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Für katholische Medien kein Tabu

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Ein Bischof, bei dem die ganze Kirche lachte, und vieles, was zu denken gab: Katholische Publizisten aus 52 Ländern der Welt waren in Dublin zu Kritik und Selbstkritik vereint.

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Ein Bischof, bei dem die ganze Kirche lachte, und vieles, was zu denken gab: Katholische Publizisten aus 52 Ländern der Welt waren in Dublin zu Kritik und Selbstkritik vereint.

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„Das Wort gehört allen“, lautete das Motto des XIII. Kongresses der Katholischen Weltunion der Presse (UCIP), der Ende Oktober rund 300 Herausgeber, Verleger und Journalisten aus 52 Ländern in der irischen Kapitale Dublin vereinte.

Gemeint war: Es gehört nicht nur den Mächtigen, sondern vor allem auch den Schwachen; nicht nur der Mehrheit, sondern auch den Minderheiten; nicht nur den Weißen, sondern auch der Dritten Welt; nicht nur den Jasagern, sondern auch den kritisch Besorgten.

Eine Gruppe, der in kirchlichen Medien das Wort noch stärker zusteht, ist die Jugend. Ihr war ein eigener Kongreßtag gewidmet. P. Michael Paul Gallagher SJ, Literaturprofessor an der katholischen Universität der Gastgeberstadt, beschrieb die Kategorien, in denen jüngere und ältere Katholiken überwiegend denken:

Großkirche, Sakramentenpra- xis, Lehramt, Furcht vor individueller Sünde, blinder Glaube, Gebetsformeln, Vertrauen auf Institutionen, wenfg Vertrauen in sich selbst — das charakterisiere das Glaubensleben der älteren Generation.

Und die jüngere: kleine Gemeinden, persönliche Christusbegegnung, soziales Bewußtsein, soziale Gerechtigkeit, Leben mit Unsicherheiten und offenen Fragen, persönliches Gebet, Mißtrauen gegenüber Institutionen, Vertrauen in personale Beziehungen.

Zwischen diesen zwei Denkweisen müsse der katholische Journalist „dolmetschen“. Die Frage ist freilich: Wie mache ich klar, daß jede der beiden Denkweisen einseitig ist und es auf die rechte Synthese ankäme?

„Die ganze Realität“ massenmedial zu berücksichtigen, forderte auch der indische Priester D. S. Amalorpavadass (dessen bemerkenswertes Referat wir auszugsweise noch bringen wer den): „Die Kirche spiegelt die Gesellschaft ihrer Umgebung und Zeit oft stärker wider als die Botschaft Christi... Auch Kirchenobere an den Grundsätzen Christi kritisch zu messen, dient durchaus der Kirche ...“

Dieser Meinung waren nicht alle. Speziell afrikanische Freunde neigen noch zum Verschweigen von für die Kirche peinlichen Vorfällen. Kollegen aus Asien, darunter geistliche Redakteure, widersprachen für ihre Länder überzeugt und überzeugend.

Aber deutlich wurde: In manchen Ländern Asiens (auf den Philippinen zum Beispiel) und Afrikas haben kirchliche Medien mehr Chance, harte Wahrheiten auch kritisch auszusprechen, als regierungs-, geld- und machtnahe Zeitungen.

Darauf wies auch Bernard Mak- kiza, Chefredakteur einer katholischen Wochenzeitung in Kongo- Brazzaville, hin. Aus anderen Ländern Schwarzafrikas bekam man zu hören, es sei oft wohl gelitten, wenn die Zentralregierung in der fernen Hauptstadt getadelt wird, während Kritik an der Landes- und Ortsregierung ein Majestätsverbrechen sei. (Als ob es in Schwarzösterreich anders wäre.)

Mackiza schlug auch ein konkretes Modell der Zusammenarbeit zwischen katholischen Verlagen der Ersten und der Dritten Welt vor. Ein anderes solches Modell hat sich in Dublin endgültig totgelaufen: das der getrennten Veranstaltungen, Unterkünfte und „Galadinners“ für Delegierte verschiedener Erdteile bei UCIP- Kongressen.

Aber Diskriminierung gibt es nicht nur in und gegenüber der Dritten Welt. Daß auch bei klarer redaktioneller Linie abweichende Meinungen zumindest auf der Leserbriefseite katholischer Zeitun gen berücksichtigt werden müssen und kein brennendes Thema tabuisiert werden darf, wurde einmütig gefordert. Ziehen hier auch alle Leser katholischer Zeitungen mit?

Das Wort der Journalisten „gärt und brodelt auch auf den Nachtkasteln der Bischöfe“, verriet in seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der irische Medienbischof Joseph Cassidy von Clon- fert. Er sprach von einer „gesunden Spannung“ zwischen Presse und Hierarchie, verlangte aber — wie auch andere Referenten — vermehrte Verantwortungsbereitschaft. Zum Schluß sagte dieses episkopale Prachtstück:

„Bevor ich Ihnen den Segen erteile, möchte ich Ihnen noch sagen, wie sehr ich es genossen habe, so viele Journalisten vor mir zu sehen, die eine Stunde lang nicht den Mund aufmachen konnten ..

Einen durchaus ernsthaften Aspekt dieser Aussage formulierte der irische Bischof Cahal Daly von Down und Connor, indem er vor einer „neuen Orthodoxie der Medien“ warnte: Deren Rechthaberei ist natürlich um nichts besser als die kirchlicher oder staatlicher Obrigkeiten.

Daß katholische Medien die besondere Aufgabe hätten, Hoffnung zu stiften, klang immer wieder an — mehrfach auch bei Sty- ria-Generaldirektor Hanns Sassmann („der wichtigste Tugendbegriff“).

Sassmann, der vom Weltkongreß durch Akklamation für weitere drei Jahre zum UCIP-Präsi* denten gewählt wurde, kündigte eine Verstärkung der regionalen Kontakte, aber auch des Nord- Süd-Dialogs und der innerkirchlichen Zusammenarbeit sowie die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für die UCIP-Arbeit an.

Der Weltkongreß 1986 wird voraussichtlich in Indien stattfinden. Uber eine Verstärkung der Verbindungen zu Entwicklungsländern hatte auch P. Pierre Chevalier, der UCIP-Generalsekretär, in einem umfassenden Rechenschaftsbericht referiert.

Neben Sassmann wurden auch die österreichischen Kongreßteilnehmer Walter Schaffelhofer, Julius Kainz, Herbert Binder, Fritz Csoklich, Elisabeth Mayer und Hubert Feichtlbauer in Führungsgremien der Weltunion gewählt.

Nicht einigen konnte man sich auf vier vorgeschlagene Resolutionen, weil viele Delegierte deren Sprache zu gemeinplätzlich fanden. Keine Resolution statt Phrasen: Diese Entscheidung war vielleicht der namhafteste Kongreßbeitrag zur Fortentwicklung der Medienkultur.

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