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Gaddafis Flirt mit Papandreou

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Die ohnedies mit anti-amerikanischen Parolen vollgeklebte Innenstadt von Athen ist um neue Plakate reicher geworden: Neben „Freiheit für El Salvador" und „Keine Todes-Nach-rüstung der NATO" wird jetzt auch,.Hände weg von Libyen" gefordert.

Gerichtet ist diese außerdem von Demonstranten auf ihrer fast schon täglichen Marschrichtung zur US-Botschaft gebrüllte Warnung an „Imperialisten und Zio-nisten", deren Machenschaften und Umtriebe angeblich das libysche Volk bedrohen.

Nun: Demonstrieren war schon immer vieler Griechen Freud* — vor allem, wenn es um möglichst ferne und nur ja nicht hautnahe Probleme ging. Griechenlands pro-libysche Welle muß aber deshalb viel ernster genommen werden, weil sie offizielle und gesucht herausgestellte Politik der neuen Linksregierung von Andreas Papandreou ist.

Der sommerliche Syrtenzwi-schenfall libyscher MIG's und sechster amerikanischer Flotte hatte schon in der Propaganda der damals noch in Opposition stehenden PASOK-Sozialisten von Hellas für den Wahlsieg vom Oktober 1981 eine wichtige Rolle gespielt; ebenso \ Pläne für eine Entmilitarisierung der Insel Kreta mit ihrem auch von anderen westlichen Mächten mitbenutzten Raketen-Schießplatz, der natürlich den Libyern beziehungsweise ihren russischen Hintermännern im gegenüberliegenden Tobruk und Bengasi ein Dorn im Auge ist.Papandreou, der inzwischen in NATO und EG fast ebenso zum „Enfant terrible" wie Gaddafi in allen arabisch-afrikanischen Belangen geworden ist, sieht in dem Heißsporn und Außenseiter über dem Meer natürlich eine verwandte Seele und einen handlichen Energielieferanten. Tatsächlich honoriert Libyen bereits die Huldigungen aus Athen mit handfesten Erdöllieferungen, die bezeichnenderweise zu einem großen Teil den Umweg über die Sowjetunion machen.

Die Voraussetzungen der jetzt so dicken griechisch-libyschen Freundschaft gehen aber viel länger, um gut 20 Jahre, zurück: Als nämlich noch König Idris einen Teil der von Abdel Nasser enteigneten Ägypten-Griechen aufnahm, ihnen neuen Wohlstand und seinem Land Entwicklungshelfer erster Klasse verschaffte.

Seine jungen Offiziere schickte der greise Monarch an die Evelpi-den-Akademie nach Athen, wo sie den Know-how und zum Teil auch die radikale Einstellung für den Militärputsch am 1. September 1969 lernten.

Griechenlands Beziehungen zu Gaddafi waren daher von Anfang an gut, ob am Athener Syntagma-Platz nun die Obristen eines Pa-padopoulos oder Ioannidis, ein konservativer Karamanlis oder ein sozialdemokratischer Papandreou saßen.

Allzu lange wurde die libysche Luftwaffe von griechischen Piloten gesteuert, Griechenlands Nationalbank ging den zwar äußerst zahlungskräftigen, doch ziemlich rechenunkundigen Libyern beim Management ihrer Petrodollars nach der Nationalisierung des italienischen Bankensystems an die Hand. Und selbst auf dem Agrar-sektor traten griechische und zypriotische Fachleute an die Stelle der von Gaddafi ausgetriebenen letzten Kolonialisten aus Italien.

Das alles geschah aber bis zu Papandreou ganz im Stil und Rahmen geschäftsmännischer Interessen, wie sie in Libyen ja auch Deutsche und Franzosen oder die europäischen Neutralen, Österreich und Schweiz, ohne Rücksicht auf Gaddafis sonstige Eskapaden stark und gerne wahrnehmen. Erst die ausgeprägte und auch emotionell tief verwurzelte Amerikaner- und Westeuropäerfeindschaft von Andreas Papandreou bot das Fundament für ein politisches Zusammenrücken, das der mediterranen Strategie von Tripolis gerade jetzt entgegenkommt.

Diese war bisher in erster Linie auf Malta, die Türkei und Zypern gerichtet, wo es aber aus verschiedenen Gründen 1980/81 nur noch Rückschläge gab: Mintoff überwarf sich als erster mit Gaddafi wegen der eigenen Erdölinteressen auf dem afrikanischen Kontinentalsockel; in der Türkei wurde die schon recht starke libysche Infiltration im Untergrund wie im formell demokratischen Regierungssystem durch die Machtergreifung General Evrens blok-kiert; und auf Zypern regieren seit den Maiwahlen von 1981 faktisch ohnedies die AKEL-Kom-munisten, so daß Moskau die Libyer nicht länger vorzuschicken braucht.

Beim Flirt Gaddafis mit Papandreou fallen die libyschen Ambitionen und sowjetischen Interessen hingegen auch hinsichtlich mittelmeerischer Flottentaktik zusammen. Libyen ist eben bestrebt, mit sowjetischen, italienischen und französischen Einheiten vom U-Boot bis zum Raketenträger eine beachtliche Kriegsmarine aufzubauen. Und dazu sind die seit eh und je seefahrenden Griechen zweifellos die besten und nicht zuletzt deswegen gerade jetzt so umworbene Partner.

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