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Für Nachfolger selbst sorgen I

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Priesterweihen stehen wieder bevor. Das Tief in vielen Seminaren scheint überwunden. Wie erfolgen Berufungen heute? Müßten nicht mehr Anstöße von uns kommen?

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Priesterweihen stehen wieder bevor. Das Tief in vielen Seminaren scheint überwunden. Wie erfolgen Berufungen heute? Müßten nicht mehr Anstöße von uns kommen?

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Schon im Neuen Testament ist angedeutet, daß der Amtsträger Sorge dafür zu tragen hat, daß jemand ihm in seinem Amt nachfolgt (vgl. 2 Tim 2,2). Lange Zeit galt im Klerus als „ungeschriebenes Gesetz”: jeder solle wenigstens von einem jungen Mann sagen können, daß er ihm, wenn nicht zum Priestertum verholfen, so ihn doch auf dem Weg dorthin begleitet habe.

Auch das Priesterdekret des II. Vatikanischen Konzils weist auf diese Aufgabe hin: Weil man nicht erwarten kann, daß der Ruf zum Priestertum auf außerordentliche Weise an junge Menschen ergeht, ist er „aus Zeichen zu ersehen und zu beurteilen, durch die auch sonst der Wille Gottes einsichtigen Christen im täglichen Leben kund wird; diese Zeichen müssen die Priester aufmerksam beachten”.

Ja, normalerweise ruft Gott durch Mensdhen, und der Priester hat sich zu fragen, ob Gott nicht durch ihn die Bereitschaft eines jungen Menschen, sich senden zu lassen, wecken will. Leben entzündet sich am Leben. Der Wunsch, Priester zu werden, wird wach an exemplarisch vorgelebtem Priestertum. Und dazu gehört auch, daß man auf mögliche Nachfolger bedacht ist, ihnen zur Seite steht und auch einmal ausspricht, daß man Nachfolger haben möchte.

Nun gibt es heute nicht wenige Priester, die dies unterlassen, ja gelegentlich sogar bewußt ablehnen. Einige nennen offen den Grund: da sie selbst in ihrem Amt nicht glücklich und erfüllt sind, wollen sie anderen diesen Weg ersparen. Das ist wenigstens eine ehrliche und deshalb respektable

Haltung. Andere dagegen empfinden es als indiskret, junge Menschen auf geistliche Berufe, zumal auf den Priesterberuf hin, anzusprechen. Könnte so nicht die notwendige Freiheit beeinträchtigt werden?

Ein Blick in die Geschichte der Kirche zeigt, daß man in der frühen Zeit nicht so „zimperlich” war. Im Altertum hat man entsprechenden jungen Männern derart zugesetzt, Priester zu werden, daß mancher geeignete Mann Bischöfen (und Gemeinden), welche Priester suchten, sorgfältig aus dem Weg ging.

Das bekannteste Beispiel hierfür ist der heilige Augustinus. Bei den (Laien-)Mönchen des Altertums gab es geradezu den Grundsatz: „Meide Frauen und Bischöfe!”, um nicht auf eine dieser beiden so unterschiedlichen Versuchungen hereinzufallen.

Ja, im christlichen Altertum galt es als normal, zur Weihe (moralisch) gezwungen worden zu sein (was nicht heißt, daß man auf ein grundsätzliches Einverständnis zur Weihe verzichtete); dagegen war man skeptisch und zurückhaltend dem gegenüber, der sich allzu bereitwillig zur Verfügung stellte.

Nicht in der subjektiven „Dauerreflexion”: Bin ich nun berufen oder nicht? und in der einsamen Entscheidung eines jungen Menschen zum Priesteramt sah man ein Zeichen für den Ruf Gottes, sondern im Drängen von außen, zumal von Seiten einer Gemeinde.

Könnten in dieser altkirchlichen Praxis nicht auch Anstöße für die Gegenwart liegen? Wenn nicht über Sinn und Notwendigkeit des Priestertums (auch des zölibatären Priestertums) gepredigt wird, wenn nicht Priester und Gemeinden mit Nachdruck jungen Menschen klarmachen, daß sie gebraucht werden und dabei auf die Unterstützung aller rechnen dürfen, darf man sich da wundern, daß es mit dem Priesternachwuchs im argen liegt?

Zu bedenken ist auch, daß junge Menschen heute nicht selten — mehr als früher — sehr ichschwach sind. Für viele ist es fast unmöglich, sich selbst zu sagen: Ich möchte Priester werden! Sie trauen es sich nicht zu. Gerade deshalb bedürfen sie der Aufmunterung und Zustimmung von außen, sie haben eine Stimme notwendig, die ihnen sagt: Du, ich traue dir das zu, du könntest das!

Daß dennoch sowohl die Predigt über das Amt wie auch das Gespräch mit jungen Leuten die Haltung der Delikatesse erfordert, ist nicht nur eine Frage des Anstands, sondern auch des Glaubens, der weiß, daß nicht menschliche Aufdringlichkeit, sondern Gott selbst beruft.

Die Sorge um den Nachfolger ist ein Anliegen, das zutiefst mit dem Wesen des Amtes verknüpft ist: jeder Amtsträger steht in der apostolischen Nachfolge und bedarf darum selbst auch des Nachfolgers. Wenn sich Leben aber am Leben entzündet, ist es eine Frage an das eigene priesterliche Leben, ob davon werbende Impulse ausgehen. ,

Der Autor ist Professor für Dogmatil* an der Universität Wien. Der Auszug stammt aus seinem Buch: PRIESTERSEIN. Verlag Herder, Freiburg, 1982,205 Seiten, geb., öS 200,20.

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