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Für offenes Denken

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„Vom Denken" nennt sich eine neue „Einführung in die Philoso­phie"; es ist ein offiziell zugelasse­nes Lehrbuch für den philosophi­schen Einfühfungsuntenicht" in den acht Klassen der Schultypen, an denen dieses Fach vorgesehen ist. Als Autoren für das mit 352 Sei­ten ansehnliche Schulbuch zeich­nen Konrad Paul Liessmann, Do­zent für Philosophie in Wien, und Gerhard Zenaty, Mittelschullehrer in Linz, verantwortlich.

Dieses Werk versteht Philosophie als „Anstrengung eines offenen Den­kens, ... ohne jedoch den Anspruch auf Vollständigkeit oder Endgül­tigkeit" . Die Freiheit des Lesers und nicht seine Bevormundung be­stimmte auch die methodisch durch­sichtige und für den interessierten Laien nachvollziehbare Konzeption: Jedes Kapitel wird durch einen fiktiven Dialog (im Cafe „Philoso-phopolis") eingeleitet, der ein Pro­blem in seiner alltagsprachlichen Gestalt anreißt und genügend Fra­gen für die Darstellung und di; kurzen Denkanstöße am Ende jedes Abschnitts offen läßt.

Dieunterschiedlich ausführlichen Kapitel fallen auf durch die Gegen­satzpaare im Titel: „Das Wahre und das Falsche" behandelt immerhin auf knapp 50 Seiten „Grundfragen der Erkenntnis- und Wissenschafts­theorie", ähnlich lang wird nur die „Moralphilosophie" („Das Gute und das Böse") bedacht. Unter all den Philosophien (der Kunst, der Reli­gion, des Rechts, der Natur, der Geschichte, des Menschen und vie­les mehr) muß allerdings auch ein meines Erachtens gravierender Mangel festgehalten werden: Die metaphysische Seite des klassischen Philosophierens (repräsentiert in einigen wenigen Namen wie Pia­ton, Aristoteles, Thomas von Aquin, aber auch Martin Heidegger) wird fast völlig ausgeblendet, und wenn sie zu Wort kommt, dann in ihrer begriffslogischen Gestalt (als „on-tologisches Paradigma"). Die Fra­ge nach „Sein und Schein" aber beschäftigt(e) nicht nur die alten Philosophen.

Der angestrebten Offenheit ent­spricht der hervorragend gestaltete Textteil, der immerhin fast die Hälf­te des Buches umfaßt. Die Auswahl konzentriert sich naturgemäß auf neuzeitliche Autoren, trotzdem bleibt nicht ganz verständlich, wa­rum Edmund Husserl und Martin Heidegger, zwei außerordentlich wirksame Philosophen des 20. Jahr­hunderts, hier nicht vertreten sind.

Wichtig und in seiner Prägnanz ganz sicher hilfreich ist das Glossar zu Begriffen und Philosophen. Die Darstellung der Geschichte der Philosophie - auch in ihren welthi­storisch angedeuteten Bezügen -bedarf allerdings der nach Sachla­ge und Kenntnis der Schüler nöti­gen didaktischen Aktualisierung.

Verglichen mit den im letzten Jahrzehnt erschienenen Philoso­phie-Lehrbüchern ist es zweifellos das offenste und pädagogisch aus­gewogenste und sogar auch das „demokratischste", weil es dem Schüler wie dem Lehrer in glei­chem Maße Material an die Hand gibt und ihn zur weiteren Bearbei­tung anzuregen vermag.

VOM DENKEN. Einfuhrung in die Philoso­phie. Von Konrad Paul Liessmann und Gerhard Zenaty. Wilhelm Braumüller Verlag, Wien 1990. 352 Seiten.

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