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Digital In Arbeit

Frust & Lust am Computer

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Die Modernisierung Österreichs darf vor der „Informationsgesellschaft“ (FUR- CHE-Dossier 6/1987) nicht halt machen. Hinter dem EDV-Einsatz steht aber selten ein Konzept.

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Die Modernisierung Österreichs darf vor der „Informationsgesellschaft“ (FUR- CHE-Dossier 6/1987) nicht halt machen. Hinter dem EDV-Einsatz steht aber selten ein Konzept.

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In Computer-Journalen wird oft das Bild gezeichnet, daß durch den Einsatz von Computern Büroarbeit für Sekretärinnen zum Kinderspiel werde — „papierloses Büro“ und „totale Kommunikation“ sind dabei die gängigen Schlagworte. Daß dem nicht ganz so ist, daß die Einführung EDVgestützter Textverarbeitung alleine schon Fortschritt bedeute, zeigt eine Studie des Sozialministeriums.

Michaela Moritz vom Referat für Bildung und Arbeitswissenschaft des ÖGB und die Berufsschullehrerin Eva Tepperberg befragten für ihre Studie „Frauen an Textautomaten — Rationalisierung im Büro“ zwanzig Arbeitnehmerinnen aus sechs Betrie ben. In die Umfrage einbezogen wurden auch Betriebsräte und Vertreter der Unternehmen.

Dabei wurden zahlreiche Mängel festgestellt:

• Die Anschaffung von Computern erfolgte großteils ohne entsprechende Planung. In allen untersuchten Betrieben wurden keine umfassenden Konzepte erstellt, sondern nur einfache Schriftgutanalysen und Wirtschaftlichkeitsanalysen vorgenommen.

• Äußerst spärlich war auch die Vorausinformation der Betroffe nen. In vier Betrieben wurde der Betriebsrat erst nach Abschluß der Planung informiert.

• Die Beteiligung des Betriebsrats beschränkte sich meist auf die Ausstattung der Räume, der Auswahl der Möbel und Hilfsgeräte. In keinem Betrieb beteiligten sich Arbeitnehmervertreter an der Geräteauswahl. Lediglich in einem Betrieb wurde die Umstellung in einer Betriebsratssitzung behandelt. Spezielle Betriebsvereinbarungen über die Textverarbeitung gab es in keinem Betrieb.

• Die betroffenen Arbeitnehmerinnen wurden erst nach der Aufstellung der Geräte aufgefordert, Vorschläge für eine effiziente Verwendung der Geräte zu machen. An der Auswahl der Geräte und der Software, die den späteren Arbeitsablauf und die Qualität des Arbeitsplatzes vorgeben, waren sie nicht beteiligt.

Dem Betriebsrat wurde vielfach Untätigkeit vorgeworfen — die Interessen der Frauen hätten bei ihm nicht so viel Gewicht. • Mit der Einschulung waren besonders jene Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen unzufrieden, bei denen diese in kurzer Zeit und oft auch in ihrer Freizeit (Selbststudium) oder parallel zur laufenden Arbeit erfolgte.

Daß die Unternehmer solche Schwierigkeiten oft gar nicht bemerken, zeigt eine 1984 von der Industriellenvereinigung erstellte Umfrage. 32 Prozent der Unternehmer gaben an, keine Probleme bei der Umstellung der Mitarbeiter zu haben, 57 Prozent sprachen von kleinen Problemen, und nur sechs Prozent gaben große Probleme zu.

Umfassende Veränderungen in der Arbeitsorganisation brachte die EDV-integrierte Textverarbeitung lediglich in einem Betrieb: zentrale Schreibbüros wurden aufgelöst, das Grup- pensystem im Verkauf eingeführt, das heißt, Teamsekretärinnen erledigen jetzt an sogenannten Mischarbeitsplätzen — sie führen mehrere Tätigkeiten mit und ohne Computer aus — alle Schreibarbeiten je einer Gruppe.

Die meisten Frauen sehen keine Verbesserung ihrer Qualifikationen. Die Kenntnisse in Maschin- schreiben, Stenographie und Formulieren seien nicht mehr so wichtig. Buchhalterische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse — obwohl Hauptinhalte in der Schulausbildung vieler Bürokräfte - würden nun kaum noch gebraucht.

Gefordert werde nun Bedienungsdenken. Bis zu hundert Funktionen müssen sich die Sekretärinnen jetzt merken. Diese „Zusatzqualifikation“ werde aber nicht honoriert.

Für die Autorinnen ergeben sich aus ihrer Unternehmung folgende Forderungen, die zum Teil gesetzlich abgesichert werden sollten.

• Die Beratungsverpflichtung des Betriebsinhabers muß erweitert werden. Der Betriebsrat soll alle notwendigen Informationen erhalten, die er zur umfassenden Beurteilung benötigt.

• In die Liste der erzwingbaren Betriebsvereinbarungen muß die menschengerechte Arbeitsgestaltung aufgenommen werden.

• Betriebsratsmitglieder sollen in allen diesen Fragen besser geschult, die Bildungsfreistellung deshalb auf vier Wochen erweitert werden.

Wolfgang Tritremmel von der Industriellenvereinigung hält die Forderung nach besserer Ausbildung und nach mehr und rechtzeitiger Information für berechtigt. Er weist jedoch gleichzeitig die Wünsche nach mehr Mitbestimmung als ideologisch motivierte Ansprüche der Gewerkschaften zurück.

Statt dessen sollten die Erkenntnisse der Arbeitswissenschaften, die in Österreich nach wie vor ein Schattendasein führen, vertieft werden. Im Bildungssystem werden deren Kenntnisse derzeit nicht vermittelt.

Ein verstärktes Bedürfnis nach Information stellt auch Johann Marki vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundeswirtschaftskammer fest. Nicht nur, daß die Zahl der Kursteilnehmer im Steigen ist, auch werde statt der anfangs angebotenen klassischen Programmiererausbildung verstärkt Wissen über sinnvolle EDV-Anwendung nachgefragt.

Diese Suche nach neuen Arbeitsstrukturen, die die Interessen der Arbeitnehmer, insbesondere der Frauen, besser berücksichtigen, ist schon deshalb wichtig, weil sonst die Möglichkeiten, die in der EDV stecken, nicht voll genutzt werden können. Die Arbeitswissenschaften müssen verstärkt auch das gesellschaftspolitische Umfeld mit einbeziehen — die Stellung der Frau zwischen Arbeit und Familie zum Beispiel. Auch in der Ausbildung bedarf es neuer Wege. Obwohl vor allem Frauen am Computer arbeiten, fehlen entsprechende — frauenspezifische — Denkansätze. So wurde im Frühjahr im Rahmen einer Enquete mit dem Titel „Computer herein — Mädchen hinaus?“ (veranstaltet vom Frauenstaatssekretariat) die Einrichtung von Frauentechnologiezentren gefordert, in denen sich Frauen einen eigenen Zugang zu den Neuen Informations- und Kommunikationstechniken erarbeiten.

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