6969731-1985_25_27.jpg
Digital In Arbeit

Fünf Stunden bis zum Klafferkessel

19451960198020002020

Vim van der Kallen und Hans Hödl erkundeten und beschrieben die noch intakten, aber von den verschiedensten Faktoren gefährdeten Naturlandschaften Österreichs.

19451960198020002020

Vim van der Kallen und Hans Hödl erkundeten und beschrieben die noch intakten, aber von den verschiedensten Faktoren gefährdeten Naturlandschaften Österreichs.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie schwer es sein kann, einen größeren Landschaftsbereich zu schützen und damit vor einer künftigen Beeinträchtigung zu bewahren, das zeigt das Vorhaben, im schönsten Teil der Niederen Tauern einen Nationalpark mit der Kernzone Hochgolling und Klafferkessel zu errichten. Obwohl seit Jahren Bemühungen dafür im Gange sind, konnte über das Stadium des Wollens und Planens einiger Idealisten hinaus bisher leider nichts Konkretes erreicht werden.

Mit dem Naturpark Sölktäler ist ein weiteres Gebiet der Schladminger Tauern in dieses Buch aufgenommen worden. Die Landschaft und die beiden Talfurchen der Kleinen und Großen Sölk werden von den vielen Bachläufen, Wasserfällen und Seen geprägt. Dazwischen ragen die waldreichen steilen Gipfel auf, die in ihrer Einsamkeit Naturlandschaften repräsentieren. Zwei Wasserschaupfade führen in die Geheimnisse des Wasserhaushaltes im Gebirge ein.

Als Rest eines ehemaligen größeren Hochmoores ist das Pürg-schachener Moor bei Ardning Beispiel für andere. Leider ist durch den Torfabbau vieles bereits zerstört. Wie wichtig diese kleine Naturlandschaft aber ist, geht auch daraus hervor, daß es vom „World Wildlife Fund” als eines der letzten intakten Hochmoore gepachtet und zum Naturreservat erklärt wurde.

Bewußt wurde das Hochmoor auf dem Naßköhr in diesem Buch nicht eigens vorgestellt. Diese rund 1000 Hektar große Moorfläche könnte durch zu großen Besucherandrang eine Störung erfahren, die nicht beabsichtigt sein kann.

Dagegen wird mit dem Dürnberger Moor im Naturpark Gre-benzen ein anderes Hochmoor gezeigt, das aufgrund seiner Einrichtungen (Aussichtsturm) auch größeres Interesse verträgt. Die eindrucksvolle Karstquelle bei Zeutschach und das Vogelschutzgebiet des Furtner Teiches sind im selben Naturpark gelegen.

Aber auch hier zeigt gerade der Bade- und Bootsbetrieb am Furtner Teich die Grenzen eines „Natur ”-Parks deutlich auf!

Ein Gemsenparadies

Als Hochplateaufläche der Kalkalpen mit ihren charakteristischen Karstformen ist der Hochschwabzug bekannt, der auch als Gemsenparadies jedem sich ruhig verhaltenden Wanderer den Anblick dieses Hochgebirgswildes beschert. Daß es hier zwei zumindest urwaldähnliche Waldreste gibt, wissen nur wenige: den Sackwald und den Schafwald. In beiden soll man unbedingt auf den vorgegebenen Wegen bleiben. Im Schafwald ist dies zur eigenen Sicherheit sogar unbedingt erforderlich, da man sich bei Verlassen des Weges sehr leicht verirren kann.

Das Durchbruchstal der Raabklamm durch den Schöckelkalk ist zwischen Arzberg und Mor-tantsch eine sehenswerte Naturlandschaft — vor allem im nördlichen Teil. Die dichten Mischwälder und die reichhaltige Flora dieser im Bachbereich von keiner Störung beeinträchtigten Landschaft schaffen das ganze Jahr über eine äußerst reiche Vegetation. Der Frühling und der Herbst in der Raabklamm gehören zu den schönsten Naturerlebnissen im Nahbereich von Graz.

