7053048-1991_08_09.jpg
Digital In Arbeit

Für Glaube und Gerechtigkeit

Werbung
Werbung
Werbung

Noch lange wird man über P. Pedro Arrupe diskutieren, zu außergewöhnlich war diese Persönlichkeit, zu unruhig die Zeit, in der er Generaloberer des größten Ordens der Kirche war, zu stark die spirituelle und apostolische Umgestaltung des Ordens in den 16 Jahren seiner Amtszeit.

Der Besuch im Elendsviertel einer spanischen Stadt läßt im behüteten Sohn eines Advokaten die Überzeugung reifen, daß sein religiöser Glaube ihn verpflichte, sein Leben für mehr Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung und Ausbeutung einzusetzen. Untersuchungen von Wunderheilungen in Lourdes überzeugen den Studenten, daß Christus inmitten seiner Kirche lebt und wirkt. Er beschließt nach fünf Jahren Medizinstudium Jesuit zu werden.

Seine Ausbildung erhält er zunächst in Spanien, dann in den Niederlanden und in den USA, wo er 1936 zum Priester geweiht wird. Freiwillig meldet er sich 1938 zur Japanmission. 1945 überlebt er in Hiroshima die erste Atombombe. 1965 wird er aus der Mission nach Rom berufen, um als 28. Nachfolger des heiligen Ignatius den rund 25.000 Mitglieder zählenden Jesuitenorden zu leiten. In dieser Eigenschaft nimmt er an der letzten Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils teil, was für ihn zu einem kirchlichen Schlüsselerlebnis wird.

Zahlreiche Reisen führen ihn in die ganze Welt, um vor Ort mit seinen Mitbrüdern Beratungen zu pflegen und Entscheidungen vorzubereiten. Im August 1980 erleidet er, von einer Ostasienreise zurückkehrend, beim Landeanflug auf Rom einen Schlaganfall. Seine Amtsführung ist damit zu Ende. Es folgen Jahre schweren Leidens. 1983 hat die Generalkongregation seinen Rücktritt angenommen.

Was prägte Person und Amtsstil dieser charismatischen Persönlichkeit? Sicher die enge Verbindung von Glaube und Gerechtigkeit als zwei Grundelemente des kirchlichen Wirkens in Lehre und Praxis. „Wir müssen die Lehre der Kirche über die Gerechtigkeit durch unser Eintreten für Gerechtigkeit untermauern ... Das Evangelium ist eine Botschaft der Liebe. Aber Liebe verlangt Gerechtigkeit.”

Vielleicht haben nur wenige Männer der Kirchengeschichte diese Verbindung so nachhaltig betont wie Arrupe. Die 32. Generalkongregation (1974 - 75) hat ihn darin bestätigt. Das trug ihm und dem Orden Kritik ein. Sind die Jesuiten auf dem richtigen Weg? Im Zusammenhang mit dieser Generalkongregation stellte Papst Paul VI. diese Frage sehr nachdrücklich.

Besonders prägte Arrupe und seine Amtsführung die tiefe Liebe zu Christus in der Kirche. „Die Kirche wird in der Welt von heute nur dann Zukunft haben, wenn sie die Heilsbotschaft Christi unverstüm-melt verkündet, das heißt, wenn sie Kirche Christi und damit Mysterium Christi bleibt”. Sein langjähriger Mitarbeiter, der jetzige Sekretär des Ordens, P. Johannes Gerhartz, meint, daß diese Liebe zur Kirche Arrupe „geradezu mystisch” bestimmt hätte. Für ihn waren Christus und Kirche nicht zu trennen. Er sah in der Kirche weniger eine rechtlich verfaßte Organisation als vielmehr einen spirituellen Organismus, der lebt und nicht geteilt werden kann. Daher trafen Arrupe alle Spaltungstendenzen nach dem Konzil besonders schmerzlich, und es war für ihn unvorstellbar, an solchen mitzuwirken.

Man hat zwar das Gegenteil behauptet und von Gegensätzen gesprochen': der „Weiße Papst” im Vatikan, der „Schwarze Papst” unweit im Generalat. Dieser Tage standen in der italienischen Presse wieder solche Vermutungen. Dazu bemerkt P. Pittau, einer der profiliertesten italienischen Jesuiten, man könne nicht von Gegensätzen sprechen. Spannungen habe es allerdings gegeben: zwischen Paul VI. und der 32. Generalkongregation und mit Johannes Paul II., der Ar-rupes Rücktrittsansuchen nicht annahm und im Oktober 1980, als Arrupe bereits amtsbehindert war, den Orden einem päpstlichen Legaten unterstellte, eine schwerwiegende, vieldiskutierte Maßnahme. Der Orden hat sie sehr schmerzlich empfunden, aber, mit wenigen Ausnahmen, loyal akzeptiert.

Man sollte die Spannungen nicht überbewerten. Sie sind heute im wesentlichen beigelegt. Man sollte auch nach außen hin keine unbewiesenen Schuldzuweisungen in die eine oder andere Richtung vornehmen. Jede Familie - und auch jeder Orden - hat das Recht, bestimmte heikle Fragen im eigenen Kreis zu erörtern und einer diskreten Lösung zuzuführen. Es soll hier nur festgehalten werden: Weder hat Arrupe es je an einer echten Loyalität zum Papst fehlen lassen, noch hat der Papst durch diese Verfügung Gesetze des Ordens verletzt.

Was Bewunderer und Kritiker Arrupe in gleicher Weise zugestehen, war seine gewinnende, menschliche Ausstrahlungskraft, verbunden mit unerschütterlichem Optimus-mus. Beides entsprang einem tiefen und lebendigen Glauben. Der Autor dieser Zeilen konnte Arrupe in mehreren Gesprächen während eines Aufenthaltes in der Ferienvilla Cavaletti bei Rom oder während gemeinsamer Autofahrten zu einer befreundeten Familie auch als Privatmann kennenlernen. Die Hausfrau war Japanerin, und sooft Arrupe kam, fand er dort ein Stück heimatliches Japan vor, was ihm sichtlich wohltat. Er konnte japanisch sprechen, an einer Teezeremonie teilnehmen und japanische Kost essen. Den Kindern gegenüber, die er alle getauft hatte, zeigte er ein ungezwungenes, liebenswürdiges, geradezu heiteres Entgegenkommen. Dort war er ganz der Mensch Pedro Arrupe.

Im Orden selbst war er eher beratender, ermutigender und inspirierender Mitbruder als autoritätsbetonter Vorgesetzter. Auch das hat ihm Kritik eingetragen. Er führe den Orden zu wenig straff, räume zu zaghaft mit Mißständen auf und sei am Schwund der Mitgliederzahl schuld. Man wird zugeben müssen, Arrupe war für gewisse Mitbrüder vielleicht zu gut. Aber kann nicht solche Haltung auch Stärke sein? Muß ein neuer Führungsstil nicht auch eingeübt werden, und zwar von allen? Was die schwindende Mitgliederzahl betrifft, zeigt eine genaue Analyse, daß die Tendenz bereits vor seiner Amtsübernahme eingesetzt hatte und in der allgemeinen kirchlichen Entwicklung zu sehen ist.

Der Astronaut Lowell schenkte ihm ein Bild der Erde aus Sicht der Raumfahrer. Arrupe hängte es in sein Arbeitszimmer. „Es erinnert mich oft daran: Wir brauchen beides. Wir brauchen die scharfe Sicht der lokalen Probleme, und wir brauchen ebenso die nötige Einordnung dieser Probleme in die weltweite Sicht. Ich bin überzeugt, daß diese Sichtallein eine wirkliche Zukunft hat.” Heute sieht Arrupe die Erde aus der Sicht der Ewigkeit.

Der Autor leitet das Exerzitienreferat der Erzdiözese Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung