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„Gabriel“ gegen „Osa“

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Auch die Flottentaktik hat sich im Mittleren Osten geändert. Der wichtigste Faktor ist nach wie vor die amerikanische sechste Flotte und ihr Gegenpol, das sowjetische Mittel- meengeschwader. Doch auch die arabischen Staaten wie Israel wendeten viel Energie für eine Reorganisation ihrer Flotteneinheiten auf.

Die israelische Flotte galt als unbedeutend. Ihre bisher größten Erfolge konnten die Marinekommandos während und nach dem Sechstagekrieg erzielen. Über die ganze Waffengattung wurde bisher wenig veröffentlicht. Es ist bekannt, daß israelische Froschmänner von einem U-Boot aus zu den Häfen von Kairo und Port Said geschwommen sind, um ägyptische Schiffe zu versenken. In Port Said ist diese Aktion gelungen, es wurden ein Minensucher und ein Patrouillenboot versenkt. Alle größeren Flotteneinheiten hatten allerdings den Hafen vorher verlassen. In Alexandrien wurden die Marinekommandos gefangengenommen, ohne ihr Ziel erreicht zu haben.

Nach dem Krieg eroberte ein israelisches Marinekommando die schwerbefestigte Insel Green im Roten Meer. Sie ist eine Festung im Meer, schwer zu erklimmen; das verhältnismäßig kleine Kommando konnte sie einnehmen, nachdem es die Besatzung überwältigt hatte. Außerdem unternahmen israelische Marinekommandos einige kleinere Aktionen, die bis heute nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind.

Heute ist die israelische Flotte hauptsächlich als Küstenwache beschäftigt. Seit dem Sechstagekrieg handelt es sich hier um eine enorme Aufgabe, da diese Flotteneinhelten die ganze Sinaihalbinsel im Süden von Eilath bis Suez entlang und im Norden von Port Said bis Ras e Na- kura an der libanesischen Grenze patrouillieren müssen.

Israels Flotte erlitt In den letzten drei Jahren zwei schwere Schläge. Am 21. Oktober 1967 wurde der Zerstörer „Eilath“ im internationalen Gewässer von ägyptischen Raketen, die vom Hafen Port Said aus abgefeuert wurden, versenkt. Es gab 75 Tote und zahlreiche Verletzte. Außerdem verschwand das U-Boot „Dakar“ am 25. Jänner 1968 auf seiner Jungfernfahrt von England nach Israel. Es wurde niemals aufgefunden. Die israelische Flotte besteht heute aus drei U-Booten, zwei Zerstörern, neun Torpedobooten, neun Patrouillenbooten und zehn Landungsbooten sowie zwölf Raketenbooten. Bei den U-Booten handelt es sich um zwei veraltete englische Typen der „Klasse T“ (Baujahr 1944/45) mit 1310 und 1280 Tonnen. Das dritte stammt aus dem Jahr 1945 und hat nur 715 Tonnen.

Die wichtigste Waffe sind die zwölf Raketenschiffe, „Satill“ genannt, die 30 bis 40 Knoten schnell sind und 1967 bis 1970 in Cherbourg, Frankreich, nach israelischen Plänen erbaut wurden. Sie sind mit der israelischen See-zu-See-Rakete „Gabriel“ bestückt, haben einen Aktionsradius von mehr als 800 Meilen und können aus großer Entfernung (30 km) feuern. Die Torpedoboote wurden teilweise in Japan, Italien und Frankreich gebaut. Sie . haben eine Geschwindigkeit von 30 bis 45 Knoten und sind vielfältig zu verwenden. Die Landungsboote wurden teilweise in Israel selbst hergestellt und bisher nur bei größeren Operationen verwendet.

Die Patrouillenboote wurden von der amerikanischen Flotte erstanden, laufen 18 Knoten und taugen nur für harmlose Patrouillenaufgaben. Sie dienen zur Küstenwache, können aber operativ nicht eingesetzt werden. Auch die beiden Zerstörer haben mehr Museums- als Kampfwert. Der eine, Klasse Z, wurde 1944 in England vom Stapel gelassen, der andere, Klasse „Hunt", Typ l, 1940.

Die ägyptische Flotte ist die stärkste im Mittleren Osten: 16 U-Boote, acht

Zerstörer, vier Begleitschiffe, sechs Minensucher, 20 Raketenboote, zwei Korvetten, acht Patrouillenboote, 45 Torpedoboote, 24 Landungsschiffe und 15 Hilfsschiffe. Die ägyptische Marine ist 14.000 Mann stark und verhältnismäßig modern. Von den Zerstörern gehören sechs dem sowjetischen „Skoryi“-Typ an: 1951 gebaut, später überholt und verbessert. Man spricht davon, daß die Sowjetunion die Zerstörerflotte mit noch neueren Zerstörern (Klasse „Krupny“ und „Kildin“) ausrüsten will. Vier alte englische Zerstörer sind kaum noch einsatzfähig. Von den U-Booten gehören acht dem sowjetischen Typ R an und sieben dem Typ W.