40.000 Vogelgäste

Obwohl von Menschenhand geschaffen, daher nicht primär als Naturlandschaft anzusprechen, gibt es in der Steiermark ein Schutzgebiet, das außergewöhnlich viel „Natur”, sprich Wasservögelarten, zeigt. Gemeint ist der Gralla-Stausee der Mur, eingebettet in die Reste der großen Auwälder zwischen Wildon und Leibnitz. An die 40.000 Vögel machen pro Jahr hier als Durchzugsgäste Rast oder nisten als Brutvögel.

Kein österreichisches Bundesland besitzt so viele gesetzlich geschützte Gebiete wie die Steiermark. Das aber heißt — wie die Vergangenheit gezeigt hat — noch lange nicht, daß gravierende Veränderungen in der Landschaft unterbleiben. Die vorgelegten Naturlandschaften mögen durch ihre Schönheit dazu beitragen, daß immer mehr Menschen sich für die Erhaltung dieses kostbaren Gutes einsetzen.

Die Schladminger Tauern gehören zu den Niederen Tauern, die die Fortsetzung der Hohen Tauern nach Osten darstellen. Sie reichen vom Radstätter Tauernpaß bis zum Sölkpaß. Seit 1977 ist für dieses fast 60.000 Hektar große Gebiet mit seinen über 300 Seen und 150 Wasserfällen ein „Nationalpark Niedere Tauern” geplant. Kernstück des in Aussicht genommenen Nationalparks ist der berühmte Klafferkessel, jene Plateaufläche östlich des Hochgolling in ungefähr 2300 Metern Höhe mit ihren 30 kleinen, aber auch größeren Gebirgsseen. „Das siebente Weltwunder der Steiermark” nennt Professor Liselotte Buchenauer den Klafferkessel; und wer diese grandiose Naturlandschaft, die noch durch keinen Eingriff des Menschen gestört ist, zum ersten Mal erlebt, ist von der „Märchenwelt” verzaubert. Dunkle tiefe Wasser, lichte Lacken und ausgedehnte Bergseen ruhen auf teilweise übereinanderge-schichteten Stufen zwischen den Urgesteinsfelsen der Niederen Tauern. Darüber ragen die Gipfel empor, deren Spitzen und Schneeflecken sich auf den Wasserflächen spiegeln. Durch die Schürfarbeit der Gletscher in der Eiszeit ist hier wahrscheinlich ein Gebirgsstock abgetragen und verlagert worden. In den Plateaumulden sammeln sich seither die Wasser. So verdanken wir den großen Eiszeitgletschern dieses Naturwunder der Ostalpen.

Farbe in der Kargheit

Aus der kargen Vegetation leuchten die Farbtupfer von Enzian- und Steinbrecharten, von Polsternelken und Margeriten.

Der Weg in den Klafferkessel ist einigermaßen beschwerlich, der kürzeste Anstieg aus dem Untertal bei Rohrmoos dauert über den Riesachsee und die Preintalerhüt-te mindestens fünf Stunden. Vielleicht ist das ein Grund, daß der Klafferkessel bisher als Naturlandschaft unangetastet blieb.

Den Riesachwasserfall entlang, schlängelt sich der steile Anstieg auf die Geländestufe der oberen Gföhleralm, deren Boden nach Osten vom breiten Riesachsee ausgefüllt wird. Den See entlang führt der Weg über die Kersch-baumeralm, dann zur Preintaler-hütte, von der der Pfad steil zur unteren Klafferscharte und damit zum Beginn des eigentlichen Klafferkessels führt.

Hier fängt das Erleben dieser großartigen Landschaft an. Es bleibt nur zu hoffen, daß der Nationalpark Niedere Tauern sobald als möglich realisiert werden kann, damit durch seine Verwirklichung die Garantie gegeben wird, diese Naturlandschaft für immer zu erhalten.

Aus: „Gefährdete Paradiese” von Wim van der Kaller! und Hans Hödl, Styria Verlag, Graz 1985.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung