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Fünfundzwanzig Jahre danach

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Das Jahr 1968 ist durch die Studentenrevolten markant geworden. Sie haben eine tiefgreifende Veränderung in der Gesellschaft ausgelöst, vor allem auch in Hinblick auf die Bewertung der Sexualität. Man brach bewußt viele Tabus und sprach stolz von einer sexuellen Befreiung. Es fällt auf, wie seither in Literatur, Film und Schauspiel das Thema Sexualität ganz anders behandelt wird. Für das persönliche Verhalten sind neue, sehr subjektive Wertmaßstäbe entstanden.

25 Jahre nach dieser „Revolution” müßte man sich fragen, was das alles für die Gesellschaft, für Ehe und Familie und für den einzelnen gebracht hat. Gibt es schon die unbefangene, sachliche Rede darüber? Ist eine neue Wertordnung gefunden worden, die der Würde des Menschen und seiner Natur gerechter wird? Man hat sich von überkommenen Normen befreit. Sind nicht neue Zwänge durch propagierte Verhaltensweisen entstanden? Läuft so eine stark konsumorientierte Gesellschaft nicht Gefahr, auch den Partner nur als Objekt zu sehen? Wachsende sexuelle Not und Orientierungslosigkeit sprechen der angestrebten „Befreiung” Hohn.

Ebenfalls 1968, am 25. Juli, wurde die denkwürdige Enzyklika „Humanae vitae” veröffentlicht. Das zeitliche Zusammentreffen ist bedeutsam. Die Aufbrüche der Gesellschaft waren damals schuld, daß die Medien ihr Interesse lediglich auf die Empfängnisverhütung reduzierten. Paul VI. stand aber unter der besonderen Last, beginnenden Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Dies gelang jedoch nicht. Die wunderbaren Darlegungen über Sinn und Ziel von Ehe und Familie wurden kaum beachtet, die Aussagen über die Empfängnisregelung aber weitgehend nicht akzeptiert. Seither hat die katholische Kirche in Fragen der Ehemoral an Vertrauen verloren.

25 Jahre danach ist es zuwenig, nur die einmal gemachte lehramtliche Entscheidung mit allen Mitteln zu verteidigen. Es müssen die Entwicklungen seither unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und theologischer und humanwissenschaftlicher Disziplinen und im Hinhören auf die Betroffenen kritisch geprüft werden. Es sollte die neue Sicht der Ehe, wie sie das Konzil dargeboten hat, noch viel deutlicher verkündigt und konsequenter weitergedacht werden. Zum Beispiel die Neuformulierung der Zielbestimmungen der Ehe.

Zeugung und Erziehung der Kinder und die gegenseitige Liebe der Gatten bilden nun gemeinsam das Ziel der Ehe. Keiner der beiden Zwecke ist dem anderen unterzuordnen. Das gilt auch für das Prinzip der „verantworteten Elternschaft”. Das Urteil darüber „müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen.” Das Lehramt kann und soll dafür keine Entscheidungshilfen geben.

25 Jahre danach: Die Fragen sind brennender geworden. Nach überzeugenderen Antworten müssen alle noch suchen.

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