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Funktionsfähiger Kapitalmarkt

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Im 50. Lebensjahr des Schillings hat der österreichische Kapitalmarkt gerade jetzt ein sehr kräftiges Lebenszeichen von sirfi gegeben. Um so mehr gibt der Zeitpunkt des Jubiläums willkommenen Anlaß, einige Betrachtungen über die aktuelle Situation unseres Kapitalmarktes anzustellen.

Der Bund als größter Emittent des Landes sowie die Creditanstalt, das österreichische Credit-Institut und die Landeshypothekenanstalten als Pfandbriefinstitute haben sich entschlossen, ab 1. Juni 1974 die Nominalverzinsung ihrer Titel anzuheben. Eine Maßnahme, der sich in der Folge wahrscheinlich die meisten übrigen Anleiheschuldner in irgendeiner Form anschließen werden. Die Unterstreichung der Bedeutung des langfristigen Sparens zur notwendigen Kapitalbereitstellung, die Stärkung des Vertrauens in die Schuldverschreibung als besonderes Sparinstrument und die Prämierung der treuen Pfandbrief- und Anleihekäufer waren die ausschlaggebenden Gründe für die vorgenommene Zinserhöhung. Damit sollte aber auch die Voraussetzung für die weitere Beteiligung des Sparerpublikums an allen zukünftigen Emissionsvorhaben geschaffen werden.

Es ist interessant, festzustellen, daß das Sparverhalten der österreichischen Bevölkerung sich bisher weniger an der Entwicklung des Geldwertes orientiert hat, als vielmehr vom Vertrauen in die Position des Schillings als solchen diktiert wurde. Der Schilling steht hier gleichsam für die Gesamtsituation des Staates, die Notenbank und die Kreditwirtschaft. Der Blick des Sparers ist deutlich auf die Erhaltung einer gewissen internen Stabilität — im weitesten Sinn des Wortes — gerichtet. Sicherlich enthält diese Einstellung einen gewissen Schwellenwert, der dort zu liegen scheint, wo die Inflationsrate einen überdurchschnittlichen Anstieg zeigt. Erfahrungsgemäß kann das einmal gestörte Vertrauensverhältnis auch dann durch überhöhte Zinsangebo'te nicht mehr wettgemacht werden.

Der österreichische Kapitalmarkt will hier verstanden werden als die Summe des Sparkapitals, welches in Form von Wertpapieren, vor allem Pfandbriefen, Anleihen, Aktien und Investmentzertifikaten, veranlagt wurde und an der Wiener Börse seinen Umschlagplatz hat. Nach den zwei Hauptkategorien unterscheidend, spricht man bekanntlich vom Anleihemarkt auf der einen und vom Aktienmarkt auf der anderen Seite. Eine Bestandsaufnahme des heimischen Marktes kann heute nicht mehr allein aus österreichischer Sicht erfolgen, denn erfreulicherweise hat die internationale Verflechtung auch den Finanzplatz Wien ergriffen, von wo aus Kapital-ströme in beide Richtungen (ausländische Veranlagungen in Österreich und österreichische Veranlagungen im Ausland) erfolgen.

Das Jahr 1974 ist deshalb für den Anleihemarkt von besonderer Bedeutung, weil eine grundlegende Änderung des Zinsgefüges erfolgte. Bei einem Blick über die Grenzen mußte schon seit Jahren beobachtet werden, wie die Zinsen in den Industriestaaten ständig im Steigen begriffen waren und nur wenige Länder, darunter die Schweiz und Österreich, konnten einen eigenen „Binnenmarkt“ mit relativ niedrigem Zinsniveau aufrecht halten. Während die Kurse internationaler Anleihen stufenweise absackten und Neuemissionen zu immer höheren Zinssätzen offeriert wurden, verzeichnete Österreich, dank dem Akkord zwischen Finanizministerium, Notenbank und Kreditwirtschaft eine wesentlich ruhigere Entwicklung. Im Spätherbst des Jahres 1973 nahm dann im Gefolge der allgemeinen Erhöhung der Rohstoffpreise die internationale Zinseskalation derart zu, daß die immer größer werdende Differenz zwischen den ausländischen Märkten und dem Inlandssatz durch interne Absprachen und Abkommen allein nicht

