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Für die mageren Jahre

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Fast ein wenig wehmütig erinnert man sich heute daran, welch große Rolle noch vor drei Jahren die Ideologie in der dkonomischen Diskussion spielte. Anläßlich des Vülacher Programmparteitages der SPÖ schrieb der Arbeiterkammerbeamte Johannes Swoboda damals noch in der „Zukunft“: „Wir müssen nicht nur strukturelle Veränderungen in Kauf nehmen, sondern sie auch in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bewußt betreiben, tun die Veränderungen der kapitalistischen Gesellschaft in' Richtung auf eine gerechte, sozialistische Gesellschaft mit aller realistischen Einsicht in die konkreten Möglichkeiten, aber auch mit aller Entschiedenheit eu erreichen“. Derart deutlich wagten nicht einmal die Jungsozialisten drei Jahre später ihre Traumvorstellungen von einer besseren Wirtschaftsordnung zu formulieren. Und, wie man hört, sei es heute ÖG-Präsident Benya recht unangenehm, daß sich der ÖGB vor Jahren darauf festlegte, Mitte September anläßlich seines 8. Bundeskongresses unrealistische Vorstellungen über die Vermögenspolitik zu behandeln.

Die Zeiten haben sich geändert; rasch und nachhaltig. Heute dürften nur sehr wenige Österreicher vom sozialistischen Utopia träumen, die allermeisten dagegen darüber von den politischen Parteien Aufklärung darüber erhalten wollen, wie die vorhersehbaren mageren Jahre am besten und am reibungslosesten bewältigt werden können.

In diesen Tagen gab die neue ÖVP-Führung ihre Strategie für die mageren Jahre bekannt „Herausforderung 75“ heißt das Wahlprogramm von Josef Taus und Erhard Busek, und es ist vor allem von Nüchternheit diktiert und von wenig unrealistischen Traumvorstellungen geprägt. Selbst der Begriff „Lebensqualität“, worauf sich die ÖVP vor Jahren für den Wahlkampf festgelegt hatte, taucht nur dort auf, wo es offenbar unvermeidlich schien, eine alte „Werbelinie“ an die neue Strategie anzupassen.

Die „Herausforderung 75“, die der Bundesparteirat der Volkspartei am 28. August in Linz endgültig beschließen wird, ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil ist am wenigsten spannend: Darin rechnet die ÖVP mit der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik der letzten fünf Jahre so vorsichtig ab, daß sie sich nicht als Koalitionspartner für die nächsten vier Jahre von vornherein ad absurdum führt. Interessant wird dieser Programmteil dort, wo die ÖVP Vorschläge zur Sanierung der österreichischen Wirtschaft macht: Ein „Sozialkontrakt“ soll eine Einkommensverteilungskonstanz in den nächsten beiden Jahren sichern; für die Arbeitsplatzsicherung soll ein „Auffangnetz“ errichtet werden, um mit Bundes- und Länderbudgetmitteln Firmeninsolvenzen zu verhindern; für Arbeitslose mit Kindern sollen die Familienbeihilfe verdoppelt und die Rückzahlungen von Wohnbauförderungskrediten gestundet werden. Schließlich aber gibt die ÖVP eine „Sozialgarantie“,. nämlich das Versprechen, auch in Zukunft Pensionen und Renten pünktlich zu bezahlen und das Hilflosenzuschuß-system zu verbessern. Mit der „Sozialgarantie“, die freilich ohnedies gesetzlich festgelegt ist, will die ÖVP-Spitze dem rrRentenMau“-Slo-gan der SPÖ vorbeugen. Es handelt sich bei dieser „Garantie“ in erster Linie also um eine wahltaktische Aussage.

Angesichts der äußerst problematischen Finanzlage des Staates legt sich die Volkspartei im zweiten Teil ihres Wahlprogramms (,Lbensqua-lität“) nur auf sehr wenige Versprechen fest Sie will bedürftigen Wohnwerbern ein Startkapital von 100.000 Schilling geben, eine „Österreich-Stiftung“ für den menschlichen Fortschritt einrichten und die Service-steilen für Staatsbürger verbessern.

Im dritten und letzten Teil konkretisiert die ÖVP ihre Vorstellungen darüber, wie eine Bundesregierung auf breiter Basis funktionieren soll: Eine gemeinsame Regierungserklärung soll die Regierungspartner auf wenige, aber entscheidende Punkte festlegen. Jede Partei soll im Parlament das Recht haben, Initiativanträge, über die mit wechselnden Mehrheiten entschieden werden könnte, zu stellen. Mehr Unterausschußarbeit, ein verbesserter Informationsapparat des Parlaments und schließlich die verstärkte Möglichkeit Volksabstimmungen über wichtige Pläne durchzuführen, sollen das System offener gestalten, als es in den letzten Jahren der Koalitons-regierungen war.

In diesem Wahlprogramm merkt man deutlich die Handschrift Josef Taus', der sich zuerst stärker als „Macher“, denn als Reformator mit ideologischem Hintergrund profilieren möchte. Immerhin heißt es in diesem Programm, daß unter einer ÖVP-Regierung (mit Koalitions-Ju-niorpartnern) zu keiner Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen werde. In dieser Frage hat sich angesichts der desolaten Finanzsituation des Bundes Finanzminister Androsch bereits festgelegt. Josef Taus, der schon seit Jahren predigt, daß ein funktionierender Sozialstaat Wirtschaftswachstum brauche, glaubt an eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten schon im kommenden Jahr.

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