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Führung an der Leine

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Immer wieder werden neue Führungstechniken entwickelt, um die Leistungen der Mitarbeiter zu steigern. Warum Erfolge oft ausbleiben, liegt nicht bloß an den Methoden.

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Immer wieder werden neue Führungstechniken entwickelt, um die Leistungen der Mitarbeiter zu steigern. Warum Erfolge oft ausbleiben, liegt nicht bloß an den Methoden.

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Schon seit Jahren spricht man über die Wichtigkeit des Faktors „Mensch“ im Betrieb. In allen Lehrbüchern, Seminaren und Diskussionen wird man nicht müde, diese Tatsache zu betonen. Während der letzten beiden Jahrzehnte wurden viele „Führungstechniken“ entwickelt und vorgestellt, die die Motivation und Beitragsleistung der Mitarbeiter steigern helfen sollten. Ein Vergleich der Intensität dieser Diskussion mit der Realität in vielen Betrieben muß uns nachdenklich stimmen. Es geschah einerseits viel und andererseits doch so wenig. Wenig insofern, als tatsächlich die meisten Betriebe längst nicht die Leistungsfähigkeit aufweisen können, die sie aufgrund der vorhandenen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aufweisen müßten.

Warum? Waren alle diese Ansätze falsch? Nicht brauchbar? Vielleicht waren manche falsch; meistens aber sind sie beim Versuch der Umsetzung in die Praxis schiefgegangen. Man nahm sie als „Techniken“, als „Instrumente“ und versuchte sie einzusetzen, ohne die eigenen Werte und Einstellungen gegenüber Mitarbeitern zu ändern.

Ein häufiges Beispiel dafür ist das Konzept des „Führens mit Zielsetzung“: Gedacht, mit klaren Zielen Leistungsmotivation und Erfolgserlebnis bei Mitarbeitern zu fördern. Abgesehen von der Tatsache, daß viele Führungskräfte selbst nicht mit Zielen umgehen, geschweige denn anderen nahebringen konnten, oder auch selbst keine klaren Ziele von ihren Vorgesetzten bekamen, kann ein solches Konzept nicht wirken, wenn es von letztlich autoritär eingestellten Führungskräften angewandt wird. In einem autoritären Führungsklima wurde „Führen mit Zielsetzung“ nur zu einer neutraleren „Daumenschraube“ für die Mitarbeiter.

Dieses Beispiel mag für viele gelten und bringt uns einen wichtigen Schritt näher an die Problematik: Das Klima eines Unternehmens wird, und daran führt kein noch so schön klingender „neuer“ Führungsansatz vorbei, vom Verhalten der Führungs-kräfte an der Spitze des Unternehmens geprägt. Fehlende Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern und Unverständnis über die innere Dynamik einer sozialen Organisation wie ein Unternehmen, müssen wohl die Ursache für die Diskrepanz sein. Da beides fehlte, versuchte man, die eigentliche Führungsaufgabe, nämlich zu motivieren, zu begeistern, auf irgendwelche angebotenen „Führungsmodelle“ zu delegieren. Aber gerade die Gestaltung einer leistungsfähigen Unternehmenskultur ist eine der nicht delegierbaren Aufgaben der Unternehmensführung.

Die Wirkung ist ein grobes Auseinanderklaffen zwischen den Werten, die bei Weihnachtsfeiern und anderen „weihevollen“ Anlässen verkündet werden, und dem tatsächlichen Handeln der Führungskräfte selbst, wie es die Mitarbeiter tagtäglich beobachten können. Bemühen sich andere (meist jüngere) Führungskräfte, sich danach zu verhalten, werden sie deswegen kaum belobt oder berücksichtigt, manchmal sogar • müde belächelt.

Die „neue“ Herausforderung heißt also: Integrität im Handeln, indem man selbst beispielgebend vorangeht. Dazu gibt es die Theorie der „Doppel-Bindung“, die zeigt, wie problematisch diese Situation für die Betroffenen ist:

Wenn ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter auffordert, ihm offen zu sagen, was er als störend bei seinen Arbeitsbedingungen empfindet, kann die Aufforderung einen „paradoxen“ Charakter insofern haben, als der Mitarbeiter in der „Falle“ ist: Wenn er nämlich glaubt (ob zu Recht oder zu Unrecht, macht dabei keinen Unterschied), daß ihm offene Kritik

Nachteile einbringen kann, wird er der Aufforderung nicht nachkommen wollen. Kommt er ihr aber nicht nach, kann der Vorgesetzte nun behaupten, der Mitarbeiter sei ohnehin zufrieden, egal was er tatsächlich auf dem Herzen hat. Dadurch entsteht eine „Doppelbindung“, eine „Beziehungsfalle“. Doppelbindungen führen zu Beziehungen, die durch Mißtrauen, Vorsicht und „Sich-Zu-rückziehen“ charakterisiert werden können; Taktieren und Vorsicht sind angebracht; häufig entsteht auch ein gewisses Maß an Zynismus gegenüber diesen „Zumutungen“.

Ein Vorgesetzter war einmal ganz verwundert und auch verärgert, daß seine Führungskräfte „nicht die Freiräume nutzen wollten“, die er ihnen seiner Meinung nach bot. Auf seine Äußerung: „Sie können alles entscheiden und durchführen, was Sie für gut empfinden, solange Sie Erfolg haben!“ geschah seiner Meinung nach praktisch keine Änderung im selbständigen Agieren der Mitarbeiter. Aber wie hätte es denn auch geschehen können? Die Mitarbeiter hatten allen Grund, diese Freizügigkeit aufgrund ihrer Erfahrungen anzuzweifeln. Zum anderen war ihnen vollkommen unklar, was ihr Vorgesetzter im speziellen Fall wohl unter „Erfolg“ verstehen würde.

Wir brauchen keine „neuen“ Führungstechniken — es ist an der Zeit, das zur Verfügung Stehende durch eigenes Vorleben umzusetzen. Das ist die eigentliche Herausforderung. Sie war immer da, aber man hat versucht, sich ihr nicht zu stellen. Statt dessen zieht man sich noch oftmals mit der Bemerkung zurück: „Das ist ja nur alles Gerede; das bringt ja nichts!“ - Wie wahr!

Der Autor ist Geschäftsführer des Managementinstitutes der Industrie.

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