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Fünfte Kolonne im Priesterrock?

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„Bayern dem Innviertel angegliedert - Jahrhundertealter Traum wird wahr!" oder „General Spannocchi vor Belgrad - Auf den Spuren des Prinzen Eugen!" Das Ganze klingt so absurd, daß man nicht einmal darüber lachen kann. Nach der Meinung mancher Herren Zivildiener scheinen solche Wunschvorstellungen jedoch zur hervorstechenden Denkungsweise österreichischer Militärs zu gehören. Von Aggressivität des Bundesheeres wird da geredet, von Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen.

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„Bayern dem Innviertel angegliedert - Jahrhundertealter Traum wird wahr!" oder „General Spannocchi vor Belgrad - Auf den Spuren des Prinzen Eugen!" Das Ganze klingt so absurd, daß man nicht einmal darüber lachen kann. Nach der Meinung mancher Herren Zivildiener scheinen solche Wunschvorstellungen jedoch zur hervorstechenden Denkungsweise österreichischer Militärs zu gehören. Von Aggressivität des Bundesheeres wird da geredet, von Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen.

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„Österreich beteiligt sich am Welt-Wettrüsten" - jetzt wissen wir es. Ein offenbar fachkundiger Zivildiener (Franz J. Weißenböck, FURCHE 8/1980) hat eben scharfsinnig konstatiert, schon durch die bloße Diskussion über die Anschaffung von Abfangjägern (denen alle Experten, militärisch gesehen, bestenfalls Polizeifunktion zuordnen) und Panzerabwehrraketen (deren Aggressivität sich schon aus ihrem Namen ergibt) drehe Österreich weiter an der Rüstungsspirale.

Mitschuld daran ist - so lesen wir weiter - eine Militärseelsorge, die, scheinbar unzureichend in Systemkritik geschult, es unterläßt, die Soldaten von ihrem eigenen verwerflichen Tun zu überzeugen. Was not tut, ist offenbar eine fünfte Kolonne im Priesterrock.

Nun hat sicher jeder von uns irgendwann einmal dummes „militaristisches" Zeug von irgendeinem Hauptmann oder Vizeleutnant reden gehört. Dies pauschal dem „Militär" vorzuwerfen, wäre ebenso dumm und unfair, wie wenn ich dem Herrn Zivildiener vorhielte, daß auch die Herren Palmers-Entführer und Baader-Meinhof-Sympathisanten als Zivildiener „überzeugende" Gewissensgründe dafür zu erkennen gäben, daß sie die Anwendung von Waffengewalt unbedingt und in jedem Falle verabscheuten.

Gewaltlosigkeit ist gut und schön. Ich fände es auch praktischer, meine Wohnungstüre nicht zu versperren. Solange jedoch potentielle Nachfolger des Herrn Kniesek frei spazieren gehen, ziehe ich vor, mein Schloß zu verriegeln. Ich hoffe, mir damit nicht den Vorwurf zuzuziehen, ich verhinderte die Resozialisierung von Einbruchsdieben.

Das Gleiche gilt für das Bundesheer: Solange zwei Autostunden von jedem Österreicher entfernt einige Dutzend Panzerdivisionen in Bereitschaft liegen, ziehe ich es vor, auf Gewaltlosigkeit zu verzichten.

Der Landesverteidigung deshalb vorzuwerfen, sie sei aggressiv und führe zum Krieg, ist blanke Heuchelei. Gerade in Österreich: Etwas weniger Aggressives als das österreichische Bundesheer läßt sich kaum vorstellen. Spannocchi in Belgrad - das wird sicher nicht gespielt.

Nun möchte ich keineswegs einem Teil der Herren Zivildiener eine persönlich durchaus anständige Motivation absprechen. Um falschem Verdacht vorzubeugen: Das Gleiche gilt auch für den durchschnittlichen russischen Muschik. Realistisch besehen, kann ich jedoch nicht umhin, festzuhalten, daß die Advokaten von Gewaltlosigkeit und Wehrdienstverweigerung de facto das Geschäft von jenen betreiben, die „Frieden in der Welt" zumindest etwas anders verstehen als wir.

Ich glaube auch kaum, daß es ein Zufall ist,,daß ein Großteil der Mittel, die östliche Geheimdienste für subversive Tätigkeit aufwenden, in Tarnorganisationen geht, die als irgendwelche „Friedensbewegungen" fungieren. Von Clausewitz ist ein kluger Ausspruch überliefert, welcher besagt, am meisten hasse den Krieg der Aggressor, er würde am liebsten kampflos in unser Land einziehen.

Es ist meines Erachtens ein gefährlicher Trugschluß, zu glauben, Wehrdienstverweigerung sei etwas besonders Christliches. In Wahrheit liegt ihr nämlich die Auffassung zugrunde, es gebe kein größeres Gut als das Menschenleben. Wenn dies ein Atheist sagt, so ist das nur logisch. Ein Christ hingegen muß geradezu davon ausgehen, daß es eben Dinge gibt, die über das Leben hinausgehen, die mehr sind als das Leben. Christ sein muß in sich die latente Bereitschaft tragen, für seinen Glauben auch das Äußerste - eben das Leben - zu geben.

In gleicher Weise wie die Liebe zu Gott verpflichtet jedoch auch die Liebe zu den Mitmenschen, so daß diese Bereitschaft eben nicht nur für den Glauben, sondern auch für die

Mitmenschen gelten sollte. Christus spricht dies auch klar aus, wenn er sagt, daß „niemand eine größere Liebe hat als der, der sein Leben gibt für seine Freunde." Dies ist die Quintessenz christlichen Soldatentums: bereit sein, sein Leben einzusetzen für seine Familie, seine Gemeinschaft, sein Land.

Und wenn schon von Verantwortung die Rede ist: Ich wüßte einen Punkt, wo es mir sehr am Herzen läge, wenn unsere Militärseelsorger einmal nicht so autoritätstreu wären, wie ihren dies vorgeworfen wird, und zwar gerade aus Verantwortung; wo sich endlich einmal ein Aufschrei erheben müßte über die Art, wie leichtfertig bei uns Menschenleben riskiert werden! Ich meine, unsere Militärdekane müßten endlich einmal aufstehen und sagen, daß es ein Skandal ist, mit welcher Ausrüstung die österreichischen Soldaten im Ernstfall kämpfen sollen!

Im Klartext: Es gibt in der Bewaffnung des Bundesheeres Schwachstellen, insbesondere im Bereich der Panzer- und Fliegerabwehr, die jeden Kampfeinsatz zum Himmelfahrtskommando machen. Ich möchte endlich einmal einen Militärseelsorger erleben, der aufsteht und den Politikern sagt, was für ein verbrecherischer Leichtsinn es ist, seine Burschen ohne entsprechende Waffen einem modernen Gefecht auszusetzen.

Österreichs sicherheitspolitisches Vorbild ist die Schweiz. Seit vielen Jahrzehnten wird dort mit Energie, Umsicht und (zum Unterschied von Österreich) auch mit finanzieller Opferbereitschaft ein Krieg vorbereitet, der nicht stattfinden soll und auch nicht stattgefunden hat. Ich meine, auch vom Standpunkt der Religion ist dieses System nicht das schlechteste: eine Gesellschaftsordnung, die ihren Frieden in Freiheit bewahrt -einer Freiheit, die gerade auch das Bekenntnis der Religion ermöglicht.

Der Autor ist Leutnant der Reserve. Die Serie wird fortgesetzt.

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