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Für Kommunisten noch immer „Volksfeind"

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Das katholische Kroatien bereitet sich in diesen Tagen auf ein großes Fest vor - den 20. Sterbetag von Kardinal Aloisius Stepinac. Der große Märtyrer, dessen Charakter leider auch in der westlichen Welt noch immer nicht richtig gesehen wird, an dessen Bild irgendwo die Verleumdungen der kommunistischen Propaganda haften geblieben sind, starb am 10. Februar 1960 mit den Worten: „Dein Wille geschehe!"

Hinter dem Hauptaltar der Kathedrale von Zagreb (Agram) liegt Stepinac begraben. Seine Totenmaske ist durch den flackernden Schein Dutzender brennender Kerzen in ein lebendiges Licht getaucht. Jeden Tag und zu jeder Stunde stehen vor dem Grab viele Menschen. Sie beten, bringen frische Blumen, auch Papierzettel, die Dankesworte enthalten und auf die Platte gelegt werden. Man ist - kein Zweifel - an einem nationalen Wallfahrtsort.

Wenn man die Votivgaben durchliest, ergibt sich ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt. Aber auch Ausländer und Andersgläubige besuchen das Grab des großen Märtyrer-Bischofs.

Für die Kommunisten Jugoslawiens ist Stepinac nach wie vor der zu Recht verurteilte „Volksfeind" geblieben, seine Rehabilitierung ist nicht in Sicht. Für das Volk aber ist der Bischof auch heute noch so etwas wie eine Vater- und Führerfigur. Selbst in diesen Tagen, da sich Tito nach einer Amputation auf dem Weg der Genesung befindet, redet man mehr von Stepinac als dem kranken Staats- und Parteichef. Der tote Kardinal ist den Herzen näher als der vom Operationstisch wiederauferstandene Tito.

Dabei waren beide Männer sich nicht einmal ganz unähnlich: Beide kamen aus ärmlichen, aber frommen Dorffamilien; früh gezwungen, den Stürmen des Lebens zu trotzen, wäre der eine - nämlich Tito - ein ganz guter Schlosser, der andere ein ganz guter Tischler geworden. Als Soldaten des Kaisers in Wien gerieten beide, Josip Broz und Stepinac, in Kriegsgefangenschaft - der eine in Rußland, der andere in Italien. Das trug dazu bei, daß sich ihre Lebenswege trennten, bis sie sich wieder unheilvoll kreuzen sollten.

Beide, Tito und Stepinac, reagierten auf die im Umbruch befindliche Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg auf ihre eigene Art: Der eine beschaffte sich Bomben und gründete illegale kommunistische Zellen, der andere gründete die „Caritas", Volksund Studentenküchen, eine katholische Presse.

Während der eine in Rom studierte (im Germanicum), wurde der andere zum Agenten der Internationale. Während der Papst den erst drei Jahre im Priesterstand lebenden Stepinac zum Zagreber Erzbischof ernannte, machte Stalin den damals in der jugoslawischen KP ohne Hausmacht dastehenden, relativ unbekannten Tito zum neuen Generalsekretär der Partei.

1941 lebten beide, Stepinac und Tito, kurzfristig gemeinsam in Zagreb. Während sich Tito über Belgrad in die Provinz zu den ersten serbischen Partisanen absetzte, blieb Stepinac im „Unabhängigen Staat Kroatien" des Faschisten Pavelic.

Entgegen der kommunistischen Propaganda vom „klerikalen Faschismus" in Kroatien und dem „Volksfeind" Stepinac sei hier festgehalten, was neueste Forschungen und Dokumente eindeutig belegen:

„Obwohl der Erzbischof seine Volkszugehörigkeit niemals verleugnete, gefiel ihm das Auftreten der neuen Staatsführung nur wenig. Stepinac war sehr reserviert. Die Vereidigung der neuen kroatischen Regierung führte nur ein einfacher Priester durch. Stepinac wurde immer wieder mit Ermahnungen und Protestschreiben vorstellig, die sich in der Hauptsache gegen die Verfolgung der serbischen Minderheit und der Juden richtete. Als auch Übergriffe auf orthodoxe Bischöfe und Geistliche erfolgten, protestierte er vielmals mit Erfolg beim Staatschef." (Nachzulesen bei Ernest Bauer/Kardinal Aloisius Stepinac, Bitter-Verlag, Recklinghausen 1979).

Auch bei dem leidigen Problem der Kirchenübertritte, das bis heute für Polemiken gegen den Vatikan und Stepinac sorgt, haben neueste Forschungen, Augenzeugenberichte und Dokumente eindeutig ergeben: „Viele der verfolgten Orthodoxen in Kroatien sahen damals ihr Heil nur in einem Ubertritt zum Katholizismus. Daraus entstand eine Massenbewegung. Da es sich bei solchen Übertritten meist um echte Lebensrettungen handelte, wollte sich der Erzbischof dem kaum verschließen."

Das Zentralorgan der serbischen Kirche „Pravoslavlje" hat erst im vergangenen Oktober (was Jugoslawiens Kommunisten sicherlich zu klammheimlicher Freude gereicht hat) Stepinac und den Vatikan neuerlich deswegen angegriffen. Tenor des Artikels: Man habe die Situation genutzt, um die in Kroatien lebenden Serben „zwangsweise zu katholisie-' ren". Auch habe Stepinac und der Papst zu den Morden geschwiegen, die von katholischen Geistlichen an orthodoxen Serben begangen worden sind.

Das alles ist widerlegbar. So hat erst unlängst der orthodoxe Serbe Milos Obrnknezevic in München einen Forschungsbericht veröffentlicht, wonach „Umtaufen nicht auf Anordnung der katholischen Kirchenführung, sondern oft auch gegen deren Willen und Befehl" durchgeführt wurden.

Eindeutig durch Dokumente' belegt ist auch, daß der orthodoxe Metropolit Germogen ausgezeichnete Beziehungen zu Stepinac unterhielt, was bei der behaupteten „Zwangska-tholisierung" wohl nicht möglich gewesen wäre. Die mordenden „katholischen Priester", auch das ist eindeutig belegbar, waren längst exkommuniziert und kirchenfern -etwa der als „Frater Satan" bekannte Sadist im KZ Jasenovac.

Auch der Vorwurf des Schweigens ist haltlos: 1943, als Stepinac die fortdauernden Ungerechtigkeiten nicht mehr ertragen konnte, übergab er dem Vatikan und den Westmächten eine umfangreiche Dokumentation über den Terror im faschistischen Kroatien - und riskierte dabei gegenüber der Gestapo seinen Kopf.

Dennoch: Selbst im freien Westen ist bis heute die historische Rechtfertigung und Schuldlosigkeit von Stepinac, der im Oktober 1946 von den jugoslawischen Kommunisten als „Staatsfeind" und „Kollaborateur" in einem Schauprozeß zu 16 Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurde, noch viel zu wenig ins Bewußtsein gedrungen.

Der Märtyrer-Kardinal, der - 1951 zu Verbannung begnadigt - schließlich 1960 in Krasic an den Folgen der Haft und der Isolation starb, erfreut sich in seinem Heimatland ungebrochener Beliebthejt und steigender Verehrung.

Wie man .hört, hat sich der jetzige Zagreber Erzbischof Kuharic bereits bei Papst Johannes Paul II. für die Seligsprechung von Stepinac eingesetzt und dürfte dies vielleicht öffentlich am 20. Sterbetag fordern. Kuharic kann dabei an ein Wort von Papst Pius XII. anknüpfen, der 1946 einer kroatischen Pilgergruppe im Vatikan gesagt hatte: „Ihr habt zwar keinen Kardinal, aber einen Heiligen." (Stepinac wurde erst 1952 in einem geheimen Konsistorium zum Kardinal gemacht.)

Wenn Kuharic dies fordern sollte und der Papst sich geneigt zeigt -dann wird von den jugoslawischen Kommunisten mit Sicherheit neuerlich eine öffentliche Polemik gegen den toten Bekennerbischof losbrechen.

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