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Friedenstauben über Kairo

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Wir befanden uns in Kairo, anläßlich des Besuches des israelischen Ministerpräsidenten Menachem Be-gin als offizieller Staatsgast in Ägypten. Es war dies ein Wendepunkt in den Beziehungen der beiden Staaten und Nationen, die nun nach 30 Jahren Krieg sich endlich zu einem Frieden durchringen konnten. Mein ägyptischer Gesprächspartner sagte zu mir: „Jahrelang haben wir unsere Köpfe für die Palästinenser hingehalten, 80.000 Tote hatten wir bei den drei Kriegen gegen Israel zu beweinen. Nun wollen wir endlich für Ägypten selbst sorgen!“

Mit diesem Treffen zwischen Begin und Sadat sowie während Begins Besuchen in den verschiedenen Stadtteilen von Kairo wurden die offiziellen friedlichen Beziehungen in der Tat manifestiert. Das ägyptische Fernsehen berichtete über den Besuch bis in das kleinste Detail, so daß Begin auch für den kleinen Mann auf der Straße jemanden darstellte, den man nach dem alten Prinzip „Wen der Rais (der Präsident) ehrt, den haben auch wir zu ehren!“ feiern mußte.

Für uns Israeli war es eine besondere Genugtuung, zum ersten Mal unseren Ministerpräsidenten in einer arabischen Großstadt zu sehen, von einer Ehrengarde empfangen, während er die Flagge des wichtigsten arabischen Staates stillschweigend ehrte und im Hintergrund die israelische Nationalhymne Hatiqwa in orientalischem Rhythmus zu hören war.

Bis zu Begins Besuch gab es zwar einen Friedensvertrag mit vielen, ja allzu vielen Paragraphen, doch nun wurde veranschaulicht, daß tatsächlich Beziehungen zwischen den beiden Staaten bestehen, auch wenn die Grenzen erst innerhalb eines Monats geöffnet werden. Begin war bereit gewesen, auf die Hauptstadt El-Ariscn der Sinaihalbinsel früher als geplant zu verzichten, Sadat war früher bereit gewesen, die Normalisierung der Beziehungen zuzulassen. Hier nun zeigte es sich, daß es nicht nur um die sture Einhaltung der Paragraphen geht, sondern um den gegenseitigen Willen, friedliche Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu schaffen.

Die Schwierigkeiten sind dadurch freilich noch lange nicht aus dem Weg geräumt. Sie sind schon bei dem bevorstehenden Austausch der von beiden Parlamenten ratifizierten Friedensverträge zu erkennen. Statt sie in den beiden Hauptstädten zu übergeben, einigte man sich auf ein Treffen bei der amerikanischen Abhorchstation in der Sinaiwüste, die bisher die ägyptisch-israelischen Entflechtungsverträge überwacht hat. Der Grund dafür: Ägypten ist nicht bereit, die israelische Hauptstadt Jerusalem als solche anzuerkennen und fordert nach wie vor eine besondere Verwaltung für den arabischen Stadtteil.

Im Gegensatz zu den früheren Treffen hütete sich Begin dieses Mal bei seinen wenigen Ansprachen in Ägypten, irgendwelche Themen anzuschneiden, die provozierend wirken könnten. Vor seiner Abreise wurde er von allen seinen Ratgebern ersucht, ja nichts Diesbezügliches auch nur anzudeuten. Obwohl er früher von seinen Urvätern gesprochen hatte, die zur Zeit der Pharaonen die Pyramiden errichtet hätten, sagte er diesmal während des obligaten Pyramidenbesuches lediglich, und das auch nur auf Drängen von Journalisten, daß ihn die Pyramiden an das bevorstehende jüdische Pesach-Fest erinnerten.

Die Israelis haben etwas aus ihrer langen Erfahrung im Umgang mit Arabern gelernt, nämlich, daß die Anmaßung, die Israelis seien in jeder Hinsicht überlegen, nicht am Platz ist. Aus diesem Grund haben sie die-sesmal auch ihre eventuellen Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Kooperation nur ganz kleinlaut zur Sprache gebracht. Jeder Israeli, der nach Ägypten kam oder irgendwelche

„Auf diese Weise könnte man eine Viertel- bis eine halbe Million Ägypter im Sinai ansiedeln ...“

Kontakte mit Ägypten im Rahmen seines Tätigkeitsbereiches hat, wurde angehalten, sich soweit wie möglich mit derartigen Äußerungen zurückzuhalten.

Ich saß in der Lobby des modernen Sheraton-Hotels am Nil in Gesellschaft einiger junger Ägypter, teils Großkaufleute, teils Akademiker, und wir unterhielten uns über den Frieden. Im Hintergrund wurde das „Lied des Friedens“ gespielt, das von Masud Nooh zur Initiative des Friedenshelden Anwar es Sadat komponiert und gesungen wurde. Die Ägypter vertraten verschiedene Ansichten. Sie betonten immer wieder den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit den 19 arabischen Staaten und hatten irgendwie ein schlechtes Gewissen dabei. Ein Wirtschaftsexperte der Gruppe sprach vom Neuaufbau Ägyptens nach dem Frieden. Er war dabei gewesen, als Sadat in der Sinaihalbinsel den ersten Olivensetzling gepflanzt hatte und versprach, daß im Sinai Millionen Olivenbäume blühen und Früchte tragen würden. Bis dahin werden aber noch viele Jahre vergehen.

Für die Sinaihalbinsel gibt es jedenfalls doch einige konkrete Projekte. Es besteht ein Plan für einen Süßwasserkanal vom Nil ins Innere der Halbinsel, ähnlich dem Kanal, der seinerzeit bis Suez gegraben wurde und dadurch die ganze Region Port Said - Suez zur Ansiedlung freigab. Auf diese Weise könnte man eine Viertel- bis eine halbe Million Ägypter im Sinai ansiedeln, um dadurch die Bevölkerungsdichte am Nil selbst etwas zu verkleinern.

Bekanntlich besteht auch ein amerikanisch-ägyptisch-israelisches Projekt, ein Atomkraftwerk zwischen Ägypten und Israel zu bauen, dessen Hauptaufgabe die Inbetriebnahme einer großen Meerwasserentsalzungsanlage sein soll.

Kaum war Begins israelische Luftwaffenmaschine von Kairo abgeflogen, wurden die israelischen Flaggen wieder heruntergeholt. Einen Tag nach Begins Besuch war in den Zeitungen von Kairo nichts mehr über ihn zu lesen. Trotzdem ist durch diesen Besuch eine neue Tatsache geschaffen worden. Der neue Friedensvertrag ist nicht mehr nur eine Ansammlung von Paragraphen, sondern hat sich in gegenseitigen Beziehungen niedergeschlagen. Man spricht sogar schon von einem kommenden sportlichen Ereignis: der Fußballklub „Samalek“ in Kairo plant ein Freundschaftsspiel gegen Israels beste Mannschaft „Maccabi“ Tel Aviv für den kommenden Sommer.

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