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Fusionen sind alles, der Kunde nichts?

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Wenn Bankenchefs und andere Manager über den EG-Beitritt und ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit nachdenken, haben sie meist nur eine Strategie parat: Fusionieren, um zu überleben. Wer größer ist, kann nicht so leicht geschluckt werden. Bei ihren Überlegungen scheinen sie den Blick für diejenigen verloren zu haben, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ausmachen: die Kunden.

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Wenn Bankenchefs und andere Manager über den EG-Beitritt und ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit nachdenken, haben sie meist nur eine Strategie parat: Fusionieren, um zu überleben. Wer größer ist, kann nicht so leicht geschluckt werden. Bei ihren Überlegungen scheinen sie den Blick für diejenigen verloren zu haben, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ausmachen: die Kunden.

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Wird die EG uns bereichem oder schaden? In welche Richtung werden wir gehen - Chance oder Apokalypse? Viele Menschen, Firmen und Branchen zittern geradezu um die Wette.

In manchen Branchen, wie zum Beispiel Finanzdienstleistungen, fusioniert man, um die Widerstandsfähigkeit vor der anrollenden Welle der EG-Giganten zu erhöhen. Denn je größer man ist, umso schwerer ist es, geschluckt zu werden. Doch schaut man sich EG-Imperien an, so sind auch die neuen österreichischen Gebilde geradezu Mozartkugeln, gegen das, was da auf uns zurollt. Aber was tun? Noch mehr fusionieren?

Während der eine oder andere Manager von seinem Elfenbeinturm aus in das Ausland späht und über seine Wettbewerbsfähigkeit nachdenkt, scheint man hier und da den Blick für denjenigen verloren zu haben, der die Firmen wettbewerbsfähig macht. Er ist das wertvollste, was ein Unternehmen haben kann. Der Kunde! Er entscheidet, ob es einer Firma gut geht oder nicht.

Auf ihn sollten die Unternehmen all ihre Energie lenken. Die Werbung alleine reicht nicht, denn die Stunde der Wahrheit findet bei „Tuchfühlung" statt. Wenn der Kunde eine Bank, aber auch ein Geschäft oder ein Lokal betritt, dann zeigt sich die Qualität des Unternehmens. Was er zu spüren bekommt, wirkt sich früher oder später auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.

Nicht alle Unternehmen sind gleich. Ab und zu betritt man Einzelhandelsgeschäfte, bei denen der Eindruck entstehen kann, daß lange Gesichter des Verkaufspersonals zur Corporate Identity gehören. Wenn der Kunde dann noch was zu „meckern" hat, erntet erobendrein einen bösen Blick. Zu „modernen" Methoden der Kundenbetreuung scheint auch das Hausverbot für reklamierende Kunden zu gehören. Solch ein Fall ging vor kurzem durch die Medien, was für eine Werbung!

Es ist kaum eine Branche so hoch technologisiert wie Banken und Sparkassen. Trotzdem passiert es zwischendurch, daß Einzugsaufträge blockiert werden und Dauerüberweisungsaufträge nicht erfolgen. Eine Standardantwort: „Entschuldigung, wir haben das unserem Neuen übertragen, und der hat das leider übersehen." Und wehe, ein Kunde sprengt einmal in vielen Jahren der Zuverlässigkeit und Treue seinen Kreditrahmen.

Da kann es ihm passieren, daß er einen unpersönlichen Stellungsbefehl erhält: Er habe sich umgehend bei Herrn Kundenqual zu melden, denn der Kreditrahmen wurde gesprengt! Alle Einzugsaufträge des Kunden werden ohne Rücksprache mit ihm gestoppt. Die Benachrichtigung erfolgt verspätet. Der Kunde bekommt hautnah zu spüren, wie schlecht und unzuverlässig er ist. - Ahnliche Beispiele ließen sich aus unterschiedlichen Branchen beliebig fortsetzen.

Was ist EG-Reife? Viele werden antworten: Internationalisieren, Fremdsprachen beherrschen. Das ist nur bedingt richtig.

EG-Reife bedeutet „Kundenorientierung". Alles für den Kunden tun, damit er sich wohl fühlt. Bis auf wenige Ausnahmen wollen wir Menschen nur eines-uns wohlfühlen. Anerkennung, Liebe, Freude und Erfolge sind unsere Motivationsfaktoren. Wir mögen es, angelächelt und „gestreichelt" zu werden. Geborgenheit ist ebenso wichtig, wie ab und zu Aufregendes zu erleben. Prügel tun weh, auch mit Worten und Gesten.

