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Für das Leben lernen, nicht für die Schule

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Immer öfter hört man Klagen leidgeprüfter Eltern über unser Schulsystem. Schulstreß, Praxisferne, einseitige Benotung, ungeeignete Lehrinhalte und Lehrmittel werden zunehmend beanstandet. In jüngster Zeit gingen in diesem Zusammenhang von Tiroler Elternkreisen bemerkenswerte Initiativen aus, die zum Teil auch von den zuständigen Landesbehörden unterstützt werden.

Eine geradezu revolutionäre Idee ist die sogenannte „Eltern-

Kind-Schule“, ein Modell, das von einer Gruppe junger Eltern entwickelt wurde und vor allem die aktive Mitarbeit der Eltern im Schulgeschehen zum Leitgedanken hat.

„Wir wollen einen Schulver- such für die 1. bis 4. Volksschulklasse“, sagt Franz Hießböck, ein Sprecher der Initiativgruppe. „Wir möchten uns selbst aktiv an der Schule beteiligen. Die Erziehung der Kinder soll nicht geteilt werden in Schule und Elternhaus, sondern soll ein Ganzes sein. Wir möchten unsere Kinder umfassend ins Leben einführen.“

Man möchte, daß der Unterricht praxisnaher gestaltet wird — durch mehr Exkursionen, Betriebsbesuche, Lehrausflüge —,

aber auch Sport, Handwerk und musische Betätigung sollen ein stärkeres Gewicht erhalten. Die Eltern sollen mit den Lehrern intensiv Zusammenarbeiten und sich — bei entsprechender Befähigung — auch selbst am Unterricht beteiligen oder als Hilfskräfte mitarbeiten.

Man ist auch durchaus bereit, für eine menschlichere, lebensnahe und kreativitätsfördernde Schulpraxis finanzielle Opfer zu bringen und z. B. eine Hilfskraft für Freigegenstände aus eigener Tasche zu bezahlen.

Dem Tiroler Schulreferenten, Landeshauptmann-Stellvertreter Fritz Prior, wurde bereits ein pädagogisches Konzept vorgelegt. Prior steht der Sache aufgeschlossen gegenüber, die letzte Entscheidung fällt allerdings im Ministerium in Wien.

Ähnliche Vorstellungen wie im Modell der „Eltern-Kind-Schule“

werden seit langem schon in den Waldorf-Schulen verwirklicht.

Den Anhängern der Waldorf- Pädagogik geht es vor allem darum, die Kinder zu einem wachen Bewußtsein zu leiten. Nicht der angepaßte Mensch ist das Ziel, sondern der Mensch, der die Fähigkeit besitzt, an sich selbst zu arbeiten und mit anderen zu arbeiten. Arbeitsbasis ist die enge Gemeinschaft von Lehrern, Eltern und Schülern. Nachdem heuer Innsbrucks erster Waldorf- Kindergarten eröffnet wurde, ist auch an den Aufbau einer Waldorf-Schule gedacht.

Überaus aktiv sind auch Tirols Elternvereinigungen. Der Landesverband der Elternvereinigungen an den höheren und mittleren Schulen Tirols wandte sich in jüngster Zeit mit einer Reihe von Resolutionen an das Unterrichtsministerium. Unter anderem geht es dabei um den Inhalt gewisser Schulbücher.

Elternvereinen steht ja das Recht zu, Stellungnahmen zur Auswahl von Schulbüchern abzugeben. So wurden in einigen Lehrbüchern Bilder und Texte beanstandet, die sich mit absolut destruktiven Themen wie Vergewaltigung, Mord, Krieg, Terror, Zerstörung, Scheidung auseinandersetzen. Bei all diesen Lesestoffen, betonen die Tiroler Elternvereine, fehle das Bemühen um den Aufbau einer besseren Welt. Es werden lediglich Konflikte, Spannungen und Mißstände aufgezeigt, als ob dies die alleinige Wirklichkeit wäre.

Der Landesverband verlangt die Streichung der beanstandeten Bücher von der Schulbuchliste. Außerdem haben sich Tirols Elternvereine mit Erfolg gegen die Herabsetzung der Zahl der Schularbeiten von drei auf zwei pro Semester ausgesprochen.

Ein weiteres Thema, womit sich Tiroler Elternvereine auseinan dersetzen mußten, betrifft die Bildungsanstalten für Arbeitslehrerinnen. Auf Grund der 7. SchOG-Novelle wird dieser Schultyp, der der Heranbildung von Lehrerinnen für die Fächer Handarbeit, Nähen, Werken, Kochen diente, aufgelassen. Die genannten Fächer werden künftig an den Pädagogischen Akademien unterrichtet.

Damit wird ein Schultyp abgeschafft, der gerade musisch-kreativ und praktisch veranlagten jungen Menschen besonders entgegen kam. Alle Bemühungen der Elternvereine, den Schultyp durch Weiterführung bis zur Reifeprüfung zu retten, scheiterten an der Einstellung der Schulbehörden.

Und dies, obwohl in weiten Kreisen der Bevölkerung der Wunsch nach Eindämmung der theoretisch-technokratischen Beeinflussung und nach Förderung aller Initiativen einer menschengerechteren Lebensgestaltung spürbar sind. Gerade junge Menschen sind heute bereit, sich für eine humanere Umwelt in allen Bereichen einzusetzen und dafür auch Opfer zu bringen.

Das Bestreben der Verantwortlichen in der Politik müßte es sein, solche Bestrebungen, die von großer Bedeutung für künftige Generationen sein können, zu unterstützen. ,

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