überbrückt werden konnte. Die allmählich erfolgte Anhebung der heimischen Anlegerrenditen genügte einfach nicht mehr. Dazu setzte sich immer stärker die Erkenntnis durch, daß bei andauernd hoher Inflations-rate nicht die ganze Last aus der Verminderung des Geldwertes auf den Schultern der Sparer belassen werden konnte. Außerdem trat eine Umkehr in der österreichischen Zahlungsbilanz ein, die Kapitalimporte erforderlich machte. Es war also der Zeitpunkt gekommen, das lange Zeit erfolgreich praktizierte „Durchtauchen des Zinsgdpfels' zu beenden und Nominalverzinsung und Effektivrenditen an die internationalen Marken heranzuführen.

Das Bedeutsame war aber nicht die Anhebung des Nominalzinssatzes auf 8,5 Prozent an sich, sondern die Tatsache, daß sich die großen Dauer-emiittenten wie Bund und Hypothekeninstitute (mit Nominale 23 Milliarden Schilling Bundesanleihen und Nominale 29 Milliarden Schilling Pfandbriefen und Kommunalschuldverschreibungen — mehr als die Hälfte des gesamten Anleihemarktes) entschlossen, alle ihre bisherigen Emissionen durch Erhöhung des Zinssatzes ebenfalls den neuen Verhältnissen anzupassen und den Besitzern der alten Ausgaben dadurch jede Art von Kursverlusten zu ersparen. So kam es zu dem in der Finanzgeschichte fast einmaligen Vorgang, daß der Bund seine früheren Emissionen, ganz gleich welcher Verzinsung, auf 8 Prozent anhob; die Creditanstalt, das ÖCI und die Lan-deshypothekenianstalten erhöhten ebenfalls in Verfolgung ihrer jahrzehntelangen Politik der absoluten Kursstabilität ihre Emissionen, die alten sowie die neuen Reihen, generell auf 8,5 Prozent. Während bei den Anleihen Nominalzinssatz und Effektivrendite meist wegen tieferer Emissionskurse und gestaffelten Rüdkzahlungsagios nicht übereinstimmen — die Rendite liegt in der Regel höher, entspricht bei den Hypothekenttteln der Nominalzinsfuß der- Anlegerrendite. Betrachtet man hiezu die Entwicklung der Anleihen- und Pfandbriefkurse Im Ausland, so kann nicht ohne gewissen Stolz gesagt werden, daß diese Regelung für die Besitzer österreichischer Schuldverschreibungen einen unvergleichbaren Vorteil gebracht hat. Zweifellos wird der inländische Sparer genauso wie der ausländische Investor, der sich in

Schilling-Obligationen veranlagt, dieses Faktum bei seinen künftigen Anlageentscheidungen positiv ins Kalkül ziehen.

Überblickt man die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, so kann man feststellen, daß sieh der Anleihemarkt in Österreich ohne abrupte Kurs- und Zinsveränderungen entwickelt hat; bei sorgfältiger Dosierung der Emissionsvolumina konnte der Markt in ausgeglichener Verfassung stetig wachsen. Der Umlauf an festverzinslichen Wertpapieren hat sich wie folgt erhöht: Ende 1971 zirka Nom. 72 Mrd. S Ende 1972 zirka Nom. 88 Mrd. S Ende 1973 zirka Nom. 100 Mrd. S