Neben einem marktreifen Produkt ist es wichtig, gut gestimmte Kunden zu haben. Ein Lächeln schenken kostet kein Geld, ist aber eine der wirksamsten Verkaufsförderungs-maßnahmen. Oder sollen die österreichischen Kunden auf die Mitbewerber aus dem asiatischen „Land des Lächelns" warten, bis sie „Streicheleinheiten" bekommen?

Kundenorientierung bedeutet auch

Zuverlässigkeit. Deshalb pflegen erfolgreiche Unternehmen ständig ihre Arbeitsabläufe, damit der Kunde keine bösen Überraschungen erlebt. Das zieht nicht zwangsläufig Technologie-Investitionen mit astronomischen Kosten nach sich. Denn das Optimierungspotential liegt im Menschen. Von der Geschäftsleitung bis zur Telefonzentrale-alle tragen ihre Verantwortung für den Erfolg.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Die Kunden sind Lebenspartner und sollten deshalb so behandelt werden.

Manche Manager stehen auf ihrem Elfenbeinminarett und beklagen den Preisverfall: „Er wird uns noch umbringen!" Der Preisverfall ist ein hervorragendes Argument, um die mangelnde Flexibilität und geringe Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Marktverhältnisse zu verdecken. Darüber hinaus eignet sich diese scheinbar bedrohliche Entwicklung besonders gut dazu, Managementversäumnisse der Vergangenheit zu retuschieren. Außerdem kommt der Preisverfall glücklicherweise „von außen". Deshalb ist man ihm hilflos ausgeliefert. Eine Entwicklung, die unweigerlich zum Kollaps führt. Der Anschluß an die Intensivstation „Staatliche Subventionierung" ist nicht mehr weit.

Ein magisches Dreieck: Produkt, Preis und Kundenbeziehung. Befinden sich diese drei Erfolgsfaktoren, an die so viele weitere Bedingungen geknüpft sind, im Lot, dann ist das Fundament für die Europa-Reife gefestigt.

Am Preis zum Beispiel hängt unter anderem die Finanzierung der Organisation eines Unternehmens. Wenn plötzlich Anbieter da sind, die Qualitäts-Produkte deutlich preiswerter verkaufen können und das gewinnbringend über Jahre, dann heißt das unter Umständen, das eigene Unternehmen steht vor einer Metamorphose. Die Organisation muß neu überdacht und gegebenenfalls einer Schlankheitskur unterzogen werden.

Schlankheitskur bedeutet nicht unbedingt, daß Produktivkräfte entlassen werden, sondern daß die Firma auf unproduktive Managementebenen verzichtet. Versäumt es die Unternehmensführung, eine Metamorphose rechtzeitig einzuleiten, dann schlittert die Firma früher oder später in die Auflösung, Übernahme oder den Konkurs.

Die Landwirtschaft ist zum Beispielein bedeutender vo lks wirtschaftlicher Faktor. Sie dient nicht nur der Produktion von Nahrungsmitteln, sondern auch der Landschaftspflege. Dennoch haben viele Landwirte Angst vor der EG. Es liegt klar auf der Hand, daß die Produktion von Nahrungsmitteln, die ja jeder Mensch braucht, seine Existenzberechtigung hat. Woher die Angst?

Den meisten Landwirten fehlt der Kundenstock. Sie liefern ihre Produkte ausschließlich an eine zentrale Genossenschaft, die in Gremien sitzt, die die Sollwerte für den Anbau vorschreiben. Der EG-reife Landwirt kennt hingegen seine Stärken. Er hat einen soliden Kundenstock in Österreich und ist somit überlebensfähig. Darüber hinaus besitzt er betriebswirtschaftliches Grundwissen und hat klare Vorstellungen über die Entwicklung seines Betriebes.

Die Funktion der Landwirtschaft ist für jede Volkswirtschaft lebenswichtig. Doch ein landwirtschaftlicher Betrieb hat die gleichen Erfolgsfaktoren wie alle anderen Unternehmen: Produkt, Preis und Kundenbeziehung. Ohne Kunden kein Betrieb.

Viele Menschen befürchten, daß „die Großen die Kleinen fressen". Keine Angst: Die Kreativen fressen die Ideenlosen, die Schnellen fressen die Langsamen, die Kundenorientierten fressen die Orientierungslosen, die Flexiblen die Behäbigen und so weiter. Ob groß ob klein, jeder kann gefressen werden.

Österreich ist ein bedeutender Knotenpunkt zwischen West- und Osteuropa. Dieses Land ist schon längst internationalisiert. Ohne internationale Verflechtung gäbe es vieles nicht: Urlauber aus dem Ausland, die neue Energien tanken; wirtschaftlicher Austausch, der Umsätze ermöglicht. Die EG-Zugehörigkeit ist ein Ja zu dieser schon bestehenden internationalen Verflechtung.

Der Autor ist Geschäftsführer der Chairman Individual Trainings-GesmbH.

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