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Digital In Arbeit

Fünf gewonnene Jahre

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Ein heißes Eisen anfassen, eine heilige Kuh schlachten und sich damit aufs Glatteis begeben, das wären die gängigen Metaphern für den folgenden familienpolitischen Vorschlag.

Die Frauen im Beruf, die derzeit mit dem Ruf „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit/“ die soziale

Gleichberechtigung mit ihren männlichen Kollegen fordern, erwerben und behalten im gleichen Atemzug das wohlerworbene Recht, fünf Jahre früher pensioniert zu werden.

Von dem Tag an, an dem die von den Gewerkschaften geforderten Gleichstellungen vollzogen sind — was zu wünschen und zu erwarten ist — haben die Frauen im Beruf damit ein Privileg von fünf Pensionsjahren, dem bei genauer Betrachtung noch ein kleineres hinzuzurechnen ist: Österreicherinnen rücken außerdem nicht zum Bundesheer ein.

Und da ich, diese offenliegenden Tatsachen offen aussprechend, den Anspruch ein Kavalier zu sein ohnehin verwirkt habe, füge ich noch hinzu: Jene frühkapitalistischen Zeiten, in denen ausgemergelte Arbeiterinnen früher sterben mußten, sind vorbei. Die Lebenserwartung der Frauen ist größer als die der Männer. Soziale Gleichstellung der Geschlechter hieße somit auch Verzicht auf fünf Jahre Pensions-Privileg.

Das gilt für alle Frauen, die im Berufsleben tüchtig ihren „Mann“ stellen.

Nicht aberfür jene, die noch eine zusätzliche Belastung auf sich nehmen, als Hausfrau und Mutter. Für diese wären die fünf Jahre eine Art Entschädigung für ihre Doppelbelastung. Es fragt sich nur, ob der Zeitpunkt, zu dem ihnen diese fünf Jahre geschenkt werden, richtig ist.

Es ist zwar erfreulich und angenehm, mit rüstigen 55 oder 60 Jahren ein neues Leben als Pensionistin zu beginnen, aber in vielen Fällen fällt den Frauen da der Abschied aus dem Beruf sogar schwer. Denn eben in diesem Alter wird die Frau - es sei denn als Großmutter- daheim gar nicht so dringend gebraucht. Nicht selten leidet sie unter dem „Pensions-

Schock“ und fühlt sich überflüssig oder vereinsamt.

Dieselben fünf Jahre aber wären für eine Hausfrau und Mutter ein Geschenk des Himmels gewesen, hätte sie sie als „Karenzzeit“ damals bekommen, als die Kinder klein und der Haushalt im Aufbau waren.

Womit einmal die Frage beantwortet wäre, wie utopisch eigentlich die Forderung nach fünf Karenzjahren ist.

Nämlich gar nicht. Wir müßten nur einmal den Mut zur Veränderung, den Blick fürs wirklich Notwendige, die Organisation einer neuen Einteilung haben.

Ist es vorstellbar, daß weibliche Solidarität mit den Müttern das nötige Verständnis aufbringt? Ist es vorstellbar, daß Österreichs Arbeitgeber künftig die Kraft der älteren Mitarbeiterinnen mehr schätzen als die junger Mütter, die vom Arbeitsplatz nach Hause hasten, um ihre Familien zu versorgen? Ist es vorstellbar, daß der österreichische Gewerkschaftsbund der Familienpotitifc soviel Wert beimißt, daß er einen solchen Vorschlag überhaupt überlegt?

Der Denk-Anstoß ist da. Die Sozialpolitik ist am Zug.

Und noch dazu am sogenannten Vatertag, an dem ich mir keine neue Krawatte wünsche.

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