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FURCHE ärgert Bonn

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Die rotweißrote Haltung dieser Zeitung hat ein Stück Zeitgeschichte mitgeschrieben. Daher hat die FURCHE in Bonn auch schon für sehr große Verärgerung gesorgt.

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Die rotweißrote Haltung dieser Zeitung hat ein Stück Zeitgeschichte mitgeschrieben. Daher hat die FURCHE in Bonn auch schon für sehr große Verärgerung gesorgt.

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Zeitungsgeschichte ist immer auch Zeitgeschichte. Die FURCHE war im besetzten Österreich der Nachkriegszeit wegen ihrer engagierten politischen Haltung Objekt vielfachen Mißtrauens — nicht nur von Seiten der Besatzungsmächte, sondern auch der deutschen Nachbarn, die mit dem patriotischen Kurs des Funder-Blattes nichts Rechtes anzufangen wußten. Allmählich öffnen sich im Ausland die Geheimarchive und geben Belege für den gesinnungspolitischen Kampf frei, der bis hin zum Staatsvertrag vor und hinter den Kulissen geführt wurde.

In Wien hatte 1953 eine „Deutsche Wirtschaftsdelegation“ unter dem späteren Botschafter Carl Hermann Müller-Graaf die Tätigkeit aufgenommen - sie war ein Ersatz für die noch nicht mögliehe Aufnahme regulärer diplomatischer Beziehungen zwischen Osterreich und der Bundesrepublik Deutschland. Man muß fairerweise sagen, daß Müller-Graaf zumindest bis zum großen Streit um das deutsche Eigentum bemüht war, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten und Völkern auf normale Grundlagen zu stellen, so gut dies angesichts der beschränkten Handlungsfreiheit beider Seiten eben möglich war.

Ungeachtet dessen kam es zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zwischendurch immer wieder zu Mißverständnissen, Verdächtigungen, Differenzen, die sich dann am heftigsten in den Medien niederschlugen, wenn es um die Frage ging, ob Österreichs Zukunft nach dem katastrophalen Ende der „Anschluß“-Ära noch immer ein Teil der deutschen Zukunft wäre oder nicht.

Am 16. Oktober 1954 informierte Müller-Graaf telegrafisch das Auswärtige Amt in Bonn, daß die FURCHE in einem Artikel ihres Herausgebers und Chefredakteurs Friedrich Funder darauf dränge, daß Bundeskanzler Konrad Adenauer ein klärendes Wort über Österreichs Unabhängigkeit und die Nichtigkeit des „Anschlusses“ sagen solle. Tatsächlich hatte sich in Osterreich eine Pressepolemik um Äußerungen einiger deutscher Politiker entfacht, aus denen nicht genau herauszuhören war, ob sie nicht noch immer eine Konzeption deutschösterreichischer Gemeinsamkeit vertraten. Müller-Graaf sprach mit Funder und berichtete: „Ich glaube, daß die Auffassung von Funder, es möge bald gelegentlich ein Satz zur österreichischen Frage von deutscher Regierungsseite gesagt werden, bei der jetzt eingetretenen Sachlage begründet ist.“

Diese betont sachliche Einschätzung wurde in dem Maß schwieriger, als sich im Vorfeld des Staatsvertrages die „österreichische Frage“ kräftig zuspitzte. Zur negativen Sicht der (österreichischen) Dinge trug insbesondere auch die sogenannte „Studiengruppe Südost“ bei, die Konf iden-tenberichte an das deutsche Außenministerium weitergab, dessen Sachbearbeiter mehrfach deren Glaubwürdigkeit hervorhoben. „In den letzten Tagen tritt besonders Dr. Kurt Skalnik, Redakteur bei der Furche, als gehässiger Gegner Deutschlands hervor“, klagte Professor F. Valja-vec, der die „Südosf'-Berichte jedesmal unterzeichnete, am 25. April 1955, also kurz vor dem Staatsvertrag. „Zu diesen Negati-visten gesellt sich die Gruppe der Naiven unter den ÖVP-Politi-kern, die nun mit großem Stolz die starke Wirkung vorzeigen, die das Beispiel Österreich auf den Durchschnittsdeutschen und vor allem auf die deutsche Opposition mache.“

Valjavec hatte deutliche Vorbehalte gegen Außenminister Leopold Figl, den er auch in die „deutschfeindliche“ Gruppe der österreichischen Politiker einordnete. Deren Tätigkeit charakterisierte er am 22. Juni 1955 mit den Worten: „Hierbei ist die Ursache der deutschfeindlichen Richtung der Linkskatholiken und der ihnen nahestehenden Wochenzeitung ,Die österreichische Furche' nach wie vor durch persönliche Ressentiments einiger Opfer des Hitler-Regimes nicht ausreichend zu erklären. Es scheint neuerdings bei diesem in Intellektuellenkreisen sehr angesehenen Blatt auch die kirchenpolitische Tendenz einiger Redaktionsmitglieder und engen Mitarbeiter hineinzuspielen, nämlich ihr Zukunftsplan, in den Ostraum auszugreifen, um dort das Erbe der an ihrer Kollaboration mit den Kommunisten möglicherweise zerfallenden orthodoxen Kirche zugunsten der katholischen Kirche anzutreten. Versuche, die Gedankenkomplexe dieser Richtung der .Furche' auf ihre politische Logik hin klarzustellen, sind bisher nicht befriedigend verlaufen. Vor allem konnte kein plausibler Zusammenhang zwischen dieser kirchenpolitischen Neigung und der Abneigung gegen die doch von Christen und auch von katholischen Kräften getragene deutsche Bundesrepublik ermittelt werden... Diese Stimmung wurde von russischer Seite und offenbar auch diesmal von der französischen Botschaft aus genährt, wenn die Indizien nicht trügen.“

Solche Situationsschilderungen beruhten, wie erwähnt, auf Kon-fidentenberichten und waren sichtlich durch den Blickwinkel von Emigranten aus dem Balkanraum gefärbt. Indes schlugen sich die Ansätze von Verschwörungstheorien auch in den offiziellen diplomatischen Berichten aus Wien nieder, wobei auch die damals noch existierende Tageszeitung „Neues Österreich“ ihre Seitenhiebe abbekam.

So warnte Müller-Graaf bereits am 10. September 1954 vor der „Gefährlichkeit“ des „Neuen Österreich“, weil zu dieser Zeitung „sehr verschiedene Fäden führen, wahrscheinlich gewisse französische und mindestens durch diese hindurch auch sowjetische“.

Erst 2 Jahre nach Abschluß des Staatsvertrages, als auch die Vermögensregelung zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland unter Dach kam, legte sich der Staub der Aufregungen. Es hatte sich erfüllt, was die FURCHE am Höhepunkt des Streites um das deutsche Eigentum mit den Worten gefordert hatte: „Wir müssen es unseren deutschen Freunden ebenso offen sagen wie unseren östlichen Handelspartnern: die Fragen des deutschen Eigentums mögen in Bonn als einfache Wirtschaftsangelegenheiten angesehen werden, für Österreich sind sie politische, staatspolitische Existenzfragen allerersten Ranges, und es ist die staatsbürgerliche Pflicht jedes Österreichers, sich hier zu einem Standpunkt durchzukämpfen, der eine freie Wirtschaft als Fundament eines freien Österreichs in einem freien Europa als unerläßliche Vorbedingung aller Freundgespräche mit unserem deutschen Nachbarn in Wort und Tat bekennt.“

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der „Presse“. Im Carl Ueberreuter-Verlag ist soeben sein „Presse“-Buch „Osterreich und die Deutschen“ erschienen.

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