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Für begleitende Kontrolle

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FURCHE: Seit Wochen ist Jörg Kandutsch in den Schlagzeilen. Belastet der Schatten des offenbar nur formal in den Ruhestand getretenen Amtsvorgängers den neuen Präsidenten?

PRÄSIDENT BROESIGKE: Nein, keineswegs. Dr. Kandutsch ist nicht nur formal als Präsident in den Ruhestand getreten. Er hat aber die ganze AKH-Sache in seiner Amtszeit geprüft und nun eine konkrete Funktion beim Weiterbau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses übernommen. Ich begrüße das.

FURCHE: Der pensionierte Präsident wird mit vom Rechnungshof ausgeborgten Beamten die begleitende Kontrolle beim AKH-Bau übernehmen. Hätte das nicht auch der amtierende Präsident mit seinen Beamten tun können?

BROESIGKE: Nein. Die Bundesverfassung weist dem Rechnungshof die Prüfung der Gebarung bestimmter Unternehmungen zu. „Gebarung" setzt eine abgeschlossene Rechnung voraus, bedeutet also Kontrolle im Nachhinein.

FURCHE: Das ist die übliche, aber nicht die zwingende Auslegung. Man könnte durchaus auch jetzt schon bei großen Bauvorhaben im voraus Gebarungsakte setzen und damit die Prüfungsvoraussetzung schaffen.

BROESIGKE: So lege ich den Verfassungsauftrag nicht aus. Dazu kommt auch noch die praktische Unmöglichkeit. Ich habe hiereinen Personalstand von 250 Personen. Wenn für alle großen Projekte die begleitende Kontrolle beansprucht würde, wäre die eigentliche Gebarungskontrolle unmöglich.

FURCHE: Aber jetzt borgt sich Präsident Kandutsch ja auch bei Ihnen Beamte aus!

BROESIGKE: „Ausborgen" ist nicht der richtige Ausdruck. Es geht 'nur um zwei Beamte, die im Rechnungshof karenziert würden und mit ihm arbeiten werden, weil sie mit der Materie bestens vertraut sind.

FURCHE: Was macht Ihrer Meinung nach d.is Wesen dessen aus. was man AKH-Skandal nennt? Ist es nur

ein Fall von „Steuerschonung", wie Vizekanzler Androsch meint?

BROESIGKE: Es ist noch viel zu früh, darüber ein endgültiges Urteil zu fällen. Dazu ist die gesamte Prüfung noch zuwenig weit fortgeschritten. Der Bundeskanzler selbst sprach von einer „Mafia". Das ist eine Organisation, die sich nicht nur mit Steuerschonung befaßt ...

FURCHE: Von AKH-Details einmal abgesehen: Wo liegen Problemgebiete im öffentlichen Bauwesen?

BROESIGKE: Schon als Parlamentarier habe ich seit Jahren die Auffassung vertreten, daß sich die Rechtsformen des Handelsrechtes zwar für verstaatlichte Industriebetriebe eignen, die Gewinne machen sollen, aber nicht für Projekte, die nicht auf Gewinne angelegt sind, sondern nur möglichst wirtschaftlich durchgeführt werden sollen. Dafür muß man neue, passende Rechtsformen entwickeln - und dazu auch eine interne Kontrolle vom Auftraggeber her installieren.

FURCHE: Sind Sie auch, wie Ihr A mtsvorgänger von sich sagte, ein A us-schreibungsfetischist?

BROESIGKE: Dr. Kandutsch liebt farbige Formulierungen. Auch ich bin für eine verbesserte Ausschreibung, dies schon deshalb, weil sich erfahrungsgemäß oft die Spitze eines Mißstand-Eisberges in Form einer schlampigen Ausschreibepraxis zeigt. Aber auch die öffentliche Ausschreibung ist natürlich kein Allheilmittel.

FURCHE: Schon heißt es, österreichische Firmen bekämen keine Auslandsaufträge mehr, weil Provisions-nehmer befürchten müßten, öffentlich in Skandale verwickelt zu werden, während andere Staaten weiter diskret schmieren. Sollen Schmiergelder für A uslandsaufträge weiter geduldet werden?

BROESIGKE: Ich bin nicht dafür, daß österreichische Unternehmer im internationalen Wettbewerb gewissermaßen mit einem Messer gegen Konkurrenten mit Maschinengewehren auftreten müssen. Aber ich bin auch gegen jeden Persilschein im voraus. Das muß schon im konkreten Einzelfall beurteilt werden, insbesondere in der Richtung, ob gesetzliche Vorschriften verletzt werden.

FURCHE: Haben Sie jemals Anhaltspunkte dafiir gefunden, daß österreichische Parteien auf dem Weg über Provisionsrückflüsse zu Geld gekommen sind?

BROESIGKE: Mir liegen keine Beweise oder Unterlagen vor, die einen wesentlichen Verdacht in dieser Richtung rechtfertigen würden.

FURCHE: Ist diese vornehme Formulierung amtsbedingt oder gleichzeitig auch ein Nasenreiberlfür den neuen FPÖ-Obmann Steger, der ganz konkret von einem solchen Verdacht sprach, ohne ihn beweisen zu können?

BROESIGKE: Amtsbedingt, aber auch wissensbedingt. Ich gehe von dem aus, was ich weiß. Es ist ohne weiteres möglich, daß Dr. Steger mehr weiß als ich.

FURCHE: Teilen auch Sie die Meinung, daß in Österreich viele A ufsichts-ratsmitglieder nicht dem Erfordernis des Obersten Gerichtshofes entsprechen, ,,in wirtschaftlichen und finanziellen Belangen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen als ein durchschnittlicher Kaufmann" mitbringen zu müssen?

BROESIGKE: Selbstverständlich, Außerdem wird vielfach das Wesen eines Aufsichtsrates verkannt. Manche Mitglieder vertreten darin die Interessen eines anderen Unternehmens, andere vertreten Parteiinteressen, wieder andere haben laut Gesetz Dienstneh-merinteressen zu vertreten. Da muß es bisweilen zu Interessenkollisionen kommen. Solche wird es in einer Rechtsordnung immer geben. Ich habe nur den Eindruck, daß sie heutzutage oft zu leicht genommen oder überhaupt verdrängt werden.

FURCHE: Und die Überforderung von Personen, die wie die AKH-Aufsichtsratsspitzen Waiz und Horny eine Vielzahl wichtiger Positionen nebeneinander ausfüllen sollen, was schon rein zeitlich unmöglich ist?

BROESIGKE: Es ist verständlich, daß man die tüchtigsten und vertrauenswürdigsten Personen immer wieder sucht, wenn eine solche Aufgabe zu vergeben ist. Das gilt auch Tür die genannten Herren, die ich nach meinem persönlichen Eindruck für ehrenwerte Männer halte. Aber die Frage ist schon, ob nicht auch die Tüchtigsten durch eine Häufung wichtiger Positionen überfordert sind.

Mit dem Präsidenten des Rechnungshofes sprach Hubert Feichtlbauer

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