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Digital In Arbeit

Für eine Kultur der Solidarität

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Um die wirklich ernsten Probleme der Wirtschaft zu lösen, wird es nicht einmal reichen, perfekt auf dem wirtschaftspolitischen Klavier zu spielen. Eine neue Grundhaltung aller ist heute dringend gefordert.

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Um die wirklich ernsten Probleme der Wirtschaft zu lösen, wird es nicht einmal reichen, perfekt auf dem wirtschaftspolitischen Klavier zu spielen. Eine neue Grundhaltung aller ist heute dringend gefordert.

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Das Wort von der „wojtylani-schen Utopie" ist zum erstenmal 1981 gefallen, als Johannes Paul IL sein Rundschreiben über die menschliche Arbeit veröffentlichte. Seine Grundthese: der Mensch vor der Sache, die Arbeit vor dem Kapital.

Kurz vor Weihnachten hörte man wieder das Wort von der „wojtylanischen Utopie". Der Papst hatte im Blick auf das Jahr 2000 seine Uberzeugung so formuliert: Im Anblick der Herausforderungen, die uns in den nächsten 15 Jahren ins Haus stehen, genügen die bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Mechanismen und die eher zufälligen Beiträge echter zwischenmenschlicher Solidarität nicht mehr.

Es braucht eine Bewegung, die quer durch die Menschheit geht, die blockierte Kräfte und Haltungen freisetzt und zur Lösung jener gesellschaftlichen Großprobleme führt, die keinen Aufschub mehr erlauben. Er nannte diese Bewegung „Kultur der Solidarität". Und dann hörte man wieder das Wort von der „wojtylanischen Utopie".

Vielleicht ist es hilfreich, die Brauchbarkeit oder Utopie dieser „Kultur der Solidarität" an den drei großen Problemfeldern abzumessen, die Johannes Paul II. vor Augen hatte, als er seine Uberzeugung aussprach. • Die Zukunft der Arbeit: Jede Zukunft enthält Unvorhersehbares und Überraschungen. Auch die Zukunft der Arbeit. Aber sie enthält auch einen harten Kern. Er wird wesentlich von der Tatsache der neuen Technologie bestimmt, aber ebenso von der Grenze und Sinnhaftigkeit unbegrenzten Wirtschaftswachstums.

Dem stehen allerdings zunehmend unbefriedigte Bedarfsfelder gegenüber: Sorge um junge und alte Menschen; Betreuung und Integration der wachsenden Zahl gesellschaftlicher Randschichten; menschenwürdige Freizeithilfen; Pflege der natürlichen Umwelt usw. Es fehlt nur eines: Sie finden keine zahlungsfähige Nachfrage.

Natürlich darf man jedes Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs begrüßen. Aber man sollte dabei nicht die tiefgreifenden und weltweiten Veränderungen übersehen, die in der Welt der Arbeit vor sich gehen und uns unausweichlich zu sehr wesentlichen Entscheidungen zwingen werden. Ob unsere bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Mechanismen dazu ausreichen?

In der Bundesrepublik Deutschland sprach man neulich davon, daß die Krise der Arbeit nur dann überwunden werden kann, wenn „alle am Wirtschaftsleben Beteiligten sich zu einem neuen Solidaritätspakt zusammenfinden".

Die Tragödie der Dritten Welt: 1970 betrug der Anteil der Dritten Welt an der Gesamtbevölkerung 74 Prozent. Im Jahr 2000 werden es 81 bis 84 Prozent sein. Die Nachrichten aus einer Reihe von diesen Ländern zwingen zu tiefer Besorgnis, besonders die aus Afrika. Natürlich gibt es auch erfreuliche Erfolge. A,ber nicht selten kam es an Stelle des erhofften Fortschritts zu wirtschaftlichen und sozialen Verwüstungen. Natürlich wirkt sich die Krise der Industrieländer auf die Dritte Welt verheerend aus.

Es greift eine gewisse Ratlosigkeit und Entmutigung um sich. Diese 81 Prozent der Weltbevölkerung bedeuten für das Jahr 2000 in jeder Hinsicht eine schwere Hypothek. Natürlich sind die Probleme der Dritten Welt bei weitem nicht nur finanzieller Art.

Die Frage drängt sich von selber auf: Reichen die bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Mechanismen aus, die Tragödie der Dritten Welt zu wenden, oder braucht es dazu neue Kräfte?

Die Frage des Lebens^ und Uberlebens: Wenn früher ein Bauer seinem Erben den Hof verspielte, dann war das eine örtliche Tragödie. Die heutige Haftung der Generationen ist anders gelagert. Mit den heutigen wirtschaftlichen und technischen Mitteln kann eine Generation den Lebensraum so schädigen und verwüsten, daß die kommenden Generationen die Folgen zu tragen haben.

Solche Verwüstungen geschehen keineswegs nur durch große „Kahlschläge" an der Natur. Sie entstehen auch durch die unsichtbare Summe kleiner Egoismen. Auch in Österreich sprach Johannes Paul II. davon, daß die Erde „kein schrankenlos ausbeutbares Reservoir" ist.

Noch gravierender ist die Frage des Uberlebens. Johannes Paul II. ist davon überzeugt, daß es der gefährlichste Irrtum unserer Zeit wäre, zu glauben, man hätte mit der wechselseitigen Abschrek-kung jenen Mechanismus gefunden, der den Krieg verhindert. Wenn sich aber der Mechanismus der Abschreckung als untauglich erweist, welche Alternative bleibt dann übrig?

Man darf Johannes Paul II. nicht mißverstehen: Natürlich braucht unsere so komplexe Gesellschaft ein gerüttelt Maß an Organisationen und funktionierenden Mechanismen. Das abzulehnen wäre ebenfalls eine gefährliche Utopie.

Aber sie genügen nicht im Anblick der großen Probleme des Jahres 2000. Es genügt auch nicht der beherzte Einsatz einzelner und kleiner Gruppen. Es braucht eine weltweite Bewegung. Der Papst nennt sie „Kultur der Solidarität".

Der bekannte Gregoriana-Professor sprach über dieses Thema kürzlich auch im Grazer Karl-Kummer-Institut.

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