Bei den Torpedobooten handelt es sich um zwei ehemalige russische „Shershen“ (150 Tonnen) und 36 ehemalige russische P 6. Von diesen Booten wurden zwei 1956 und zwei 1969 versenkt. ‘ 956 kaufte Ägypten von Jugoslawien sechs Torpedoboote, die jedoch mittlerweile veraltet sind. 1966 erhielt Ägypten zwölf Raketenboote des Typs „Osa“. Ähnlich wie die israelischen Schiffe haben sie eine Geschwindigkeit von 35 Knoten, führen „Styx“-Raketen (Reichweite bis zu 20 km) und gelten als schwer überwindbare Waffe. Weitaus komplizierter sind die „Komar“-Raketenboote: 40 Knoten, ihre Raketen haben eine ähnliche Reichweite wie die der „Osa“, obwohl die Boote viel kleiner sind.

Dank seinem Reichtum konnte Libyen größere Aufträge an englische Werften vergeben. 1966 wurde eine Korvette geliefert, hauptsächlich als Schulschiff. Außerdem sollte England drei Raketenschiffe liefern. Zur Zeit besitzt Libyen drei englische Küstenwachschiffe und eine Fregatte mit „Seacat“-Raketen.

Die sudanesische Flotte wurde erst 1962 gegründet. Sie besteht einstweilen aus jugo.siawischen Patrouillenbooten, zwei ehemaligen jugoslawischen Landungsbooten, einem kleineren Brennstoffboot und einem kleinen Wassertransporten. Auch die syrische Flotte ist klein und besitzt wie Jordanien eine Flotte, die kaum nennenswert ist. Jordanien hat ja auch nur einen einzigen Zugang zum Meer, Akaba. Vor dem Sechstagekrieg hatte es zwei Sturmboote im Toten Meer, sie wurden versenkt.

Irak: Hauptfeind Persiens

Die irakische Flotte hat sich nicht an den Kämpfen gegen Israel beteiligt, sie sieht ihren Hauptfeind in Persien. Der Konflikt um Shat-el-Arab wurde bisher nicht beigelegt. Die irakische Flotte (12 Torpedoboote, ein Dutzend Patrouillenboote) bereitet sich hier auf einen Entscheidungskampf vor.

Aber auch jene arabischen Staaten, die nicht direkt am Kampf gegen Israel beteiligt sind, versuchten in letzter Zeit, ihre Flotten auszubauen. Der Libanon verfügt über fünf Patrouillenboote für die Küstenwache und ein Landungsboot, 1957 von den Vereinigten Staaten geschenkt. Kuweit, Abu Dhabi, Bahrein und die anderen Ölscheichtümer bestellten schnelle Patrouillenboote in England, sie dienen hauptsächlich zur Bekämpfung des Schmuggels. Von einer Flotte kann kaum die Rede sein. Aber trotz der langen Küsten hat es auch Saudi-Arabien bisher nicht für nötig gehalten, eine nennenswerte Flotte zu entwickeln. Erst die Gefahr einer Konfrontation mit Ägypten und die Möglichkeit, daß England den Persischen Golf verläßt, hat das Land veranlaßt, eine eigene Flotte aufzubauen. Zur Zeit besitzt der Staat ein größeres Küstenwachschiff (amerikanischer Flottenüberschuß), einige Küstenpatrouillenschiffe sowie ein „Hoovercraft“-Luftkissenschiff gegen Schmuggler.

Alle arabischen Staaten des Mittleren Ostens leiden unter einem Mangel an gut ausgebildeten Mannschaften und Offizieren. Obwohl diese Flotten zusammen, wie die ägyptische allein, viel stärker sind als die israelische Marine, haben sie es bisher immer vermieden, den Kampf mit israelischen Flotteneinheiten aufzunehmen. Die ägyptische Flotte hat sowjetische Instruktoren. Es wurde behauptet, daß es russische Mannschaften gewesen seien, die seinerzeit die „Eilath“ versenkten. Auch in der syrischen und irakischen Flotte sind russische Instruktoren am Werk. Bis vor einiger Zeit konnte man in Saudi- Arabien und anderen monarchistischen arabischen Staaten europäische Instruktoren Anden, von den verschiedenen Flotten, angeworben. Doch auch diese Söldner in fremden Diensten zeigen im allgemeinen wenig Kampfgeist. Die wenigen Zusammenstöße zwischen der israelischen und ägyptischen Flotte, die dank der Geschwindigkeit der israelischen Torpedoboote zu einem Nahkampf wurden, endeten bisher immer mit einem israelischen Sieg.

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