7069541-1992_17_21.jpg
Digital In Arbeit

Frühling der Vielfalt

Werbung
Werbung
Werbung

Ungarn rief zum zwölften Mal alle Welt, gemeinsam den Frühling zu begrüßen - und in der Vorsaison die Hotels zu füllen. Das Angebot war kaum übersehbar, die herausragenden Höhepunkte schwer auszumachen. Wie sich das mit dem allerorten im Lande beklagten Geldmangel vereinbaren läßt, ist ein typisch ungarisches Geheimnis. Jeden Abend konnte man unter durchschnittlich fünf Konzerten wählen, dazu kamen Oper, Operette, Ballett, Schauspiel. „Europas Frühling" hieß das Motto und korrigierte damit diskret die vorherrschende Tendenz, alles Völkische und Bodenständige zu fördern.

Eines der Rezepte für ein großes Angebot ist die Kooperation. Künstler und Ensembles werden nach Budapest eingeladen, aber auch durch andere Städte geschickt. Der Schwerpunkt Frankreich (dem nächstes Jahr Kanada folgen soll) wurde mit starker französischer Unterstützung ermöglicht.

Neben Tanz und Musik gibt es auch bemerkenswerte Ausstellungen: Auf den ersten Blick sind es hübsche Bildchen, bei genauerem Hinsehen Entwürfe für Film-Szenarien - Alexandre Trauner hat ein halbes Jahrhundert hindurch die Erfolge berühmter Regisseure und Schauspieler ermöglicht, indem er die Ausstattung für deren Erfolge schuf.

Drei höchst unterschiedliche Künstler aus einer Emigrantenfamilie sind in einer Bürohaus-Galerie zu sehen: Vater ZsoltNemethy ging schon 1948 nach England und arbeitete vorwiegend als Restaurator. Seine Tochter Katalin wuchs in seiner Werkstatt heran und ging später - immer noch vorwiegend als Restauratorin-nach Düsseldorf. Sie heiratete Richard Veto, der 1956 Ungarn verlassen hatte und als Fotograf wie als Maler abstrakter

Bilder wirkte. Während Zsolt Neme-thy recht konventionelle Bilder hinterlassen hat, entwickelte die Tochter einen eigenen Surrealismus, der offenbar durch die Schule der Pop Art gegangen ist und sich zu den großen Vorbildern in ihrer jetzigen Wahlheimat Spanien bekennt: Dali und Gaudi.

Gesunder Kommerz dringt nun vielfach in die Tempel der Kunst ein. Kaum ein Konzertsaal oder Theater ohne den Shop, in dem man Andenken, Bücher, Schallplatten kaufen kann. In der ehrwürdigen Budapester Staatsoper ist ein Salon zur Kunstgalerie geworden.

Wer die Geschichte des ungarischen Theaters kennt, wo es vorrangig um Pflege und Durchsetzung der ungarischen Sprache ging, der wird auch im (international üblichen) Übergang zur Originalsprache in der Oper eine kleine Revolution erkennen.

Ganz leicht ist dies allerdings nicht: Wenn Wagners „Tannhäuser" auf deutsch gesungen wird, versteht der deutschsprachige Besucher ebenso wenig, wie der ungarische - nur diesem wird der Inhalt mit Leuchtschrift über der Bühne vermittelt.

Zum 200. Geburtstag Gioacchino Rossinis wurde dessen Oper „Moses in Ägypten" in einer merkwürdig halbherzig-modernen Inszenierung aufgeführt. Die Kostüme sind herkömmlich geschneidert, das Bühnenbild ist aus allerlei metallenem Gestänge und Treppenwerk konstruiert und kann das Aufbäumen der Fluten des Roten Meeres nur unvollkommen ima-ginieren. Ein Mangel an wirklich erstklassigen Stimmen ist spürbar, da Sänger mit den kargen Gagen schwer im Lande zu halten sind. Und Orchestermusiker plädieren für wenig Proben, damit sie ihren dringend benötigten Nebenverdiensten nachgehen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung