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Front gegen die USA?

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In Lateinamerika zeigt sich der weltweite Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auf einem und demselben Kontinent. Der mexikanische Präsident, Luis Eche- verria, kämpfte seit zwei Jahren um die „Neuordnung des Wirtschaftssystems” in der „Charter der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten”. Nach langen Beratungen im Rahmen der „77”, die in Wirklichkeit die hundert Entwicklungsländer repräsentieren, wurde diese Grundsatz-Erklärung in der UNO mit überwältigender Mehrheit (12 Stimmen dafür, 6 dagegen, 10 Stimmenthaltungen) angenommen. Echeverria sagte im letzten Augenblick sein für diese Gelegenheit geplantes spektakuläres Auftreten in der UNO ab, vermutlich, weil er eine persönliche Konfrontation mit den Industriestaaten vermeiden wollte. Aber die Lateinamerikaner wollen ihn, als Nachfolger Waldheims, zum Generalsekretär der UNO, und wegen der „Charter” für den Friedensnobelpreis vorschlagen.

Der Senator Charles W. Percy erklärte vor der zuständigen Kommission, daß für die USA — und wohl auch für die EWG — die Behandlung der Auslands-Investitionen ohne Rücksicht auf bestehende Verträge, die Vorschriften über Rohstoff-Kartelle und die Bindung der Industrie an die Rohstoffpreise unannehmbar seien.

Soweit die jetzt angenommene „Charter” in Betracht kommt, haben die Initiative des mexikanischen Präsidenten und die Beschlüsse der lateinamerikanischen CECON im chilenischen Vifla del Mar, sowie, die „Konferenz der 77” bahnbrechend gewirkt. Trotzdem haben acht lateinamerikanische Länder, unter ihnen Bolivien, Brasilien und Paraguay, gegen „Kapitel II” der Charter betreffend die souveräne Verfügung der Staaten über ihre Rohstoffe und die Kontrolle der multinationalen Unternehmen) gestimmt, während sich bei der ganzen Beschlußfassung 30 Entwicklungsländer der Stimme enthielten, zum Teil freilich deshalb, weil sie die Formulierung zu schwach fanden. Jedenfalls kann man nicht von einem Einheitsblock sprechen.

Noch deutlicher zeigte sich das bei der Abstimmung über die Zulassung Arafats. Von den „drei Großen” Lateinamerikas stimmte nur Argentinien für die arabische Sache. Brasilien, Mexiko und Venezuela, das sich in ganz besonderem Grade im Rahmen der Petroleum-Krise mit den Arabern verbündet hat, enthielten sich der Stimme. Man kann also nicht sagen, daß die afro-asiatische Mehrheit in der UNO in weltpolitischer Sicht mit lateinamerikanischer Gefolgschaft rechnen kann, so sehr auch diese Staaten auf der Suche anch Petroleum und Petrodollars ihre Farbe gewechselt haben.

Freilich können noch weniger die Industriestaaten auf Lateinamerika zählen, wobei Brasilien eine Ausnahme macht. Als Gegenspieler der USA treten in letzter Zeit immer mehr Mexiko, Venezuela und Peni auf. Möxiko, das die diplomatischen Beziehungen zu Chile aus ideologischen Gründen abgebrochen hat — ein für Lateinamerika völlig ungewöhnlicher Vorgang — droht, aus der OAS und dem TI AR (dem interamerikanischen Verteidigungsabkommen) auszuscheiden, wenn die „nordamerikanische Hegemonie” dort nicht gebrochen werde. Der venezolanische Präsident, Carlos Andrėz Pėrez, verlangt, daß die OAS nicht zerstört, sondern — mit ähnlicher Tendenz — gestärkt werde, fordert aber gleichzeitig eine eigene lateinamerikanische Wirtschaftsorganisation. Die Ausweisung der 150 Mitglieder des „Friedenskorps” aus Peru ist symptomatisch für die wachsende Gegnerschaft zu den USA. Sie wird durch die unbegreiflichen Erklärungen, mit denen der Direktor der CIA, William E. Colby, die Spionagetätigkeit in Lateinamerika als selbstverständlich bezedchnete, noch gefördert. Nun fehlt es weder in den USA noch in Lateinamerika an Stimmen, die Vorschlägen, Washington solle sich aus der OAS zurückziehen. Die herrschende Ansicht geht aber dahin, die USA mögen bis zu einem gewissen Grade für die Änderung der Statuten der OAS und des TIAN stimmen und gegen die Bildung einer ausschließlich lateinamerikanischen Wirtschaftsorganisation keinen Widerstand leisten.

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