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Funde werden gezeigt

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„Was unsere Archäologen ausgegraben haben, das wollen wir den Leuten zeigen”, sagte Wiens Bürgermeister Helmut Zilk und ließ der Absichtserklärung gleich Taten folgen. Handelt es sich doch bei den fündig gewordenen Spatenforschern um im Dienst der Stadt Wien stehende Wissenschaftler, deren Grabungstätigkeit interessiert verfolgt wurde (und wird). Ob aber die museale Zurschaustellung der Funde von Luegerplatz, von Minori-tenplatz und Freyung sowie vom Michaelerplatz Laien ähnlich faszinieren wird wie die Fährtensucher der Vergangenheit, scheint fraglich.

Der Stadtarchäologe Ortolf Harl und Reinhard Pohanka vom Historischen Museum der Stadt Wien haben freilich einige ergänzende Kapitel zur Geschichte der österreichischen Bundeshauptstadt geschrieben. Aus den Grabungsbefunden des Minoritenplatzes, der Freyung und des Michaelerplatzes darf sogar der Schluß gezogen werden, daß die Geschichtsschreibung über das Wien der Römerzeit revidiert werden muß. Die von den Römern erbaute Fernstraße lief nämlich nicht, wie früher angenommen, vom rückwärtigen Lagertor (am Eingang Tuchlauben) über Herrengasse und Michaelerplatz nach Baden (Aquae) und Söpron (Scarbantia) bis auf den Balkan, sondern über den Minoritenplatz. Und die seit Heinrich Jasomirgott in Wien residierenden Babenberger haben ihr Stadtplanungskonzept unabhängig von angetroffenen römischen Trassen angelegt und dabei ab 1156 dem Michaelerplatz eine Verteilerrolle bei den neuen Überlandstraßen zugewiesen.

Im Jahr 1989 wurden von der mittelalterlichen Straßenpflasterung etliche Steine im Gebiet Strauchgasse/Freyung geborgen, kurzfristig im Niederösterreichischen Landesmuseum in der Herrengasse ausgestellt und jetzt auf dem Fundort neu verlegt. Im selben Bereich gemachte Kleinfunde aus dem 16./17. Jahrhundert sind seit November 1990 in einer Vitrine auf der Freyung zu sehen.

Ob und wie man die vom Stadtarchäologen Harl seit 1990 zutage gebrachten steinernen Dokumente auf dem Michaelerplatz der Öffentlichkeit zeigen wird, ist noch nicht ausdiskutiert. Bis zum Abschluß der archäologischen Untersuchungen liegen sie, nur von einer Zeltplane geschützt, offen vor der Hofburg. Nach Meinung staatlicher Denk-malpfleger und namhafter Architekten befinden sich aber vor allem die Grundmauern der drei römischen Häuser aus dem 2./3. Jahrhundert zu weit an der Oberfläche, um sie, wie die römischen Baurelikte am Hohen Markt, unterirdisch begehbar zu machen. Die angrenzenden, in etwas tieferer Schicht georteten labyrinthartigen Kellergewölbe - laut Harl mit jenen von Apostel-, Esterhazy- und Urbani-keller vergleichbar - rechtfertigen hingegen nicht den Aufwand, ihretwegen ein Museum zu etablieren. Ebensowenig wie die 2,40 Meter starke Stützmauer, die vom ehemaligen „Paradeisgartl” der Hofburgübrig geblieben ist-auchwenn sie für die Archäologen die Kronzeugin für die Gestaltung dieses

Gartens darstellt.

Helmut Zilk will ungeachtet aller Vorbehalte die Ruinen, konservieren. Nachdem sein Plan, diesen Minischauplatz zweitausendjähriger Geschichte unter Glas zu stellen als nicht zweckentsprechend erkannt worden ist, sollen die Ruinen abermals unter dem Straßenpflaster verschwinden. Als unterirdischer Zugang wird eine Stelle innerhalb des Fußgängerdurchganges unter der Michaelerkuppel in Erwägung gezogen.

Attraktion „Villa leone”

Die von Reinhard Pohanka 1985/ 86 freigelegten Reste der Stadtmauer unter dem Luegerplatz werden demnächst öffentlich zugänglich sein. Diese Stadtmauer entstand in zwei Phasen, die ältere Mauer ist in den Jahren 1196 bis 1250 geschaffen worden. Herzog Leopold V. mit dem Beinamen der Tugendhafte hat sie aus dem Lösegeld für den in Dürnstein gefangen gehaltenen englischen König Richard Löwenherz errichten lassen. Die zweite Stadtmauer wurde zwischen 1555 und 1566 im Hinblick auf die Türkengefahr erbaut. Man hatte allerdings damals den ersten, mit römischen Bruchsteinen aufgeschütteten Schutzwall nicht zur Gänze abgetragen, sondern ihn in die Renaissanceanlage samt imposantem Stadttor (Stubentor) miteinbezogen. Auch im Zuge von Kaiser Franz Josephs Stadterneuerungskonzept von 1857 sind weder Mauer noch das 1831 im klassizistischem Stil erneuerte Tor total abgebrochen worden. Man hat sie lediglich bis zum Straßenniveau der innerhalb von sieben Jahrhunderten um vier Meter höher gewordenen Wollzeile abgekappt.

Mit Eröffnung der U-Bahn-Linie 3 rückt diese Stadtmauer, nunmehr dreißig Meter lang und ein bis :wei Meter hoch, parallel zur Ringstraße geführt, wieder ins Blickfeld. Beim Ausgang Lueger-platz/Wollzeile macht sich der Rumpf des rekonstruierten Stubentores als U-Bahn-Durchgang breit und in den Boden eingelassene Steine markieren die ursprüngliche Lage des alten Tores.

Für die Aufdeckung und projektierte Konservierung einer römischen Villa im Gebiet des Lainzer Tiergartens ist ebenfalls Archäologe Ortolf Harl verantwortlich, wobei die wissenschaftliche Leitung in den Händen von Monika Verzar-Bass vom Dipertiment di Scienze dell' Antichita der Universität Triest liegt. Als Sponsor konnte die „Erste Allgemeine Generale-Versicherung gewonnen werden, nach deren Wappentier die nahe dem Dianator bei Laab im Walde entdeckte Villa rustica den Namen „Villa leone” tragen soll.

Wie groß die „Villa leone” war, warum sie ab dem 3. Jahrhundert nicht mehr bewohnt und bewirtschaftet wurde und ob sie das einzige Landgut in dieser Gegend gewesen ist, ist noch zu klären. Mit diesem Freilichtmuseum in spe als attraktivem Ausflugsziel wirbt die Stadt Wien jedenfalls schon jetzt.

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