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Frischmut - und ob

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Diese Abwandlung des Titels ihres vorletzten Buches, „Ida — und ob”, gilt durchaus; denn wie sich jene kleine Olive, ohne eine Miene zu verziehen, Ida nennt, so gibt sich Barbara Frischmuth bei ihren Geschichten unerbittlich konsequent den Namen der scheinbar verschiedenen Figuren und bleibt doch immer ein Teil von sich selber. Die Vielfalt der inneren Möglichkeiten wird nach außen projiziert, auf den Bildschirm des Buches, und durch das Stilprisma in seine Nuancen zerlegt. Wie bei so einem Vorgang aus Weiß die Farben sichtbar gemacht werden, aus denen es gebildet war, so er bt sich bei dem Sprachexperiment aus Barbara Frischmuth ein persönliches Prosa- spektrum, das sozusagen von Ultra- Barbara bis zu Infra-Frischmuth reicht, und erst am Ende, wenn man das Buch zugemacht hat und die artistischen Strahlen resümierend wieder bündelt, merkt man verblüfft, daß alles zusammen, ohne optische oder sonstige Täuschung Barbara Frischmuth ergibt.

Der dreiteilige Erzählband „Rückkehr zum vorläufigen Ausgangspunkt” ist nicht nur ein Lesebuch, er will wohl auch ein amüsant literarisches Lehrbuch sein für Leser, die gewillt sind, als solche weiterzukommen. Die Kindergeschichten des ersten Teiles lesen sich kinderleicht. Es geht einfach zu wie in einer Story, also wie gehabt. Freilich können die Kinder in diesen sechs Kapiteln manchmal unheimlich altklug werden, unnatürlich überlegen seih in ihrer natürlichen Unterlegenheit, doch könnte man in diesem Stadium der Lektüre das Unheimliche noch heimlich übersehen und die ganze Diktion drollig finden, bitte sehr. Der Obertitel des betreffenden Abschnittes lautet ja „Das Bild, das man sich macht”. So eine Haltung wird aber ‘bereits im folgenden Teil unhaltbar: „Dieses Wiedersehen mit Ihnen war seine Zeit wert” ist kein Wiedersehen mit altgewohnten Erzähltechniken mehr und war seine Zeit nur wert, wenn die Lesetechnik mitgegangen ist und sich angepaßt hat. Wenn ja, so mag man reif geworden sein und könnte aufsteigen in die nächste Klasse, in „Das bessere Leben”, das ohne weiters nach Istanbul führt, also weit weg vom Herkommen, und dort wird einem auch, falls man ordentlich durchgehalten hat, auf Seite 119 eine „Rückkehr zum vorläufigen Ausgangspunkt” vorgeführt. Alle Vorläufigkeit ist endgültig, Rückkehr bleibt chronisch und unvermeidbar, und der Ausgangspunkt wird immer wieder der gleiche sein: eben ein Ausgangspunkt. Fatalistischer Mut, revoltierender Fatalismus, all das mit stilistischer Brillanz bewältigt. Der Witz ist giftig, doch das Gift wird witzig verabreicht und wird auf diese Weise bekömmlich. Es dreht einem nicht den Magen um: Ein exquisiter Bitterer, der ihn einrichten will.

RÜCKKEHR ZUM VORLÄUFIGEN AUSGANGSPUNKT. Von Barbara Frischmuth. 131 Seiten. Residenz-Verlag, Salzburg 1973.

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