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FS

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Wenn Lebensfreunde gehen, nicht mehr da sind, wenn die Kränze auf ihren Gräbern trok- ken werden und die Sorge um die Grabsteine die Hinterblie- benen ablenkt, kommt die Zeit, da auch die Freunde, die längst an anderes dachten, ganz plötzlich ihre, der Freun- de, Hinterbliebenheit spüren. Das Leben ist ja weitergegan- gen, wie es so seine Art ist, hat sich weiterereignet seit dem Tod des Freundes, der fürs ganze Leben gedacht war, als Lebensfreund eben, an den Tod war nicht gedacht in dieser Freundschaft.

Wir haben doch so oft über ihn gesprochen. Kein anderer und keine andere meiner Lebensfreunde hat oder hatte ein so unpathetisches, fast humorig-nahes Verhältnis zum Tod wie Du.

Ich war seither noch nicht wieder in Deinen Büroräumen, lieber FS - mit diesem Kürzel hast Du Dich selbst immer bezeichnet in Deinen kurzen, schriftlichen Nachrichten an mich, so stand es auf den Be- schriftungsbändern Deiner Tonkassetten, die Deine lan- gen Erläuterungen über Juri- stisches und Finanzielles Dei- nen „Klienten von der Kunst" näherbringen sollten. Themen, von denen Du aus langer, lan- ger Erfahrung wußtest, daß sie Deinen von Dir geliebten Künstlern durchaus nicht in Fleisch und Blut übergingen, wie sehnlich Du dies auch her- beierklären mochtest. Sondern für sie zum Teil die „böhmi- schen Dörfer" blieben, aus denen Du sie mittels geduldig- ster Aufklärung herausholen wolltest.

Mit Engelsgeduld, mit barok- ker Sprachgewalt, mit nie ver- siegender Freude am Thema hast Du doziert, bis zuletzt, als Du - schon durchsichtig ge- worden - an der Seite Deiner Frau in Eurem Wohnzimmer saßest. Dieses Wohnzimmer, das zur leisen Verzweiflung Deiner Frau eigentlich eher einem großen Büro ähnelt, in dem es aber eine lachende und eine weinende Maske gibt und Tonnen von gespeicherter Musik.

Zuletzt, als ich Dich noch sehen konnte. Du hast Deiner Frau beruhigend die Hand gehalten und einmal mehr mit der Dir eigenen „Lust an der Freud'" von der Anzahl der Tage gesprochen, die Du noch zu leben hättest. Daß Du verse- hen seist, sagtest Du, hier zu Hause, und daß Du nun nur mehr zu warten gedächtest. Alles sei in Ordnung.

Was ich denn zur weltpoliti- schen Lage sage und zum Wet- ter des heurigen Sommers. Du nanntest Deinen Krebs beim vollen Namen und jede Ziga- rette Deines Lebens einen Genuß.

Du warst immer erreichbar für mich. Tag und Nacht. Und wußtest immer, wo ich mich aufhielt. Ob Haifa, ob Mistel- bach, immer hattest Du meine Nummer.

FS, Du hast diesmal verges- sen, Deine Erreichbarkeit si- cherzustellen.

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