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Friedrich Heer: Hoffnung für den Menschen

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Eine Sache ist so viel wert, als sie in Menschen arbeitet — in allen Schichten, vor allem also auch in den Tiefenschichten ihrer Existenz.

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Eine Sache ist so viel wert, als sie in Menschen arbeitet — in allen Schichten, vor allem also auch in den Tiefenschichten ihrer Existenz.

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1982 ist also das Jahr der Vorbereitung. Viele arbeiten, um diesen Katholikentag zu gestalten. Arbeiten: das sind äußere Arbeiten, in Sitzungen, Entwürfen, Konzeptvorschlägen, Besprechungen etc. etc. Arbeiten: das ist auch das innere Arbeiten. Eine Sache ist so viel wert, als sie in Menschen arbeitet — in allen Schichten, vor allem also auch in den Tiefenschichten ihrer Existenz.

Der Ernst der Stunde, dieser Weltstunde, ist heute österreichischen Katholiken weithin bekannt. Wie offen Österreich ist, zeigen täglich „unsere" Polen, die uns zugekommen sind, zeigen Flüchtlinge aus anderen Oststaaten, zeigen die Terroristen, die täglich einströmen können, soweit sie nicht bereits unter uns sind.

Diese Tatsachen mögen bereits einigen Katholiken nahelegen, sich zu einer offenen Katholizität zu bekennen und zu versuchen, dem Katholikentag etwas von ihren Strukturen zu vermitteln. Geschlossehe Katholizität: Sie regierte seit der Gegenreformation bis in unsere Tage, lebt, arbeitet noch in vielen Menschen. Karl Rahner hat vor Jahrzehnten diese Kirche als „Ghetto" angesprochen: ein Großghetto.

Ghetto-Mentalität wird immer wieder in Verbänden, in Interessengruppen zu finden sein: links, rechts, in der Mitte. Wer sie heute in sozialistischen Organisationen und Parteien beklagt, möge gleichzeitig vor der eigenen Tür kehren, die oft verschlossen ist für die vielen „anderen", die Randgruppen, die eben nicht gewürdigt werden, wie besonders eindrucksvoll Deutsche Katholikentage der letzten Jahre zeigten, gemeinsam am Tisch des Herrn (und am Tisch der Repräsentanten) teilzunehmen.

In Österreich hat, in großer Stille, 1982 der .Arbeitskreis Kritisches Christentum" sein zehnjähriges Existenzjubiläum begangen. Nicht wenige Katholiken bekommen einen roten Kopf, wenn sie auch nur diesen Namen hören, wobei diese ominöse Gruppe immerhin mit der Katholischen Arbeiterjugend, der „Solidaritätsgruppe engagierter Christen", der „Salzburger Gruppe" und der Evangelischen Akademie Wien im ständigen Gespräch steht.

Ich nenne sie hier, weil sie in diesen letzten zehn Jahren einiges zu sagen wußte zum Thema, das nun am österreichischen Katholikentag 1983 zur Debatte steht „Hoffnung leben, Hoffnung geben". Die Zermalmung der großen „roten Hoffnung" (Ernst Bloch) in den Staaten des osteuropäischen „Sozialismus", das Verkommen von Hoffnung, „gebildeter Hoffnung", zukunftsatmend, in sozialistischen Parteien in Westeuropa sollten auch für Katholiken Fanale bilden. Der Mensch ist ein Wesen, das seine Hoffnungen tötet.

Der Katholik ist ein politisches Wesen, zoon politikon, er lebt sich dar, er stellt sich dar nicht in einer Privatreligion, sondern in aller Öffentlichkeit. Res publica: Sie geht ihn in allen ihren zeitbedingten politischen Formationen an. Wie produziere ich Hoffnung? Welche Hilfen erhalten Katholiken heute, morgen, um Hoffnungsproduzenten zv werden — in der Kirche, in ihren Institutionen, in „weltlichen" Gebilden, in den Orden?

Kann Hoffnung in Institutionen, also auch in katholischen Interessenverbänden, gebüdet werden? Diese Bildung ist möglich. Wie schwer das ist, wissen alle, die je in ihrem Leben in Verbänden gearbeitet haben. Hoffnungsbildung ist hier, wie Demokratie, ein Sägen harter Bretter, eine Arbeit immer wieder im Horizont von „spes contra spem": Hoffnung, großgeschrieben, gegen die kleinen sq naheliegenden Hoffnungen des eigenen Interesses, des eigenen Verbandes.

Wenn hier die Hoffnung gewagt wird, den kommenden österreichischen Katholikentag nicht nur als Selbstdarstellung, sondern als plurale, vielschichtige, mehrdimensionale Bemühung um Selbsterhellungen, Selbstfindun-gen zu verstehen, dann ist ja das Ringen um das Gesicht, um die Praxis von Hoffnung eine Aufgabe, die bis zur letzten Minute vor der Eröffnung dieses Katholikentages in allen arbeiten sollte, die sich hier engagieren.

Hoffnung, die hinaus, nach vorne und hinüber führt: hinaus aus Selbstbefriedigung; hinaus aus dem kleinen gepflegten Garten, aus dem warmen Dunstkreis der eigenen „Gemeinde", „Gemeinschaft", nach vorne: die geistige, politische, wirtschaftliche, spirituelle Situation Österreichs offen ins Visier nehmend, konkrete Zielprojekte, konkrete Nah- und Fernziele in Stadt und Land, an Ort, ansprechend, anfassend, katholische österreichische Hoffnungsbildung in Zusammenarbeit von Menschen in Land und Stadt, in Jugend, die immer wieder patronisiert, überherrscht, gemaßregelt wird. Und Hoffnung nach vorne: in das „Reich der Himmel", in das „Königtum Gottes", in das Reich des Friedens, der Gerechtigkeit zielend.

Menschwerdung des Menschen also weiterzutreiben: hier, heute! Am Ort. Hoffnungsbildung in Osterreich, das an Hoffnungsarmut in der Ersten Republik zugrunde gegangen ist.

An der Sitzung des Katholikentagskomitees am 20. Februar kann Univ.-Prof. F. Heer aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Er stellte statt dessen der FURCHE einen Beitrag zur Verfügung, den wir auszugsweise wiedergeben.

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