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Für ökologischen Fremdenverkehr

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Aus der Reiseanalyse 1988, . durchgeführt in der Bundesrepublik Deutschland, geht hervor, daß die Hälfte aller Beisenden bereits für Umweltprobleme sensibilisiert ist, wobei in Österreich Umweltprobleme vor allem am Wald und in der verbauten Landschaft geortet werden, ebenso in der Schädigung der Vegetation der Oberfläche an Berghängen.

In den Außenstellen der Österreichwerbung werden in zunehmendem Maß gezielte Umweltfragen von den Inf onnationssuchendengestellt, so etwa ob dieser und jener See tatsächlich sauber, und dieser undjener Ort tatsächlich so lärmfrei sei wie im Prospekt beschrieben.

Es ist anzunehmen, daß innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Österreichurlauber so fragen werden, und sie werden sich mit der Beschwichtigung selbst durch allerhöchste Stellen nicht vertrösten lassen, wie im Moment gerade unsere Tourismuskollegen der italienischen Adria leidvoll erleben müssen.

Offensichtlich ist hier etwas im Gange: Nach vielen Jahren in denen wir uns in unzähligen Resolutionen, Arbeitspapieren und Konzepten gegenseitig versicherten, daß die Umwelt das wichtigste unvermehrbare Kapital im Fremdenverkehr ist, werden wir auf einmal von unseren Gästen beim eigenen Wort genommen - ohne Vorankündigung, ohne Rücksicht auf die vielen notwendigen Kompromisse, die uns an der Verwirklichung all dieser Resolutionen bisher gehindert haben, ohne nur einmal noch einen Blick auf die bunten Prospekte, mit den „Heile-Welt-Bildern“ zu werfen, unter denen sich allerdings auch, und das soll anerkennend angemerkt werden, hier und dort im Tessin oder in Tirol auch Broschüren dazumischen, die Licht- und Schattenseiten des Tourismus zeigen.

Geradezu ein Glück, daß wir vor fünfzehn Jahren die österreichischen Seen saniert haben, mit einem vielerorts, auch in Fremdenverkehrskreisen, als völlig unsinnig betrachteten Geldaufwand; daß durch die nichtvorhandene europäische Verkehrspolitik weite Reisen im Stau zu Erde und in der Luft steckenbleiben und Tourismus im Nahbereich wieder in wird; daß wir-jetzt schon mit einiger Erleichterung - darauf hinweisen können, daß Seilbahnen und Lifte nicht mehr mit Bundesund ERP-Mitteln gefördert werden

- vor einem Jahr hätte uns darüber niemand fragen dürfen; so wie uns bis heute noch niemand nach einem österreichischen Nationalpark fragen darf, er würde uns, die Vertreter des Fremdenverkehrslandes Nummer eins in Europa, wie wir so gerne von uns behaupten, gehörig in Verlegenheit bringen.

Der kurze Lagebericht sollte nur zeigen: Es wird ernst, die Grenzen des Zumutbaren scheinen mancherorts bereits überschritten - Taten, nicht Worte sind angesagt, oder wie es heute so schön heißt: Handlungsbedarf wird allenthalben geortet.

Denn die Fakten sind deutlich und werden auch sehr plastisch beschrieben-

- in einem Dutzend Alpentäler sind die Luftschadstoffkonzentrationen größer als in unseren Städten;

- das Inntal durchfahren an Spitzentagen allein 50.000 Autos;

- an einem einzigen Wochenende betrug die zusammengerechnete Staulänge in Tirol 130 Kilometer;

- in 206 Gemeinden kommen auf einen Einheimischen bereits zwei oder mehr Touristen;

- die Öko-Sozialstrukturen brechen zusammen: Menschen mit eigener kultureller Identität werden von Gästen zu trachten- und dirndltragenden Statisten degradiert.

Ein österreichisches Wirtschaftsmagazin beschreibt den Unterschied zwischen Theorie und Praxis so: „Jedenfalls ist nichts von dem zu spüren, was die Umweltschützer fordern und die Vertreter der Fachschatten unentwegt öffentlich erklären: daß nämlich die Grenzen des Wachstums im Liftbau erreicht werden. Es wird munter weiter projektiert, unter diversen Deckmänteln vielleicht und unter mancherlei Vorwand, aber immer in dieselbe Richtung: mehr Lift. Mehr Schnee. Mehr Piste. Mehr Gast Mehr Geld“ Vorläufig noch, sagt man im Geist dazu. Sicherlich eine komplexe Problematik, die nicht leicht gelöst werden kann, doch ist es in konsequenter, langfristig angelegter Arbeit sicher möglich, wie das schon zitierte Beispiel der österreichischen Seen zeigt: durch sinnvolle Anwendung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und durch den Einsatz des derzeit zukunftsträchtigsten Zweiges der Technik der Entwicklung des Einsatzes von Umwelttechnologien.

An längst überlegenswerten Vorschlägen dazu mangelt es nicht. Der österreichische Alpenverein zum Beispiel, der sich als Anwalt für den Naturschutz in den Berggebieten versteht, richtet als Forderung an die in Politik und Wirtschaft Verantwortlichen die Verordnung einer zehnjährigen Denkpause für weitere skitouristische Erschließungen in Tirol beziehungsweise in den Ostalpen, den Einbau von Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie von ökologisch orientierten Ausgleichsmaßnahmen in den bestehenden Rechts- und Genehmigungsvorschriften, die Einstellung jeder öffentlichen Förderung für neue Seilbahnen und Aufstiegshilfen - diese Forderung ist auf Bundesebene bereits verwirklicht - und die Unterschutzstellung aller österreichischen Gletscher nach dem Beispiel des Bundeslandes Vorarlberg.

Ein der Fremdenverkehrswirtschaft sehr positivgegenüberstehen-der Umweltwissenschaftler empfiehlt - und spricht damit sicher für viele seiner Kollegen - den Bettenabbau in überlasteten Regionen; die Einrichtung von Ruhezonen neben Touristenzonen bei regionalem Finanzausgleich; die Sperre von Almwegen für jeden Verkehr und die Katalysatorpflicht für manche Alpentäler.

Solche Anregungen und Empfehlungen gibt es noch in großer Zahl und sie alle haben ihre Berechtigung. Meiner Meinung nach sollten jedoch bei ihrer Anwendung einige einfache Grundsätze Beachtung finden:

- Neue Vorschriften und Gesetze sind vielleicht notwendig - noch dringlicher wäre es jedoch, die schon bestehenden nachhaltig und ohne Rücksicht auf irgendwelche Interessen anzuwenden. -Als effizienteste Regelung hat sich die über den Marktmechanismus herausgestellt: wenn die tatsächlichen Kosten der Inanspruchnahme von Wasser, Luft und Boden in Rechnung gestellt werden, dazu noch strenge Umweltauflagen zu beachten und damit auch zu finanzieren sind, können sich viele Projekte nicht mehr rechnen.

Fremdenverkehr sollte mit wirtschaftlichen Maßstäben und nicht mit denen der Sportberichterstattung-„noch stärker, höher, rekordverdächtiger, ...“ gemessen werden. Nicht das momentan mögliche Maximum an Gewinn kann herausgeholt werden, sondern nur so viel, wie es die schonende Behandlung der natürlichen und menschlichen Einsatzfaktoren zuläßt. Eine mehrfache Rentabilität ist daher anzustreben.

Der Autor ist Generaldirektor der DDSG. Der Beitrag ein Auszug aus seinem Vortrag beim ÖGUT-Forum Tirol '89 in Innsbruck am 30. Juni 1989.

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