Die Funktionsfähigkeit des Marktes zeigt sich in der absoluten Höhe

Wenden wir uns nun dem Aktienmarkt zu. Durch die Verstaatlichung nach dem Jahr 1945 hat die Anzahl der an der Wiener Börse notierten Aktien eine nicht unwesentliche Einbuße erlitten. Trotzdem verblieben eine ansehnliche Reihe von Titeln — erweitert durch verschiedene Neueinführunigen — die auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind; hiezu zählen Banken und Brauereien. Gezielte Maßnahmen zur Förderung der Aktie — wie durch die sogenannten Kapital-marktgesetze — brachten die erwarteten Erfolge. Für die Börse vor allem erwähnenswert sind die begünstigte Durchführung von Kapitalberichtigungen (Umwandlung von Reserven in Nominalkapital) und die steuerliche Besserstellung der ausgeschütteten Gewinne an die Aktionäre. Dies führte in der Folge zu einer wesentlichen Belebung der Umsätze und zu einer allgemeinen Verbesserung der Ausschüttungen. Ganz im Gegensatz zur internationalen Aktienkursentwicklung hat der Wiener Platz in den letzten Jahren recht positiv abgeschnitten wie der CA-Index zeigt: Ende 1971 60,01

Ende 1972 76,73

29. 6. 1973 86,79

Ende 1973 74,82

4. 6.1974 75,40

Verschiedene Faktoren waren hiefür maßgebend: günstiger Konjunkturverlauf, erfolgreiche Rationalisie-rungsmaßnahmen zur Bewältigung des Kostenauftriebes, branchenweise recht gute Jahresergebnisse und zufriedenstellende Auftragslagen. Die Belebung der Wiener Börse stützte sich auf ein zunehmendes Interesse der Anleger, wobei auch ausländische Investoren als Käufer auftraten. Die methodische Erweiterung der Aktienanalyse, der Ausbau des Informationswesens und die Veröffentlichung relevanter betrieblicher Kennzahlen haben die Einstufung der österreichischen Aktie nach internationalen Maßstäben ermöglicht. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis — zeigt trotz des Kursanstieges — die Verbesserung der Ertragskraft der Unternehmungen:

Wiener Börse entwickelte sich wie folgt:

1971 zirka 245 Mio. S

1972 zirka 200 Mio. S

1973 zirka 405 Mio. S So gewinnt der heimische Aktienmarkt langsam wieder die Position, die ihm als Finanzierungsquelle der Wirtschaft und als Handelsplatz langfristigen Risikokapitals zusteht. Der Gesamtkurswert aller an der Börse notierten Aktien belief sich Ende 1973 auf 21,5 Milliarden Schilling. Die Umsätze zeigen folgende Entwicklung:

1971 zirka 0,5 Mrd. S

1972 zirka 1,2 Mrd. S

1973 zirka 1,4 Mrd. S Die Creditanstalt hat schon frühzeitig erkannt, wie wichtig, auch die Notierung erstklassiger ausländischer Aktien für einen Börseplatz ist. Bereits im Jahr 1963 initiierte sie die erste Einführung (Philips) und führte diese Politik in der Folge konsequent weiter. Heute werden in Wien bereits 23 ausländische Werte aus sieben Ländern (Deutschland, Großbritannien, Japan, Niederlande, Luxemburg, Schweiz und USA) gehandelt.

Das Investmentsparen konnte in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg bald Fuß fassen. Die Creditanstalt brachte 1956 mit Selecta den ersten österreichischen Fonds auf den Markt. Im Laufe der Zeit wurden Fonds verschiedener Art (Aktien und Rentenfonds mit unterschiedlicher in- und ausländischer Aufteilung) angeboten. Der Wert aller umlaufenden Investmentzertifikate österreichischer Provenienz erreicht derzeit fast 4 Milliarden Schilling; hievon sind rund 60 Prozent in festverzinslichen Werten, rund 20 Prozent in Aktien veranlagt; insgesamt beträgt der Anteil an inländischen Werten etwa 50 Prozent. Gerade die vergangenen Jahre waren im Hinblick auf die Entwicklung der Ak-tienbörsen, die Geschehnisse auf dem Eurobondmarkt (Zinsenanstieg und Kursrückgang) und die größeren Unsicherheiten auf dem Währungssektor mit beachtlichen Wechselkursänderungen für die Gestion von Investmentfonds besonders schwierig. Gemessen an den Ergebnissen

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