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Gaddafi auf neuen Wegen?

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Der israelische „Blitz gegen das irakische A tomzentrum bei Bagdad hat offensichtlich auch in Tripolis eingeschlagen. Denn da häufen sich die A nzeichen eines außenpolitischen Kurswechsels der Libyer. Freilich, das Ziel, das Oberst Muammar al Gaddafi dabei im A uge hat, bleibt dasselbe: die Niederringung des jüdischen Staates.

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Der israelische „Blitz gegen das irakische A tomzentrum bei Bagdad hat offensichtlich auch in Tripolis eingeschlagen. Denn da häufen sich die A nzeichen eines außenpolitischen Kurswechsels der Libyer. Freilich, das Ziel, das Oberst Muammar al Gaddafi dabei im A uge hat, bleibt dasselbe: die Niederringung des jüdischen Staates.

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Noch vor kurzer Zeit polterte König Hassan II. von Marokko, der libysche Diktator sei die zweitgrößte Plage Afrikas nach den Heuschrecken, und der Ministerpräsident Marokkos, Boua- bid, betrachtete den „Bruder Muam- mar“ als „Gauleiter Nummer 1“ des Kremls auf dem Schwarzen Kontinent.

Zurückzuflihren waren diese Angriffe von außerhalb vor allem auch auf die Zwangsvorstellung des libyschen Obristen, wonach alle Araber sich um ihn sammeln müßten, damit Israel vernichtet und Palästina befreit werden könne - koste dies auch was es wolle. Schließlich sind die Erdöleinnahmen Libyens vor dem letzten Olpreisschock auf jährlich zwölf Milliarden Dollar geschätzt worden, als das Faß noch für 20 bis 32 Dollar stand: nicht für 42 Dollar wie heutzutage.

Der Mann, der am 16. April 1973 in Zouara, zur Stunde seiner Kulturrevolution, die „Literatur des jüdischen Marxismus“ verbrennen ließ, der die Bücher von Lenin und Engels als „Werke ohne Substanz" bezeichnete, der den Arabern ins Stammbuch schrieb, daß sie „keine Ahnung davon haben, was in Moskau vorgeht“ - dieser Mann setzte seit dem Mai 1974, seit der Kreml-Mission seiner rechten Hand, des Hauptmannes Jalloud, alles auf Moskau.

Erklärterweise allerdings nur deshalb, weil er, Gaddafi, in der UdSSR den einzigen Waffenlieferanten für die Vernichtung Israels erblickte. Damals gab es außer den Vereinigten Staaten, die in der Sache nicht mitmachten, keine Macht, die zu diesem „Geschäft“ bereit und fähig gewesen wäre.

Die allzu engen Beziehungen Gaddafis mit Moskau trugen den Libyern von chinesischer Seite den Vorwurf ein, sie seien „die Schwertspitze der Sowjetunion in Afrika“. Seit Gaddafis Moskau-Besuch Ende April dieses Jahres muß sich der Westen damit nicht nur auf dem „Schwarzen Kontinent“, sondern auch im Nahen Osten beschäftigen.

Die amerikanische Aufforderung an die außersowjetische Welt, keine Waffen mehr an Libyen zu liefern, ist darauf zurückzuflihren, ebenso der Abbruch der diplomatischen Beziehungen von Senegal, Niger, Nigeria, Gambia, Uganda und Ghana mit Libyen. In Moskau hat Gaddafi angeblich auch die Zusicherung erhalten, daß die UdSSR ah der Seite der Araber militärisch ebenso stark intervenieren werde wie allenfalls die US-Eingreiftruppen im Persischen Golf.

Inzwischen aber hat der israelische Schlag gegen das irakische Atom for- schungszentrum einiges geändert. Die Regimeführung ist offenbar zu der Ansicht gelangt, daß ihr bisheriger Weg zur Niederringung Israels nur in eine Sackgasse geführt habe. Jetzt will Tripolis anscheinend einen neuen außenpolitischen Kurs einschlagen:

• die innerarabischen Fehden und Kriege sollen beendet werden;

• alles muselmanische Potential gegenüber dem Zionismus soll zusammengelegt werden.

In diesem Sinne entsandte Oberst Gaddafi den PLO-Chef Jassir Arafat über Algerien zu König Hassan II. von Marokko um einen Ausweg aus dem West-Saharakrieg zu finden. Auch mit König Hussein von Jordanien führte er ein Versöhnungstelephonat - obgleich er noch kurz zuvor beide Monarchen aufgefordert hatte, „ihre Szepter in den Mistkübel zu werfen“.

König Khaled von Saudi Arabien wurde von Gaddafi im selben Sinne angesprochen und ebenso der irakische Präsident Saddam Hussein. Die zwischen Tripoli und Rabat, Riad beziehungsweise Bagdad abgebrochenen diplomatischen Beziehungen werden wieder aufgenommen. Dazu Libyens Delegierter bei der OAU-Gipfelkonferenz

in Nairobi (Kenya) Abdel Ati Al Obeidi: „Zur Zügelung Israels muß die arabische Einheit wieder hergestellt werden“.

Das Stichwort fiel zum Auftakt des Jahrestreffens der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU), es reicht aber über den Atlantik bis ins „Weiße Haus“. Wetterte noch Mitte Mai dieses Jahres Gaddafi’s ideologisches Organ „Al-Zahf Al Akhdar“: „Wir fürchten Amerika nicht und lassen uns von einem zweitklassigen Cowboy-Schauspieler nicht herumkommandieren“, dann hält es Tripolis zur Stunde anders.

Es entsandte seinen Chefunterhändler mit den USA, Ahmed Shahati, der

den Präsidentenbruder Billy Carter als Libyen-Lobbysten gewonnen hatte, zu Verhandlungen nach Washington. Die im Vorjahr schwer belasteten und durch die amerikanische Ausweisung aller Gaddafi-Diplomaten abgebrochenen diplomatischen Beziehungen sollen zwischen beiden Staaten in aller Form wiederhergestellt werden.

Die Wiener Vertretung Libyens zeigt sich neuerdings von ihrer besten ge- sprächs- und kontaktfreundlichen Seite. Zum ersten Mal seit dem Regime-Bestand (1969) hat Tripolis einen ständigen Korrespondenten der Staatsagentur JANA nach Österreich entsandt ..

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