daß „die Lebenschancen in Österreich relativ ungleich verteilt sind".

Aber auch wenn die Sozialpartnerschaft ,4cein Instrument zur Herstellung irgendwelcher Gerechtigkeitsvorstellungen, die über die bestehenden Formen der Umverteilung wesentlich hinausgehen, ist", bleibe doch ,4hre letzte und beste Argumentationsbasis das Fehlen von Alternativen, die überzeugen könnten."

Weshalb man vielleicht doch ernsthafter darüber nachdenken sollte, was außer Wirtschaftswachstum eine tragfähige Basis auch in Zukunft abgeben könnte.

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