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Für Bildung und Genuß

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FURCHE: Herr Ministerialrat, Sie kommen aus dem Außen- in das Wissenschaftsministerium und finden als neuer Leiter der „JSektion III. Museen, Bibliotheken und Denkmalschutz“ eine Museumslandschaft vor, in der vieles in Fluß ist, manches nach einer Entscheidung drängt. Wie sieht Ihr Konzept aus?

JOHANN MARTE: Ich war von 1974 bis 1982 Kulturrat in Moskau und vorher von 1970 bis 1974 am österreichischen Kulturinstitut in Warschau. In diesen Funktionen habe ich das gleiche Ziel gehabt wie jetzt: den Menschen zu zeigen, welche Schätze Österreich besitzt. Und ich war und bin bestrebt, das auf kulinarische Art zu machen. Meiner Meinung nach sind Museen Mittler zwischen der Forschung und dem Laien und sollen mit ihren Sammlungen Bildung und Genuß verschaffen.

FURCHE: Das heißt, Sie sind ein Befürworter der neuen Museumspädagogik?

MARTE: Ganz richtig. Ich möchte in einer Zeit, in der alles mathematisiert wird und der Mensch Befreiung im Künstlerischen sucht, das Künstlerische so aufbereitet wissen, daß Ratio und Emotio angesprochen werden. Ich möchte, daß der Besucher auf die Exponate vorbereitet wird, damit er sie und die Umwelt, in der sie entstanden sind, begreift und Freude an ihnen hat.

FURCHE: Dazu gehört aber mehr Geld, mehr Personal und

mehr Raum, als die einzelnen A b-teilungen derzeit zur Verfügung haben.

MARTE: Natürlich. Seitens des Bundes geschieht bereits einiges zur Verbesserung der Situation. So erhalten die Museen heuer um acht Millionen Schilling mehr an Subvention als 1985: für Anlagen (Maschinen, Einrichtungen) 40,768.000 Schilling, für Förderungsausgaben 21,060.000 Schilling, für die Prinz-Eugen-Ausstellung allein acht Millionen Schilling und für Aufwendungen (Instandhaltung, Miet- und Pachtzinsen, Transporte) 73,361.000 Schilling.

Darüber hinaus wird allenthalben renoviert und saniert, wie im Natur- und im Kunsthistorischen Museum, in der im Herbst fertig werdenden Schatzkammer, im Volkskundemuseum, im Palais Lobkowitz, das die Theatersamm-lung aufnehmen wird, und im Museum für Angewandte Kunst, wo Stützen und Betonpfeiler die durch Setzungen entstandene Gefahr bereits behoben haben.

FURCHE: Das Museum für Angewandte Kunst bekommt bekanntlich in der Person von Peter Noever einen Direktor, der sich sehr von seinen Vorgängern unterscheidet; einen Mann, der nicht wissenschafts-, sondern praxisorientiert ist. Darf man den Fall Noever als ein Beispiel sehen, das Schule machen wird?

MARTE: Es ist ein Versuch, der —je nach Ergebnis — entsprechende Folgen haben wird.

FURCHE: Das aufgestockte Budget sowie diverse Sanierungen werden die Situation nicht generell verändern können. Die dafür aufgewendeten Summen wirken dürftig, sobald man sie mit. den Summen vergleicht, die die Stadt Wien für eine einzige Ausstellung, für „Traum und Wirklichkeit“, flüssiggemacht hat. Was bei den Museen wirklich zu Buche schlagen könnte, wäre mehr Eigenverwaltung und somit die Möglichkeit, Nutzen aus Erfolgen zu ziehen.

MARTE: Auch das wird angepeilt. Da der Staat nicht imstande ist, alle berechtigten Anliegen zu befriedigen, brauchen die Museen mehr Förderer und Freunde, aus denen sich allenfalls zusätzliches Personal rekrutiert. Sie brauchen Vereine, in die Mitgliedsgelder fließen und in deren Besitz sich im Dienst der Museen befindliche Einrichtungen befinden. Mit anderen Worten, die Museen sollen etwa Pachteinnahmen von Firmen, die Ansichtskarten, Dias, Kunstbücher und Reproduktionen vertreiben, nach eigenem Ermessen verwalten.

FURCHE: Wie sind Ihre Vorstellungen vom Projekt Messepalast?

MARTE: Ich werde in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien alles tun, damit die Museen möglichst bald schrittweise einziehen können.

FURCHE: Gibt es für das in europäischer Hinsicht einmalige Projekt bereits ein Modell?

MARTE: Meines Wissens wird demnächst darüber entschieden werden. Fest steht, daß wir nichts kopieren wollen. Fest steht auch, daß historisch Gewachsenes nicht, zerrissen werden darf. Völlig offen ist, was und wer einzieht. Das sollen die Direktoren bestimmen. Außerdem ändern sich im Laufe der Jahre, über die sich die Realisierung des Projekts erstrecken wird, die Auffassungen und die Personen. In der Zwischenzeit kann man neue Ideen einbringen. Wir werden die Direktoren auf jeden Fall beim Ausstellungswesen, aber auch technisch L und ideell, presse- und werbemäßig unterstützen.

FURCHE: Wird die in Aussicht gestellte große Ausstellungshalle tatsächlich errichtet?

MARTE: Selbstverständlich. Sie ist genauso wichtig wie die Etablierung zusätzlicher Depots. Denn eine mit allen Einrichtungen versehene Ausstellungshalle ist Voraussetzung für Sonderausstellungen aus eigenen Beständen und für umfangreiche internationale Wanderausstellungen.

Mit Ministerialrat Johann Marte vom Wissenschaftsministerium sprach Hedy Grolig.

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