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Friedenszone und Aufmarschgebiet

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Die Krise im Iran und die Vorgänge in den ölzentren am Persisch-Arabischen Golf lenken ebenso wie der Sowjet-Einmarsch in Afghanistan wieder einmal die Aufmerksamkeit auf den Indischen Ozean. Hier sind in den vergangenen zwanzig Jahren fünf junge Staaten entstanden: Madagaskar, Mauritius, die Malediven, die Komoren und die Sechellen. Die Regierungen dieser Inselreiche verfolgen eine bündnisfreie Außenpolitik, doch sie kennen auch den strategischen Wert ihrer Inseln.

Von Mauritius lassen sich die Schiffahrtswege zwischen dem Mittleren Osten, Südostasien, Südafrika und Europa kontrollieren. Die 1968 unabhängig gewordene Zucker- und Badeinsel brauchte nicht lange auf die Avancen der Sowjetrussen zu warten. 1970 wurde mit Moskau ein Vertrag über die Entwicklung der Fischerei abgeschlossen. Russischen Fischerbooten wurde erlaubt, den Hafen der Inselhauptstadt Port Louis anzulaufen. Sowjetische Flugzeuge dürfen Mauritius anfliegen, um Fischereipersonal auszuwechseln.

Dieses Abkommen brachte Briten und Amerikaner in Verlegenheit. Denn auf Mauritius ist ein englisches Funksystem installiert, das Europa, Afrika, Indien und Australien miteinander verbindet. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA unterhält auf Mauritius eine Raketenbeobachtungsstation. Die sowjetischen Trawler aber, die nach Port Louis kommen, sehen nicht so aus wie harmlose Fischerboote. Und sind die Ersatzmannschaften wirklich nur für solche bestimmt?

Es ist ein offenes Geheimnis, daß sowjetische Unterseeboote im Indischen Ozean kreuzen. Bisher wurde ihnen aber nur auf der zur Volksrepublik Jemen gehörenden Insel So-kotra ein Stützpunkt eingeräumt.

Die seit 1965 unabhängigen Malediven haben von Großbritannien ein Flugfeld auf der Insel Gan geerbt. Die britische Labour-Regierung ließ diesen Luftstützpunkt räumen. Danach interessierten sich die Sowjetrussen für die Insel. Hätte man es dem armen Inselstaat verdenken können, wenn er Gan an Moskau verpachtet hätte?

Im Oktober 1977jedoch gab die maledivische Regierung bekannt, sie habe ein sowjetisches Angebot von einer Million Dollar für Nutzungsrechte an der verwaisten Basis abgelehnt, um die Blockfreiheit nicht durch Anwesenheit einer Supermacht zu gefährden. Die Malediven hoffen seither auf mehr Entwicklungshilfe aus dem Westen.

Anders steht es um den militärischen Ausbau des südlich der Male-

diven gelegenen Koralleneilands Diego Garcia. Mauritius hatte dieses Atoll vor der Unabhängigkeit für 40 Millionen Rupien an die britische Krone verkauft.

Anfang der siebziger Jahre wurde den Nordamerikanern bewußt, daß der Westen die strategisch günstig gelegene Insel in sein Verteidigungsnetz einbeziehen müsse. Immer mehr sowjetische Kriegsschiffe zeigten Flagge im Indischen Ozean. Washington verständigte sich mit London über den gemeinsamen Ausbau Diego Garcias zu einer Luft- und Marinebasis. Den Löwenanteil der Stützpunktkosten übernahmen die Amerikaner. Die Hafen- und Flugplatzanlagen von Diego Garcia sind allerdings für Flugzeugträger und Langstreckenbomber ungeeignet.

Die Proteste der Anrainerstaaten Sri Lanka (Ceylon) und Indien hinderten weder die Vereinigten Staaten noch die Sowjetunion, ihr Engagement im Indischen Ozean zu verstärken. Die Schiffsrouten zwischen dem Kap der Guten Hoffnung, der Straße von Malakka, dem Suezkanal und dem Persischen Golf sind wichtige Lebensadern für die importierenden und exportierenden Länder, Die 01-und Rohstoffversorgung Westeuropas, Amerikas, Japans und Australiens hängt weitgehend von diesen Schiffahrtswegen ab.

Auf die Sicherung der Schiffsverbindungen ist auch Frankreich bedacht, je mehr die Sowjetunion ihre Präsenz im Indischen Ozean erhöht. Nach der Unabhängigkeit Djiboutis und der Aufhebung französischer Militärstützpunkte auf Madagaskar ist dem Ubersse-Departement Reunion verstärkt die Rolle eines Luft- und Flottenstützpunktes zugefallen.

Freilich bietet Reunion nur beschränkte. Möglichkeiten für den Ausbau einer Marinebasis. Die Komoren-Insel Mayotte wäre dafür besser geeignet. 1976 hatte sich die Mehrheit der Bevölkerung von Mayotte für ein Verbleiben bei Frankreich ausgesprochen. Die französische Regierung ist bereit, Mayotte den Status eines Ubersee-Departements zu geben, wie ihn Reunion seit 1946 hat. Die Vereinten Nationen jedoch unterstützen den Anspruch der seit 1975 unabhängigen Komoren-Republik auf Mayotte.

Die unabhängigen Inseln und die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans möchten den gesamten Raum als eine „Zone des Friedens" geachtet sehen. Dem stehen die konkurrierenden Interessen der Großmächte entgegen. Statt mit einer Entmilitari-sierung ist eher mit einem Wettrüsten im Indischen Ozean zu rechnen.

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